Grossrat, Kanton Bern,

«Mit der eigenen Fraktion bin ich strenger»

Am 6. März startet die Frühlingssession im Grossen Rat. Im Gespräch berichtet der Präsident über den Arbeitsalltag im Berner Kantonsparlament.

Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen für die Frühlingsessionvorangeschritten?
Ziemlich weit. Die Hauptarbeiten sind gemacht. Die Traktandenliste und das Programm haben wir mit dem Regierungsrat abgesprochen. Die Unterlagen sind an alle Grossräte elektronisch verschickt. Das sind übrigens 1532 Seiten je Dossier. Ausserdem haben wir bereits das Zeitbudget erstellt. Hier haben wir nach Erfahrungswerten gearbeitet, wie lange man ungefähr für ein Traktandum braucht. Ich selbst arbeite mich gerade noch mit den letzten Details in die anstehenden Geschäfte ein, damit ich als Grossratspräsident entsprechend à jour und dossierfest bin.

Was sind die grössten Herausforderungen während dieser Session?
Das weiss man im Vorfeld nie. Die eben erwähnte Dossierfestigkeit ist schon ein grosser Faktor. Als Grossrät:in legt man oft das Augenmerk auf die eigenen Geschäfte oder jene der Fraktion. Als Grossratspräsident muss man über alles informiert sein. Eine andere Herausforderung ist sicherlich das Leiten des Rates während der Sessionen. Hier ist es mir ein Anliegen, gerecht und effizient zu arbeiten. Besonders, wenn es um emotionale Themen geht, muss man flexibel sein. Da kann die Rednerliste sehr rasch anwachsen und ein effizientes Zeitmanagement ist unerlässlich.

Welche gewichtigen Themen stehen in der Frühlingssession des Grossrates auf dem Programm?
Hier ist sicherlich der Bericht ­Avenir Berne Romande zu nennen. Aufgrund des Kantonswechsels von Moutier gibt es noch einige Unklarheiten, die geklärt werden müssen. Beispielsweise die Verteilung der Kantonsverwaltungen. Ausserdem stehen zwei kleinere Gesetze auf der Liste sowie die Vergabe diverser Kredite. Gross Bauschmerzen macht mir davon allerdings keines. Problematischer waren hingegen die Coronamassnahmen während der Sessionen der vergangenen Jahre und deren Umsetzung. Diese Frühlingssession ist da wirklich eher entspannt.

Bisher stehen 118 Punkte auf der Traktandenliste. Glauben Sie, dass diese Menge speditiv und lösungsorientiert abgearbeitet werden kann? Und wenn ja, wie macht man das?
Ja, das ist mein Ziel und ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird. Aufgrund unserer Erfahrungswerte aus der Vergangenheit haben wir das entsprechende Zeitbudget erstellt. Da ist zudem etwas Luft eingeplant, falls es mal zu einer emotionaleren Debatte kommt und es viele Redner:innen hat. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Redezeitbeschränkungen und deren Einhaltung. Diese versuche ich immer strikt zu befolgen – natürlich für alle gleich. Oft geht diese Rechnung auf. Manchmal hinkt man allerdings hinterher. Es gibt aber auch die Situation, dass man dem Zeitbudget voraus ist. Das schafft Luft.

Welche Altlasten aus der alten Session müssen Sie mitnehmen und wieder behandeln?
Dieses Mal zum Glück keine. Wir konnten die vergangene Session rund fünf Minuten vor Sessionsschluss abschliessen. Entsprechend gibt es keine Traktanden, die wir in der kommenden Session aus der letzten behandeln müssen.

Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit mit ihrer Stellvertreterin Dominique Bühler und ihrem Stellvertreter Francesco Rappa? Teilen Sie sich die Arbeiten auf?
Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Die meisten Dinge erarbeiten und entscheiden wir zu dritt. Das sind meist organisatorische Sachen. Wir arbeiten sehr gut als Team. Arbeiten in Sonderausschüssen werden allerdings aufgeteilt. Da sind wir sehr praxis- und lösungsorientiert. Während der Pandemie war dies zum Beispiel der Fall.

Wie schaffen Sie den Ausgleich zwischen den verschiedenen Fraktionen und Parteien im Grossrat?
Eigentlich sehr gut. Es ist wichtig, dass man als Grossratspräsident neutral ist. Manchmal bin ich mit der eigenen Fraktion fast strenger als mit den anderen (lacht). Wichtig ist auch, dass die Redezeiten wirklich für alle gleich sind und im Zeitbudget liegen. Egal wer aus welcher Fraktion kommt und welche Meinung vertreten wird: Alle werden gleichbehandelt. Als Präsident bin ich neutral, stimme zum Beispiel auch nicht ab. Allerdings habe ich bei Stimmengleichheit den Stichentscheid.

Kommt das häufig vor?
Im Schnitt etwa drei bis vier Mal pro Session.

Im Juni dieses Jahres endet Ihre Amtsperiode als Grossratspräsident. Wie beurteilen Sie Ihre bisherige Ratspräsidentschaft?
Eigentlich sehr gut. Mir gefällt die Arbeit. Und ob die anderen Grossräte zufrieden sind, müssten Sie diese Fragen. (lacht) Es ist zwar fordernd, aber es macht mir viel Spass. Den Ratsbetrieb mache ich gerne. Das Echo ist bis jetzt auch positiv.

Was haben Sie sich für die verbleibenden Monate Ihrer Amtszeit vorgenommen?
Natürlich einen guten Sessionsverlauf und alle Geschäfte zu erledigen. Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen. Weiter möchte ich meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger einen guten und sauberen Start ermöglichen. Persönlich ist mir der Austausch mit der Bevölkerung wichtig. Das möchte ich gerne beibehalten.

Wenn Sie könnten, würden Sie nochmal das Amt des Grossratspräsidenten übernehmen?
Ganz klar, ja. Wie gesagt, ist die Arbeit manchmal fordernd und man muss sich organisieren – im Beruf wie auch Privatleben –, aber das ist ja auf ein Jahr begrenzt. Ich habe während meiner Zeit als Präsident schätzen gelernt, dass wir in der Schweiz und besonders im Kanton Bern einen offenen Austausch pflegen und jeder seine Meinung sagen kann. Oft ist es so, dass wir im Grossratssaal in der Sache hart und kontrovers diskutieren, Kompromisse und Lösungen suchen und dann Entscheide fällen. Danach aber entspannt essen gehen und normal miteinander reden können. Das ist typisch «schweizerisch» und wohl das Erfolgsrezept für die beste Demokratie der Welt!

Dennis Rhiel

Martin Schlup (62) ist Meisterlandwirt und kommt aus Schüpfen. Seine politische Karriere begann im Gemeinderat. Seit 2010 ist er im Berner Grossen Rat für die SVP tätig und hat die Grossratspräsidentschaft für das Jahr 2022/2023 inne. In seiner Freizeit ist er gern in der Natur unterwegs und kümmert sich um Bernhardiner und deren Aufzucht – sein liebstes Hobby.

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge