Zehn Jahre Wirtschaftslehrer, zehn Jahre Vizerektor und seit zehn Jahren Rektor an der Berufsfachschule des Detailhandels Bern: Adrian Ruprecht kennt den Detailhandel aus dem Effeff. Und er sieht für diesen eine Zukunft mit Chancen.
Die Berufsfachschule des Detailhandels Bern – kurz bsd genannt – ist ein grosser Laden: Gegen 100 Lehrkräfte bilden über 1400 Detailhandelsfachleute, Detailhandelsassistentinnen und -assistenten, Pharma-Assistentinnen und -Assistenten sowie all jene aus, die in den erwähnten Berufen eine Vorlehre absolvieren. Auch Weiterbildungen für künftige Detailhandelsspezialistinnen- und spezialisten, Filialleiterinnen und -leiter, Eventmanager Detailhandel sowie für den Abschluss «Pharma Pluspunkt» finden an der bsd statt. Deren Rektor, Adrian Ruprecht, spricht in seinem Büro über die Gegenwart und Zukunft des Detailhandels sowie über die wandelnden Ansprüche an die Branchen-Profis.
Wie gross ist das Einzugsgebiet der bsd?
Im Pharmabereich reicht es bis in den deutschsprachigen Teil des Kantons Freiburg und bis ins Oberwallis. Im Detailhandel kommen unsere Lernenden vorwiegend aus der Hauptstadt und deren Umgebung. Dies auch, weil der Detailhandel an weiteren Berufsfachschulen im Kanton unterrichtet wird. Wir sind jedoch die einzige auf den Detailhandel spezialisierte Schule und haben deshalb in dem Bereich oft den Lead inne.
Welche Änderungen durchleben die Berufsbilder im Detailfachhandel zurzeit?
Handlungskompetenzen wie Selbstorganisation, IT-Anwendungen oder Kommunikation werden gestärkt. Auch bei uns nimmt die Bedeutung der Wissensvermittlung ab und die Bedeutung der Anwendung in der Praxis zu. Im Detailhandel ist dieser Wandel besonders wichtig. Um den Aufgaben gerecht zu werden, wird die Bildungsverordnung derzeit überarbeitet.
Weshalb?
Der Verkauf ist längst eine Beratung auf Augenhöhe. Neben dem Fachwissen sind kommunikative Skills gefragt. Das Gestalten des Verkaufserlebnisses beispielsweise. Aber auch die Betreuung von Online-Shops sind längst wichtige Voraussetzungen. Digitales Lernen ist an der bsd seit mehr als zwei Jahren Usus. Deshalb konnte der Schulbetrieb auch nach dem Lockdown ohne Pause fortgesetzt werden.
War der Detailhandel vor der CoronaKrise im Aufwind?
Er war zumindest stabil unterwegs. Denken Sie an die vielen neuen Verkaufsorte- und formen, wie zum Beispiel an die Shops oder Lieferservices, die dank der Digitalisierung neue Bedürfnisse abdecken. Nach Feierabend schnell die bestellte Ware per Drive-in oder an der Lieblingstankstelle abholen? Das geht heute. Und es braucht Personal. Das gilt auch für die Onlineshops. Dort aber haben wir das Problem, dass wir Arbeitsplätze ans Ausland verlieren. Bei den Ladenformen erfolgten Umschichtungen. Geschrumpft ist die Kleiderbranche. Deren Ladenflächen wurde durch andere Anbieter wie beispielsweise Telekomanbieter ersetzt. Viele Flächen wurden zudem von Gastronomie-Betrieben übernommen.
Wie sieht das Ladenbild der Schweizer Städte, also auch in Bern, nach der Corona-Krise aus?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Aber mich schmerzt es sehr, wenn ich daran denke, wie viele Detailhändler jetzt ums Überleben kämpfen. Möglicherweise verliert der stationäre Handel gegenüber den Online-Anbietern noch mehr. Vielleicht besinnen sich die Leute aber auf das Kulturgut «Shopping» und schätzen dabei das einheimische Gewerbe mehr, als sie dies bis jetzt getan haben. Innovative Verkaufserlebnisse werden den Läden in den Städten neuen Schub verleihen. Auch lokale Zulieferlösungen, die in den letzten Wochen aus der Not geboren wurden, könnten sich etablieren. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen sich auch künftig gerne von Menschen beraten lassen werden.
Dominik Rothenbühler