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«Man bekommt alles mit, die guten und schlechten Tage»

Das Mehr-Generationen-Projekt Oesch’s die Dritten ist ein Phänomen. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch privat agiert die Familie reibungslos zusammen. Der Bärnerbär hat nachgefragt, wie das funktioniert.

Melanie und Annemarie, wohnt ihr zusammen?
Melanie: Ja, wir wohnen im gleichen Haus, aber nicht in der gleichen Wohnung (lacht).

Wie lebt es sich mit mehreren Generationen unter einem Dach?
Melanie: Für uns ist das normal. Früher lebten meine Grosseltern hier mit uns im gleichen Haus. Das war für uns normal. Wir merken oftmals erst, wenn wir mit anderen Menschen darüber reden, dass es wohl nicht ganz selbstverständlich ist, mit mehreren Generationen der Familie unter einem Dach zu leben. Wir schätzen das sehr.
Annemarie: Für uns ist das einfach Alltag.

Wie stellen sich die unterschiedlichen Generationen beim Zusammenleben an?
Annemarie: Je nach Thema gibt es diese grossen Generationenunterschiede gar nicht oder dann nehmen wir sie nicht wirklich wahr. Sehr oft sind wir einfach eine grosse Familie. Melanie: Dadurch, dass wir nur selten in «Generationen» denken, hat und lebt unsere Familie viele Freiheiten. Wir können uns gegenseitig gewisse Sachen erlauben und müssen uns nicht immer bei allem absprechen. Da sind wir alle recht unkompliziert.

Wie fördert das Zusammenleben den Familienzusammenhalt?
Melanie: Jeder profitiert davon, dass wir eine grosse Familie mit einem solch engen Zusammenhalt sind, besonders in der jetzigen Situation. Das fängt damit an, dass man immer einen Gesprächspartner hat, mit dem man sich über ein beliebiges Thema austauschen kann. Das hilft, da ja während Corona-Zeiten viele Kontakte nach aussen nicht stattfinden können. Jetzt umso wertvoller, wenn man ein offenes und gutes Verhältnis mit seiner Familie hat. Ausserdem haben wir durch den Mehrgenerationen-Haushalt viele Erfahrung und viel Wissen im Haus gesammelt. Das ist ebenfalls ein schöner Aspekt des Zusammenlebens. Sicher gibt es auch Situationen, in denen man allein sein möchte. Aber auch das bekommen wir hin. Das Haus ist ja gross genug. (lacht)
Annemarie: Ja, solche Situationen gibt es. Besonders, seit wir auch beruflich mit Oesch’s die Dritten so intensiv gemeinsame Wege gehen. Da ist der Freiraum für jeden Einzelnen wichtig. Zum Glück muss man sich bei uns nicht dafür rechtfertigen, wenn man sich zurückzieht. Durch das intensive Zusammenleben als Familie, KMU und Band haben wir uns in vielen unterschiedlichen Bereichen sehr gut kennengelernt. Manchmal kommunizieren wir gar ohne Worte.

Aber es ist nicht immer alles harmonisch, oder?
Melanie: Ich empfinde es als grosses Privileg, mit meinen Eltern zusammenleben zu dürfen. Klar gibt es Themen, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Harte Diskussionen gibt es manchmal auch.
Annemarie: Ja, die gibt es, da ist es wichtig, dass man gemeinsam nach Lösungen sucht und am Ende Kompromisse eingehen kann. Das ist etwas sehr Wichtiges im Alltag. Sowieso ist der gesamte soziale Aspekt ein grosses Thema, wenn man als Mehr-Generationen-Familie unter einem Dach lebt.
Melanie: Wir diskutieren auch über unangenehme Sachen. Das ist in meinen Augen ein Grund, warum wir es als Familie so gut haben, weil wir Dinge aussprechen können, die uns auf der Seele liegen.
Annemarie: Davon kann man nur profitieren.

Was sind denn die grössten Probleme, wenn man zusammenlebt?
Melanie: Dass man alles mitbekommt, die guten sowie die schlechten Tage. Da kann man machen, was man möchte, am Ende bekommen es die anderen einfach mit. Man kann es nicht verstecken – muss man ja meistens auch nicht (zwinkert).
Annemarie: Es deckt gewisse Schwächen und Seiten auf, die man sonst besser kaschieren kann, wenn man nicht zusammenwohnt.
Melanie: Dass man manchmal auch Sachen macht, die man persönlich nicht sehr gerne tut. Und doch macht man es vor allem für die anderen. Weil man einfach weiss, wer was im Haus besonders schätzt. Dieses Füreinander trägt ebenfalls zum Zusammenhalt der Familie bei.

Würdet ihr nicht zusammen als Familie in einem Haus leben wollen?
(Beide unisono) Nein (lachen)!

Wie sieht denn das Zusammenleben konkret aus? Klingelt ihr, bevor ihr die Wohnung der anderen betretet?
Melanie: Es gibt immer ein Signal. Ich pfeife gerne.
Annemarie: Ich klopfe.

Esst ihr als Grossfamilie zusammen?
Annemarie: Wir haben keinen Essensplan. Normalerweise isst jede Generation für sich. Wenn es terminlich passt oder etwas zu feiern gibt, essen wir zusammen.
Melanie: Im Moment sind diese Gelegenheiten rar. Im Sommer passiert das öfter.
Annemarie: Da essen wir häufig draussen.

Gibt es einen Ämtliplan? Teilt Ihr euch den Haushalt?
Annemarie: Nein. Wenn, dann sprechen wir uns vorher ab.
Melanie: Einzelne Aufgaben sind schon relativ fix verteilt. Mein Vater kümmert sich beispielsweise um das Giessen der Blumen am Haus, das Grillen oder Kochen liegt dafür eher bei uns Frauen oder bei meinem Partner Armin.

Wie hat Corona euer Zusammenleben verändert?
Melanie: Hier im Haus hat sich für uns nichts geändert. Wir halten die Hygienemassnahmen ein und haben bewusst die Kontakte nach aussen eingeschränkt. So können wir weiterhin normal und relativ unbeschwert zusammenleben. Es wäre schlimm für mich, könnte unser Robin wegen Corona meine Eltern nicht mehr besuchen.

Wie viel Zeit verbringt ihr als Mutter und Tochter miteinander? Und wie?
Melanie: Wir verbringen viel Zeit gemeinsam. Seit ich Mami bin und weil wegen Corona viele Termine nun auf digitaler Ebene stattfinden, noch mehr als vorher. Durchschnittlich sind es wohl schon ein paar Stunden am Tag, die wir zusammen sind, oder?
Annemarie: Ja, wenn man das zusammenrechnet, kommen pro Tag ein paar Stunden zusammen. Und wie Melanie sagt, da mischt sich das Private mit den beruflichen Aufgaben.
Melanie: Genau. Sehr oft ist Robin dabei, während wir etwas erledigen. Wir passen dann abwechselnd auf ihn auf.
Annemarie: Da haben wir keinen fixen Plan. Das ergibt sich einfach. Und ich passe auch immer wieder auf Robin auf, wenn Melanie externe Termine hat.

Worüber seid ihr euch ganz und gar einig oder uneinig?
Melanie: Ich würde sagen, in allen Dingen, die mit Ordnung zu tun haben, sind wir uns ziemlich einig. Ordnung und Strukturen schaffen ist voll unser Ding.
Annemarie: Ja, wir haben beide einen ausgeprägten Ordnungssinn.
Melanie: Und uneinig? Ich glaube, ich bin dir manchmal zu kompliziert. Annemarie: Du bist eine Perfektionistin. Mir ist das Perfekte nicht so wichtig. Manchmal machst du dir selber das Leben etwas schwer damit (lächelt). Aber sonst wüsste ich nicht, wo wir uns in irgendetwas uneinig wären.

Woran merkt ihr den Alters- und Generationenunterschied?
Annemarie: Daran, dass ich eine Brille zum Lesen tragen muss (lacht).
Melanie: Manchmal sind es technische Finessen. Eigentlich ist meine Mama ja sehr, sehr junggeblieben und technikbegeistert. Es sind deshalb oft Kleinigkeiten, die ich ihr erklären kann.

Habt ihr euch früher oft gestritten?
Annemarie: Nein, wir haben nie gestritten. Melanie war ein liebes Kind.
Melanie: Ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass etwas nicht gut sei.

Du hast als Jugendliche sicher Unsinn gemacht?
Melanie: Das Gute war, dass ich mit meiner Art viel Vertrauen und dementsprechend früh viele Freiheiten genossen habe. Ich durfte beispielsweise schon mit 16 lange in den Ausgang und so weiter.

Melanie, du bist selbst Mutter. Gibst du Dinge weiter, die du gelernt hast?
Melanie: Ja, das mache ich. Ich habe ein paar Rituale von meiner Mutter übernommen, wie beispielsweise das gemeinsame Singen oder das Geschichte vorlesen vor dem Zubettgehen. Allgemein versuche ich, Robin viel von der Begeisterung für andere Lebewesen und für die Natur mit zugeben, so wie ich es als Kind auch von meinen Eltern und Grosseltern gelernt habe. Auch den Umgang mit Menschen haben sie mir beigebracht. Das möchte ich weitergeben.
Annemarie: Das Schöne am Grossmuttersein ist, dass man Erziehungsaufgaben den Kindern, sprich den Eltern, überlassen kann. Ich kann als Grosi jetzt viel lascher sein.

Wofür bewundert ihr euch?
Annemarie: Ich bewundere Melanie für ihre Kreativität. Ich wünschte, ich hätte nur ein Zehntel davon. Sie macht einfach, und es läuft.
Melanie: Ich bewundere meine Mutter für ihre Direktheit. Manchmal habe ich Mühe, etwas direkt zu sagen und beim Namen zu nennen und überlege zu oft hin und her, wie das beim Gegenüber ankommen könnte. Meine Mutter sagt es einfach. Das möchte ich manchmal gerne können.

Was ist euer Tipp an Familien, die es nicht gut miteinander haben?
Annemarie: Miteinander reden, nichts aufstauen. Das ist unser Motto. Wenn einen etwas beschäftigt, sollte man nicht zu lange warten und darüber sprechen. Sonst explodiert man irgendwann.
Melanie: Ich finde wichtig, dass man versucht, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das kann beispielsweise eine Freizeitaktivität oder eine Vorliebe für ein bestimmtes Essen sein. Einen gegenseitigen offenen Austausch finde ich wirklich wertvoll. In dem Zusammenhang passt auch eines meiner Lieblingssprichwörter: Ohne Wurzeln keine Flügel. Es erinnert mich immer wieder daran, dass man seine Familie, Eltern und Vorfahren schätzen soll. Ein solides Fundament macht es schliesslich erst möglich, dass man selber etwas aufbauen kann.
Annemarie: Genau: Wer ein Haus bauen will, muss auch beim Keller anfangen.

Dennis Rhiel

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