Die Kulturszene liegt am Boden. Und damit natürlich auch das Bierhübeli. Co-Geschäftsführer Dave Naef hat sein Lachen zwar nicht verloren – sagt aber: Viel Zeit bleibt nicht mehr.
Was geht Ihnen momentan am häufigsten durch den Kopf?
Wie man die Zeit gut und richtig nutzen kann. Denn davon geschenkt bekommen haben wir mehr als genug.
Das heisst, Sie geniessen nun mehr Freizeit als zuvor.
Sagen wir: Sie ist anders. Vorher waren die Wochen durchgetaktet – von übervoll bis einigermassen überschaubar, ich wusste, an welchen Events ich dabei sein wollte. Nun setze ich mich viel eher mit Konzepten auseinander: Wie geht es weiter, welche Massnahmen sollen wir ergreifen, müssen wir agieren oder reagieren?
Was haben Sie konkret umgesetzt?
Sicherlich mal Gustavs Biergarten. Er war schon vor Corona angedacht, wurde jetzt aber in deutlich grösserem Umfang realisiert als geplant. Zudem führten wir auf unserer Sommerbühne Veranstaltungen durch. Dann die Wohnzimmerkonzerte und schliesslich Partys mit zwei verschiedenen Besucherzonen.
Wie sieht denn Ihr Zeitplan für die Zukunft aus?
In Bezug auf Konzerte und Partys ist das Bierhübeli bis Ende Jahr geschlossen. Seit Ende November hat aber Gustavs Wintergarten geöffnet: Ein Zelt mit Holzspänen, sehr heimelig und gemütlich. Im Garten stehen ausserdem Feuerschalen, die eine winterliche Stimmung verbreiten.
Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Umsatz bei gerade mal 28 Prozent. Das klingt sehr dramatisch.
Das ist es auch. Wir mussten am 13. März 2020 unsere Tore schliessen – ohne finanzielle Hilfe des Kantons würde unser Betrieb kaum mehr existieren.
Mit der Unterstützung seitens der Behörden sind Sie also zufrieden?
Ohne diese gäbe es uns nicht mehr. Also müssen wir zufrieden sein (lacht). Gleichzeitig haben wir überall, wo es möglich war, Einsparungen vorgenommen.
Zum Beispiel?
Wir haben etwa eine von zwei Büroräumlichkeiten aufgelöst.
Angenommen, das Worst-Case-Szenario tritt ein und Anlässe bleiben weiterhin verboten – wie lange existiert das Bierhübeli noch?
Wir haben einen ziemlich genauen Zeitplan erstellt: bis Ende August 2021. Sie müssen sich unseren Betrieb so vorstellen: Wir kalkulieren mit Einnahmen von Konzerten, die zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. 2020 mussten wir fast 100 Konzerte verschieben, wobei zum Glück praktisch alle nachgeholt werden.
Restaurants dürfen nach wie vor – wenn auch eingeschränkt – Leute bewirtschaften, die Kultur befindet sich im Lockdown. Für Sie ein Schlag ins Gesicht?
Jeder hat doch das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Absolute Gerechtigkeit wird es nie geben. Für Politiker beispielsweise ist es ja ebenso schwierig, die Entwicklung vorauszusehen. Ich selbst ging im März ja ebenfalls davon aus, dass es sich bei dem allem um einen «churzen Chut» handeln wird. Nach wie vor sind sich nicht einmal Experten bei der Einschätzung der Lage einig. Wir versuchen deshalb einfach, das Beste herauszuholen.
Sie hegen keinen Groll?
Es ist nicht an uns, die Massnahmen zu analysieren. Es bringt uns genauso wenig, sie zu kritisieren. Wenn ich Massnahmen definieren müsste, würde sie wohl auch nicht jeder toll finden. Aber ja: Es wurden sicherlich Fehler begangen, das darf man schon sagen.
Sie stehen in Kontakt mit anderen Kulturbetrieben. Wie lautet da der Tenor?
Niemand behauptet, es würde gut laufen. Das wäre gelogen. Andere zu beurteilen, ist schwierig. Eine Mühle Hunziken zum Beispiel oder die KUFA in Lyss haben noch etwas Schnuuf – die Frage ist allerdings: für wie lange? Wir Betreiber haben eine soziale Verantwortung, alle unsere Mitarbeitenden müssen Mieten bezahlen, Familien ernähren etc. Zum grossen Glück mussten wir niemanden auf die Strasse stellen. Dennoch haben uns Mitarbeitende verlassen, welche von der Unsicherheit und den ständigen Änderungen genug hatten.
Der SCB-CEO hat die Fans darum gebeten, ganz oder teilweise auf die Rückerstattung ihrer Abos zu verzichten. Wann starten Sie einen ähnlichen Aufruf?
Das ist bereits vor Monaten via Wemakeit geschehen – dabei wurden wir von sehr vielen unterstützt. Glücklicherweise zeigten sich die Menschen kulant und stellten fast keine Rückforderungen für ihre bereits gekauften Konzerttickets. Wäre das der Fall gewesen, hätten wir ein riesiges Problem gehabt.
Müssen Sie im Bierhübeli nun die Essens- und Getränkepreise anheben?
Bei der Konsumation ist nichts geplant, wobei der Lieferant hier natürlich ebenfalls einen Einfluss hat. Er darbt ja auch. Bevor Sie fragen: Auch Konzerttickets werden nicht teurer. Sie berechnen sich immer noch gleich wie vor der Pandemie.
Wenn Sie wieder dürfen: Wie sieht Ihre grosse After-Corona-Party aus?
Ich weiss nicht, ob es so eine überhaupt geben wird. Wir sind glücklich, wenn wir wieder schöne Konzerte veranstalten dürfen und die Leute zu uns kommen. Diese Symbiose vermisse ich. Leere Bühnen machen mich traurig.
Yves Schott