Franziska Teuscher holt zum Gegenschlag aus. Ausführlich nimmt die Gemeinderätin im Bärnerbär Stellung zu den teils happigen Vorwürfen. Baustellen findet sie «an sich nichts Negatives».
Sind Sie erschrocken, als Sie den Artikel in «Bund» und «Berner Zeitung» letzte Woche gelesen haben?
Ich brauche Debatten mit unterschiedlichen Argumenten. Konstruktive Kritik verbessert Projekte und Angebote. Ohne sie gibt es keine gute Politik. Anonyme und pauschale Kritik hingegen führt nicht weiter. Dass in dem von Ihnen genannten Artikel Fakten und Meinungen so stark vermischt wurden, hat mich enttäuscht.
Im Artikel werden Ihnen Führungsschwäche und zahlreiche Baustellen vorgeworfen.
Ich pflege mit grosser Überzeugung einen partizipativen Führungsstil. Denn es ist hinlänglich bekannt, dass sich das Vertrauen der Vorgesetzten in ihre Führungspersonen und Mitarbeitenden sowie das Ermöglichen eines Gestaltungsspielraum sehr positiv auf die Ergebnisse auswirken. Mein Führungsverständnis hat auch mit meinem ursprünglichen Beruf zu tun: Als Biologin weiss ich, dass sich ein Baum ohne starke Wurzeln und ohne genügend Raum nicht entfalten kann. Ich bin nicht das Alphatier, das einsame Führungsentscheide ohne Rücksicht auf die Basis und das Umfeld fällt.
Und die angeblichen Baustellen?
Zum einen: Baustellen an sich sind nichts Negatives. Es wird gearbeitet es wird etwas repariert oder es entsteht etwas Neues. Das befürworte ich in meiner Direktion. Zum anderen: Es ist sicher so, dass in meiner Direktion zahlreiche Themen vereinigt sind, die die Menschen berühren, die politisch sensibel sind, die laufend angepasst werden müssen und überdies viel kosten. Ich denke an die Gesundheit, unser wichtigstes Gut, an die Sozialhilfe als gesellschaftliches Auffangnetz, an die Bildung als unsere Zukunft und wichtigsten Rohstoff. Dazu einige Beispiele…
Gerne!
Meine Direktion war in der Covid Krise stark gefordert. Die Schulen, der Gesundheitsdienst oder die Kitas der Stadt Bern haben phasenweise unter extremem Druck gearbeitet, im Lockdown den Fernunterricht von 0 auf 100 aufgebaut oder neue Schutzkonzepte über Nacht umgesetzt. Dafür bin ich meinen Mitarbeitenden und den Schulverantwortlichen unendlich dankbar. Auch der Ukrainekrieg bringt meiner Direktion neue Herausforderungen. Es ist eine Herkulesaufgabe, innert kürzester Zeit die Betreuung, die Unterstützung, die Einschulung und die Arbeitsintegration von mehreren Tausend Menschen zu organisieren. Die BSS und ich als Sozialdirektorin machen das gerne. Wo wir unterstützen können, tun wir das. Helfen und Fördern sind unsere Kernaufgaben. Schliesslich ist es eine Riesenherausforde – rung, genügend Schulraum zur Verfügung zu stellen. Die Schüler:innenzahlen steigen seit Jahren stärker als von Statistiker:innen vorausgesagt. Bei der Schulraumbereitstellung geht oft vergessen, dass es sich um lang wierige Bauvorhaben handelt, von der Bestellung des Schulraums bis zur Schlüsselübergabe an die Schule vergehen teilweise bis zu acht, neun Jahre. Wenn Projekte durch Einsprachen auf Jahre hinaus blockiert sind, wie beispielsweise im Wyssloch, braucht es innovative Lösungen wie das Projekt Baumgarten.
Wo steht das Schulinformatikprojekt base4kids2 heute?
Die Einführung der neuen Schulinformatik-Plattform ist 2019 misslungen. Die Gründe dafür wurden von verschiedenen Seiten her beleuchtet und liegen auf dem Tisch. Als Perfektionistin sage ich, dass solche Fehler und die entstandenen Mehrkosten nicht passieren sollten. Dass base4kids2 nicht das erste und nicht das letzte IT-Projekt mit Problemen ist, ist ein schwacher Trost. Ich bin jedoch froh, dass Schulen und meine Direktion es in den letzten zwei Jahren geschafft haben, die Plattform während des laufenden Betriebs auf Kurs zu bringen. Keine Selbstverständlichkeit. Deshalb: Ein grosses Dankeschön an alle Beteiligten. Es ist sicher eines meiner Kernanliegen, meiner Nachfolger:in eine stabile, funktionierende Schulinformatik-Plattform übergeben zu können, an der Lehrpersonen und Schüler:innen gleichermassen Freude haben.
Haben Sie weitere Herzensanliegen und Pläne bis zum Ende Ihrer Legislatur?
Für mich ist die Zweisprachigkeit ein Trumpf für die Stadt Bern. Es würde mich darum riesig freuen, wenn die Classes bilingues Wurzeln schlagen würden. Hier werden die Kinder ab dem Kindergarten im Unterricht teils auf Deutsch, teils auf Französisch unterrichtet und lernen so «spielend» zwei Sprachen. Wir haben eine sehr engagierte Schulleiterin, motivierte Lehrpersonen und eine Schulkommission, die mitzieht. Aber dieses junge Pflänzchen muss noch sorgsam gepflegt und gehegt werden. Mein wichtigstes Herzens- und politisches Anliegen ist indes sicher der Klimaschutz: Da müssen wir als Stadt Bern noch stärker vorangehen. Wir sind die grünste Stadt der Schweiz. Insofern haben wir auch Vorbildfunktion. Und wir haben die Legitimation und den Auftrag der Wähler:innen, den Klimaschutz entschlossen voranzubringen.
Die BSS ist die weitaus grösste und teuerste Direktion der Stadtverwaltung. Wieso?
Das ist tatsächlich so und es gibt gute Gründe, dass Bildung, Soziales und Gesundheit unter einem Direktionsdach vereinigt sind. Die Wege sind so kürzer, direkter und effizienter. Ich würde es begrüssen, wenn im Zusammenhang mit einer möglichen Fusion Berns mit Ostermundigen die Zahl der Gemeinderatsmitglieder und die Verteilung der Aufgabenfelder gründlich analysiert würden. Denn die Verwaltung muss so aufgestellt sein, dass sie die grossen Herausforderungen des Klimawandels und des sozialen Zusammenhalts bestmöglich meistern kann.
Und welche Direktion übernehmen Sie nach der Fusion?
Ich übernehme die Direktion Privat, Familie, Freund:innen und Garten. Mein Entscheid steht fest: Ich werde 2024 nicht mehr kandidieren. Im Moment gilt meine Aufmerksamkeit vor allem den Tausenden von ukrainischen Geflüchteten, die bei uns in der Stadt Bern ankommen. Ich setze alles daran, dass sie bei uns einen sicheren Ort bekommen, wo sie etwas Ruhe finden und wo sie willkommen sind. Ich bin der Berner Bevölkerung dankbar für ihre grosse Solidarität mit Geflüchteten, von wo auch immer sie herkommen.
Yves Schott