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«Natascha lacht, wenn ich auf den ‹Böss› rennen muss»

Natascha Beller und ihr Berner Partner Patrick Karpiczenko haben bei der SRF-Krimiparodie-Serie «Advent, Advent» gemeinsam Regie geführt. Ein Gespräch über ihr Christkind, ihre Städte-Partnerschaft und die Weihnachtszeit.

Was lieben Sie an der Adventszeit?
Natascha Beller: Alles, worauf ich mich sonst besonders freue, fällt in diesem Jahr aus: Glühwein gibts für mich nicht, weil ich noch am Stillen bin. Die Weihnachtsmärkte finden wegen Corona nicht statt – und die grossen Familienessen an den Festtagen wohl ebenfalls nicht. Dafür sind es für «Karpi» und mich die ersten Weihnachten mit Kind. Ich freue mich aufs Tannenbaumschmücken mit unseren alten Kugeln und den Schneemännli aus Holz, die sein Vater gebastelt hat.

Wo sind Bern und Zürich in der Weihnachtszeit am schönsten?
Patrick «Karpi» Karpiczenko: Da ich schon seit einem Jahrzehnt in Zürich lebe, würde ich ganz profan sagen: zuhause bei den Eltern in Bern! In unserer Familie beschenken wir uns beinahe inflationär. Der Geschenkpapierberg ist meistens höher als der Christbaum. Das Ganze beginnt aber schon mit elaborierten Adventskalendern, die zu schwer sind, um sie aufhängen zu können (lacht).
Beller: Ich bin immer gern mit Freunden über den Weihnachtsmarkt am Bahnhof Stadelhofen geschlendert, habe Glühwein getrunken und Raclette gegessen. Ich spaziere aber auch gerne auf dem Friedhof Sihlfeld und geniesse die Stille. Was mir momentan fehlt, sind die Anlässe, bei denen viele Menschen zusammenkommen. Wir hatten eine Vorpremiere von «Advent, Advent» für die Crew und alle Helfer im Kulturlokal Kosmos geplant, mussten diese aber ebenso absagen wie im März das Fest zum Abschluss der Dreharbeiten.

Haben Sie als Kind aufgrund Ihrer Herkunft auch das Luxus-Zürich im vorweihnachtlichen Hochglanz lieben gelernt?
Beller: Was meinen Sie mit Herkunft?

Ihr Vater Walter
Beller: …war reich. Aber noch nicht, als mein Bruder und ich Kinder waren. Wir gehörten zum Mittelstand, als ich zehn Jahre alt war und meine Eltern sich scheiden liessen. Ich bin dann bei meiner Mutter in Bassersdorf aufgewachsen.

Ihr Dialekt klingt aber, als wären Sie Schaffhauserin.
Beller: Das sagen viele. Dabei ist meine Muttersprache Chinesisch! Ich glaube, das A und R sind im Chinesischen ähnlich wie in der Ostschweiz, nur fernöstlich (lacht).

Wie sieht es mit Ihrem Bärndütsch aus. Ist es inzwischen «verzürchert»?
Karpiczenko: Sagen wir es so: Ich hatte lange das Gefühl, mein Bärndütsch wäre noch existent. Dann habe ich für «Deville» einen Diss namens Bärnout geschrieben und aufgenommen – und der erste Kommentar im Netz war: «Hey, mega lustig. Wäre noch besser, wenn es ein Berner gesprochen hätte!» Andererseits versteht mich in Zürich aber niemand, wenn ich sage, ich wäre hierhergekommen, um «d’Filmschueu» zu machen. Drum habe ich begonnen, «d’Filmschuel» zu sagen.

Was schätzen Sie als Berner an Zürich?
Karpiczenko: Das Schöne an Zürich ist natürlich, dass es so viele Bernerinnen und Berner hat (lacht). Das stimmt wirklich! Bei Partys merkte ich oft, dass ich mich gegen Mitternacht, wenn sich Cluster bilden, in einem Häufchen aus lauter Bernern befinde. Ich schätze es ebenfalls dass in Zürich alle anderen Subkulturen und Nationalitäten zu finden sind.

Wie kommen Sie bei den Zürchern an?
Karpiczenko: Als Berner wird man geliebt! Man kriegt sofort ein «Jöö», wenn man den Mund aufmacht. Ich missbrauche mein Bärndütsch natürlich auch als Waffe. Als Berner kannst du 20 Prozent frecher und 30 Prozent dümmer sein und kommst immer noch durch…

In Bern hätten Sie gar kein gefragter Comedy-Autor werden können.
Karpiczenko: Nein, das wäre sofort aufgeflogen, dass ich nichts kann, ausser meinen Dialekt (lacht)!

Was vermissen Sie an Bern?
Karpiczenko: Familie und Freunde, natürlich. Bezahlbare Mieten. Einfach erhältliches Gras.

Was für Missverständnisse gibt es in Ihrer interkulturellen Partnerschaft?
Karpiczenko: Natascha wirft mir immer vor, ich würde Wörter erfinden. Dabei drücke ich mich einfach Bärndütsch aus. Sie bekommt jedesmal einen kleinen Lachanfall, wenn ich sage, dass wir auf den «Böss» rennen müssen. Sie akzeptiert dieses Wort einfach nicht. Aber das ist harmlos. Tragisch wird es, wenn ich daran denke, dass unsere kleine Tochter voraussichtlich einmal Züridütsch sprechen wird. Ich greife jedoch nach jedem Strohhalm. Wenn Natascha auf dem Sofa eingeschlafen ist, indoktriniere ich unserem Baby Bärndütsch und hoffe natürlich, dass ihr erstes Wort «Böss» sein wird…

In «Advent, Advent» geht es nicht nur um die heitere, sondern auch um die traurige Seite der Weihnachtszeit. Kennen Sie die ebenfalls?
Beller: Ja, die gab es. Es ist oft passiert, dass mein Vater über die Festtage verreiste und meine Mutter arbeiten musste. Wenn ich einen Partner hatte, verbrachte ich Weihnachten dort oder feierte mit Freunden. Wenn ich allein geblieben wäre, hätte ich mich noch einsamer gefühlt.

Stammt die Idee, eine Krimiparodie statt einer Liebeskomödie in der Vorweihnachtszeit anzusiedeln, von Ihnen oder vom Schweizer Fernsehen?
Beller: Die kam von mir. Ich hatte sie dem SRF geschickt, aber nur mit wenig Hoffnung, dass sich für eine vierteilige Serie ein Sendeplatz finden würde. Aber die Redaktion war begeistert und wollte, dass ich sie gleich ausarbeite.

Der Geist eines erschlagenen Polizeibeamten hilft der einstigen Partnerin bei der Aufklärung des eigenen Falls und weiterer Morde. Was hat Sie zu diesem übersinnlichen Szenario inspiriert?
Beller: In «A Christmas Carol» von Charles Dickens wird die unsympathische Hauptfigur von vier Geistern heimgesucht, die ihn dazu bringen, sich zu ändern. Diese Ur-Weihnachtsgeschichte, die schon oft verfilmt wurde, unter anderen mit Bill Murray und Jim Carrey, hat mir schon immer sehr gut gefallen. Weiter Vorbilder waren Fargo und – bei der Polizeistation – «Twin Peaks».

Haben Sie die Rollen Lara Stoll und Gabriel Vetter auf den Leib geschrieben?
Beller: Könnte man meinen, gell? Lara ist mir schon im Kopf herumgeschwirrt, als ich noch am Konzept gearbeitet habe. Gabriel hatte schon eine kleine Rolle in meinem Film gespielt. Ich fand ihn schon immer super, aber erst beim Casting realisierte ich, dass er als Kevin perfekt wäre.

War die Herausforderung für Sie als Regisseurin eine andere als bei Ihrem ersten Kinofilm «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei»?
Beller: Ja, aber nicht in erster Linie, weil es eine Serie ist, sondern weil ich im Frühstadium schwanger war. Mir wars die ganze Zeit schlecht und ich musste mich heimlich übergeben.

Wohin haben Sie sich dafür verzogen?
Beller: Einmal ins Gebüsch, im Wald hinter einen Baum oder einfach auf die Toilette, je nach Drehort. Ich wollte die Schwangerschaft am Anfang noch nicht herumerzählen. SRF und Produktion waren jedoch informiert, weshalb ich die Regie zusammen mit Karpi geführt habe. Eine Maskenbildnerin hat meine anderen Umstände als erste von sich aus bemerkt, da ich einen Geruch nicht vertragen habe.

Von wegen «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei»
Beller:
Noch nicht (lacht)!

Eure Tochter muss eine Riesenportion Humor in den Genen haben. Wie bringt sie euch momentan zum Lachen?
Karpiczenko: Das ist grösstenteils Fäkalhumor (lacht)! Slapstick und lustige Geräusche kann Sie auch.

Wie ist die Fruchtbarkeit Ihres künstlerischen Zusammenwirkens?
Beller:
Wir arbeiten gern zusammen. Bis vor kurzem haben wir zusammen in einer Einzimmerwohnung gewohnt und gearbeitet. Wir verbringen viel Zeit miteinander und fordern uns gegenseitig. Wir reden privat viel über die Arbeit, aber im Moment drehen sich die Gespräche mehr ums Windeln wechseln.

Welches war das tollste Geschenk, das Sie je bekommen haben?
Karpiczenko: (Lacht) Eine Schlagborhmaschine, die ich als Jugendlicher von meinem Vater geschenkt bekam. Es war klar, dass er sie benutzen wollte … Bei uns ist Natascha fürs Grobe zuständig: Bohren, Schleifen, Sägen. Ich kümmere mich um die Elektrik. Das schönste Geschenk von Natascha ist – so kitschig wie es klingt – unsere Tochter.
Beller: Vor ein paar Jahren, hat mir Karpi ein Klavier geschenkt. er hat es in weisses Papier eingepackt und obendrauf klebte er eine rote Schleife, so ganz nach dem Motto: «Du wirst ja eh nie erraten, was da drinn ist!»

Reinhold Hönle

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