Pasqualina Perrig Chiello Min

Liebe, Sex und wie das alles in diesen Zeiten so funktioniert

Die Corona-Krise als Stresstest. Pasqualina Perrig-Chiello, emeritierte Professorin in Entwicklungspsychologie an der Uni Bern, erklärt, was die Pandemie mit uns und unseren Beziehungen macht.

Mit kritischen Lebensereignissen und der Entwicklung von Menschen kennt sie sich aus: Pasqualina Perrig-Chiello, Psychotherapeutin und langjährige Dozentin an der Uni Bern. Oft zitiert in den Schweizer Medien und ein gern gesehener Gast im Fernsehen. Die gebürtige Italienerin über apokalyptischen Sex und den Boom von Online-Dating-Portalen.

Was hat das Coronavirus mit Ihnen gemacht?
Ich musste mich völlig neu orientieren. An der Seniorenuni Bern, die ich leite, mussten alle Veranstaltungen abgesagt und Alternativen gesucht werden. Persönlich kann ich schlecht mit Freiheitsentzug umgehen, mittlerweile habe ich mich mit den Gegebenheiten…sagen wir… arrangiert.

Die Krise scheint etliche Leute vorsichtiger, ängstlicher, mitunter sogar aggressiver gemacht zu haben.
Der Eindruck täuscht nicht. Situationen wie diese bringen uns an unsere psychischen Grenzen. Wer unsicher war, wurde noch dünnhäutiger, die Nerven lagen schnell einmal blank. Wenn wir nur via Telefon oder digitale Medien kommunizieren können, bedeutet das eine grosse Einschränkung. Die Gereiztheit war im medialen Diskurs ebenfalls zu spüren: Man suchte nach Schuldigen, gewisse betrieben ein regelrechtes Alters-Bashing. Wenn es hart auf hart kommt, schaut jeder am Schluss für sich. So funktionieren wir.

Ihre Aussage steht allerdings im Widerspruch zu zahlreichen Solidaritätsprojekten wie etwa der Nachbarschaftshilfe. Das geschah alles aus egozentrischen Motiven?
Jeder von uns will überleben, denkt zunächst mal an sich und die Seinen. Viele haben aber gemerkt, dass es auf die Dauer so nicht funktionieren kann, dass wir unsere Mitmenschen brauchen – und sie uns. Daher auch die angesprochenen Initiativen.

Wie hat sich die Pandemie auf unser Zusammenleben generell ausgewirkt?
Das ist individuell sehr verschieden – von Vorsicht bis zur kompletten Abschottung liegt alles drin. Das ist eine Frage persönlicher und sozialer Ressourcen. Aber auch abhängig von äusseren Bedingungen – etwa wie die Bevölkerung von Behörden und Experten informiert wurde. Und diese Information war leider äusserst widersprüchlich – was Verunsicherung und Ängste vieler noch vergrösserte.

Für das private Liebesglück war der Lockdown wohl ebenfalls kaum förderlich.
Frischverliebte oder junge Eltern dürften froh gewesen sein, mehr Zeit für sich zu haben. Für andere führten die Umstände zu einem Stresstest, insbesondere für jene, die sowieso unter latenten oder offenen Problemen litten. Es wurde einem bewusst, dass man die Augen vor gewissen Themen nicht weiter verschliessen kann.

Die Krise als Brandbeschleuniger?
Sozusagen. Entfremdung ist ein nicht seltenes Problem langjähriger Paare. Sie ist im Alltag kaum spürbar, erst in Ausnahmesituationen wie dieser wird klar, wie sehr man sich bereits voneinander entfernt hat. Im positiven Fall gehen die Betroffenen das Problem an, suchen Hilfe. Oder sie resignieren aufgrund der Erkenntnis, dass es überhaupt nichts mehr zu sagen gibt.

Bedeutete der Lockdown einen Rückschlag für den Feminismus?
Mütter kümmerten sich im Homeschooling vermehrt um die Kinder, putzten und kochten wieder häufiger als früher. Ich würde von einem massiven Rückschlag für die Gleichstellung von Mann und Frau reden. Für die Frauen, die innerhalb der Familie nach wie vor hauptsächlich für die Care-Arbeit zuständig sind, war der Lockdown sicher kein Fortschritt. Sowieso gehen Krisen erwiesenermassen auf Kosten der Frauen, weil sie diejenigen sind, die überwiegend unbezahlte Arbeit leisten.

Was halten Sie vom geflügelten Wort «Weltuntergangssex»?
Schon nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 tauchte der Begriff immer mal wieder auf. Das Phänomen ist bekannt: Unsicherheiten und Ängste befördern die Suche nach Nähe, das sexuelle Bedürfnis steigt. Warum? In Krisensituationen wird uns der Wert und damit die Endlichkeit unseres Daseins so richtig bewusst. Hinter dem Verlangen nach Sex steckt das Bedürfnis, hier und jetzt so intensiv wie möglich zu leben. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um einen Überlebensinstinkt. Dieses Phänomen lässt sich übrigens auch bei Primaten beobachten, die damit Stress abbauen.

Ist apokalyptischer Sex denn besser oder schlechter als in normalen Zeiten?
Diese Frage kann ich Ihnen nur schwerlich beantworten. Jedenfalls boomen derzeit Dating-Plattformen. Viele, die sich dort tummeln, suchen kaum den Partner fürs Leben, sondern eher Nähe, Intimität. Wenn es dann daraus etwas Längerfristiges werden sollte: umso besser.

Ist apokalyptischer Sex denn besser oder schlechter als in normalen Zeiten?
Diese Frage kann ich Ihnen nur schwerlich beantworten. Jedenfalls boomen derzeit Dating-Plattformen. Viele, die sich dort tummeln, suchen kaum den Partner fürs Leben, sondern eher Nähe, Intimität. Wenn es dann daraus etwas Längerfristiges werden sollte: umso besser.

Wieso suchen gerade jetzt viele ihre Erfüllung beim Online-Flirten?
Viele, die sich zuvor nicht trauten, halten den richtigen Moment nun für gekommen. Die Hemmschwelle, sich bei einer solchen Seite zu registrieren, ist tiefer, weil sie einer Not entspringt. Die gemeldeten User bilden eine bunte Mischung aus Einsamen sowie denen, die seit Längerem jemanden suchen. Für die registrierten Benutzerinnen und Benutzer sicherlich kein Nachteil. (lacht)

Starsoziologin Eva Illouz erklärte kürzlich in der «Weltwoche», sexuelle Beziehungen seien, nicht zuletzt aufgrund von Online-Dating, zu einer Ware verkommen, die «man erwerben und auch wieder loswerden kann».
Das halte ich für eine Übergeneralisierung. Natürlich gibt es Menschen, die zu Liebe und Sexualität ein dissoziatives Verhältnis haben. Schauen Sie: In jedem dritten Schweizer Haushalt lebt eine alleinstehende Person. Viele davon sind nicht freiwillig single – sie leiden an Einsamkeit und Einsamkeit macht krank. In unserer Gesellschaft fehlt vielen zunehmend die Gelegenheit oder die Zeit, den richtigen Partner im Alltag kennen zu lernen. Und so ist eine Dating-Plattform eine willkommene Option.

Ihr Fazit nach einem knappen halben Jahr Pandemie, bitte.
Das Virus hat uns an unsere physischen und psychischen Grenzen gebracht. Wir haben gemerkt, wie stark wir nicht nur als Individuen, sondern auch als Gesellschaft abhängig sind von anderen: von China genauso wie vom Nachbarn. Alleine kann das niemand stemmen. Gleichzeitig besitzen Krisen das Potenzial, psychische Resilienz, also Widerstandskraft, zu entwickeln und unerkannte Ressourcen zu entdecken.

Wie finde ich nun mein persönliches Glück?
In Ausnahmesituationen lassen sich äussere Umstände kurzfristig nicht grundlegend verändern. Entscheidend sind daher Einstellungswerte: Wir entdecken unsere Charakterstärke wieder, üben uns in Weitsicht und beweisen einen langen Atem. Es ist ein riesiger Vorteil, Humor und Hoffnung in sich zu tragen. Solche Eigenschaften kann man trainieren. All diese Ressourcen helfen uns dabei, zufrieden und vielleicht auch glücklich zu sein.

Yves Schott

Über TheCasualLounge:

TheCasualLounge ist der Elite-Service für Frauen im Casual Dating Segment. 2014 wurde das Online-Portal von Eberhard Neumaier und Heinz Laumann gegründet und hat sich als Premium-Anbieter auf dem Casual-Dating-Markt mit täglich über 1’000 neuen Anmeldungen als führendes Portal in der Schweiz etabliert. Betrieben wird TheCasualLounge von der Firma iMedia888 GmbH mit Sitz in Aschheim bei München. Die Plattform bietet ihren Mitgliedern die Möglichkeit, sich ihre Neigungen, Vorlieben und Fantasien zu erfüllen, indem sie Partner mit den gleichen Bedürfnissen zusammenführt. Im April 2020 verzeichnete das Casual Dating Portal über 40% mehr Anmeldungen im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten.

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