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«Mit Road Pricing will man das Auto aus der Stadt verbannen»

Berner KMU ist der Dachverband der kleinen und mittleren Unternehmen KMU im Kanton Bern. Kommunikationsleiterin Nina Zosso äussert sich klar und unmissverständlich zu konkreten Verkehrsfragen.

Nina Zosso, welches Verkehrsmittel benutzen Sie wofür?
Auto, Velo und Pferd. Da ich in Kernenried wohne, bin ich aufs Auto angewiesen. Bei schönem Wetter bin ich auch mit dem Velo unterwegs. Bei Reisen in die Städte nehme ich meist die Bahn.

Mit welchen Verkehrsproblemen sind Ihre Mitglieder in der Stadt Bern am häufigsten konfrontiert?
Die Mitglieder beklagen vor allem das zunehmende Fehlen von Parkplätzen für die Gewerbetreibenden, aber auch für die Besuchenden von Läden und Einkaufscentern.

Der Trend der rot-grünen Stadtregierung geht genau in diese Richtung.
Ja, leider. Wir winden dem Gewerbeverband KMU Stadt Bern ein grosses Kränzchen. Er setzt sich unermüdlich und beharrlich mit Einsprachen dafür ein, dass unseren Mitgliedern das Leben nicht schwerer gemacht wird. Nicht selten überschreitet die Stadt Bern ihre Kompetenzen und musste Entscheide auch wieder zurücknehmen.

Wie beurteilen Sie Berns Verkehrspolitik?
Wir haben den Eindruck, dass die Stadt Bern bemüht ist, das Basisnetz, welches vor allem für die Gewerbler sehr wichtig ist, systematisch funktionsunfähig zu machen. Das führt zu einer mangelnden Erreichbarkeit der Innenstadt. Das wird wirtschaftliche Einbussen für das Gewerbe zur Folge haben, führt zu Abwanderungen von KMU und Läden.

Es besteht die Tendenz, in den Städten nicht nur in Bern fast flächendeckend Tempo 30 einzuführen, um die Lärmbelastung zu reduzieren. Ihre Meinung?
Tempo 30 erachten wir nur in Siedlungsgebieten als sinnvoll. Auf dem Basisnetz sollte weiterhin Tempo 50 gelten, um einen guten Verkehrsfluss zu garantieren. Wenn der Verkehrsfluss eingeschränkt wird, nehmen die CO2-Belastung und der Lärm zu. Individualverkehr, Langsamverkehr und öffentlicher Verkehr sollten sich nicht gegeneinander ausspielen.

Der Bund plant, ab 2026 den Anschluss Bern-Wankdorf umzugestalten, um den Verkehrsfluss und die Sicherheit zu optimieren. Begrüssen Sie dieses Vorhaben?
Die geplante Entflechtung von Langsamverkehr, Individualverkehr und ÖV ist dringend nötig. Die Sicherheit bei diesem wichtigen Knotenpunkt ist für alle Verkehrsteilnehmenden prekär. Wir bringen uns in der IG Wankdorf mit unserer Anliegen aktiv ein. Es kann nicht sein, dass die Gewerbetreibenden jeden Tag im Stau steckenbleiben. In dieser IG sind auch Gegner dieses Grossprojekts vertreten und mit Einsprachen ist zu rechnen. Unseres Erachtens ist das Projekt gut durchdacht.

Weiter werden Lenkungsabgaben wie Road Pricing geprüft, also eine zeitlich beschränkte Strassengebühr, um die Städte in der Rushhour zu entlasten. Was halten Sie davon?
Mit Mobility Pricing möchte der Bund ja auch den öffentlichen Verkehr miteinbeziehen. Die Städte – so auch Bern – möchten aber nur den motorisierten Verkehr in ihre Pilotprojekte einbeziehen, nicht aber den öffentlichen. Das zeigt doch einmal mehr, dass man einfach das Auto aus der Stadt verbannen will. Grundsätzlich benachteiligt Road Pricing das lokale Gewerbe, welches in diesen Zonen angesiedelt ist, das ist für uns klar. Die Mehreinnahmen müssten dann aber zwingend für den Ausbau der Infrastruktur sowohl des öffentlichen als auch des Individualverkehrs eingesetzt werden und nicht als Instrument der Verkehrslenkung. Es gäbe anstelle von Mobility Pricing auch andere prüfenswerte Ansätze wie gestaffelte Arbeitszeiten oder wie ausserhalb der Pandemie vermehrt Homeoffice. Die Lebensmodelle der Menschen ändern sich laufend.

Der Bund plant, die A1 zwischen Wankdorf-Anschluss und Schönbühl auf acht Spuren zu erweitern, um den Engpass auf den Nationalstrassen im Grossraum Bern zu beheben. Bedeuten mehr Spuren nicht einfach wieder mehr Verkehr?
Prognosen zeigen, dass der Verkehr bis 2040 so oder so zunehmen wird. Ich glaube nicht, dass der Verkehr mit dem Ausbau auf acht Spuren linear zunimmt. Wenn man die Stadt Bern weiter entlasten will, braucht es diese Erweiterung.

Haben sich Stadt und Agglomeration in den letzten Jahren verkehrspolitisch voneinander entfernt?
Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Im Gegenteil, die Zusammenarbeit funktioniert aus unserer Sicht gut. Ich denke besonders an die Solidarität beim Projekt Umfahrung Aarwangen, wo eine grosse Solidarität zwischen Stadt und Land herrscht.

Peter Widmer

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