Ob Terroranschlag oder Amoklauf: Für Ernstfälle sei die Berner Kantonspolizei gewappnet, sagt Christian Brenzikofer. Das gelte auch für die möglichen Folgen eines Strom-Blackouts.
Christian Brenzikofer, wie und wo haben Sie Fides eigentlich mitverfolgt?
Ich war bei der Befehlsausgabe dabei. Dazu führte ich Gespräche mit Angehörigen der Armee sowie eigenen Leuten. Gewisse Dinge habe ich mir natürlich vor Ort angeschaut.
Sassen Sie auch im Militärkonvoi, der von Belp aus nach Bern fuhr?
Ja. Was interessant zu beobachten war: Wie die Strassensperrungen schnell und sicher eingerichtet und geschützt werden konnten. Dafür war grundsätzlich die Armee zuständig. Da wir bei der Polizei aber davon ausgehen mussten, dass in einem Einsatzfall zu wenig Leute dafür vorhanden sind, wurde an jedem Posten meist noch eine Polizistin stationiert, die sich etwa um die Ampelregelung gekümmert hat.
Was lief bei der Übung aus Ihrer Optik gut?
Ich war beeindruckt von der Ernsthaftigkeit seitens der Milizangehörigen der Armee und den Polizeiangehörigen. Jeder Einzelne wollte die Aufträge nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen. Alle wussten, was zu tun ist. Es wurde nicht bloss einfach ein Pensum runtergespult, sondern wirklich genau überlegt, was im Einsatzfall zu tun wäre.
Was war weniger gut?
Wir sind nach wie vor an der Auswertung der Übung. Ein Punkt ist sicher der Faktor Zeit: Hier konnte die Armee eine ganze Woche lang planen. Im konkreten Fall müssten die Miliztruppen hingegen möglichst rasch einrücken. Punkt zwei: die Kommunikation. Die Terminologie der Polizei und jene der Armee ist nicht die gleiche. Ausserdem verfügen wir über unterschiedliche Funksysteme. Oder: Meldet die Person an der Front, die etwas Bestimmtes beobachtet, diesen Vorgang dann wirklich der entsprechenden Stelle? In all diesen Prozessen hatten wir den einen oder anderen Holperer drin.
Würden Sie folglich sagen, die Kantonspolizei Bern sei für einen Ernstfall gerüstet?
Entscheidend ist für uns die Frage: Worum geht es? Die entscheidenden Weichen werden in der Einsatzzentrale gestellt. Grundsätzlich sind wir auf Ereignisse vorbereitet, das ist eine unserer Kernaufgaben. Nehmen Sie den sogenannten Rockerprozess: Für die Polizei handelte es sich um einen Grosseinsatz, allerdings in Strukturen, die wir grundsätzlich kennen. Vorstellbar wären ja auch eine Geiselnahme oder Entführungen; dafür gibt es standardisierte Prozesse. Nicht zuletzt aufgrund verschiedenster Vorfälle weltweit.
Gewisse Menschen dürften ihr Vertrauen in die Behörden teilweise verloren haben, weil sie selbst miterlebten, wie die Schweiz suboptimal auf die Pandemie vorbereitet war.
Wir alle befinden uns meist in einer Art Normaltrott. Das meine ich nicht negativ: Ein Alltag hat seine positiven Seiten, denn er ist berechenbarer. Und für solche Situationen sind wir gut gerüstet. Deswegen: Einen Einsatzfall testen, das kann in unserer Friedensgesellschaft kaum jemand ausser wir und die Blaulichtorganisationen.
Ist die Polizei für die Folgen eines möglichen Strom-Blackouts gewappnet?
Zunächst einmal: Von einem Worst-case-Szenario geht kaum jemand aus. Doch bereits punktuelle Unterbrechungen, zum Beispiel von Geldautomaten, könnten Probleme verursachen. In einem solchen Fall müssten sich die verschiedenen Polizeikorps und die Armee unterstützen. Wir müssen uns auf mögliche Kommunikationsausfälle, Treibstoffreduktion oder fehlende Elektrizität einstellen.
Bei Fides wurden unter anderem das BAG im Liebefeld, die Autobahnraststätte Grauholz oder das Coop-Verteilzentrum in Riedbach von der Armee bewacht. Sind das tatsächlich Berns neuralgischste Punkte?
Das hängt sehr vom Ereignis ab. Bei Fides war es so, dass wir zivile Abläufe nicht gross behindern wollten. Auf Brückensperrungen haben wir zum Beispiel verzichtet. Doch schon nur auf dem Bundesplatz, wo das Militär wegen des Konvois aus Belp stand, fragten mich mehrere Personen, was los sei. Die meisten waren erleichtert, dass alles in Ordnung ist und fanden es gleichzeitig gut, eine solche Übung durchzuführen. Zu Ihrer Frage: Ein Verteilzentrum könnte ein Angriffspunkt sein, beim Grauholz ging es darum, eine Verkehrsachse zu sichern.
Manche haben die Übung scharf kritisiert – und nervten sich über die Geheimnistuerei von Polizei und Kanton.
Wir leben in einer Demokratie, jeder kann seine Meinung dazu äussern. Für uns war es eine Übung wie viele andere. Es ging weder um eine Besetzung der Stadt Bern noch wurden flächendeckende Personenkontrollen vorgenommen. Insofern haben wir als Polizei Fides gar nicht so speziell wahrgenommen. Persönlich halte ich die Übung für absolut sinnvoll: Sollte wirklich einmal etwas passieren, möchte ich keine unvorbereitete Armee und Polizei antreffen. Es handelt sich eigentlich im Endeffekt um einen Dienst am Bürger und an der Bürgerin.
Bei der Armee melden sich immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Wie sieht es bei der Polizei aus?
Statistiken erheben wir keine. Klar, häufig kann man eine fremde Herkunft etwa vom Namen ableiten. In Gesprächen treffe ich aber ab und zu auf Deutsche oder Franzosen, die ich zunächst gar nicht als solche empfunden habe. Was ich damit sagen will: Für viele besteht der Migrationshintergrund erst dann, wenn man ihn oder sie beispielsweise aufgrund der Hautfarbe erkennt. Für uns steht die Qualität im Vordergrund, interkulturelle Kompetenzen werden in Kursen gefördert. Persönlich begrüsse ich es, wenn jemand mit Migrationshintergrund zur Polizei kommen möchte. Das ist immer auch ein Zeichen dafür, dass sich jemand für seinen Kanton einsetzen will.
Wie sieht es mit der Frauenquote bei der Polizei aus?
Polizistinnen machen rund ein Fünftel der uniformierten Mitarbeitenden der Kantonspolizei Bern aus. Für mich dürften es ruhig mehr sein. Nur braucht alles seine Zeit. Wir können mit Kampagnen oder bei Informationsveranstaltungen noch mehr motivieren – Frauen sind bei einer Bewerbung tendenziell leicht zurückhaltender. Gleichzeitig müssen wir als Polizei ebenfalls flexibler werden. Stichwort ist zum Beispiel: Familienplanung. Wir möchten die Frauen auch nach der Geburt eines Kindes unbedingt behalten. Die Polizei soll ein Abbild der Gesellschaft sein.
Insgesamt nimmt der Anteil der Frauen bei der Berner Kantonspolizei allerdings zu?
Die Quote ist leicht steigend.
Sie sind seit Anfang Jahr im Amt. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie nach rund neun Monaten?
Ich bin enorm stolz, dieses Amt ausüben zu dürfen. Eine vielfältige Aufgabe, bei der manchmal unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen – aber das gehört dazu. Das Wichtigste sind die Mitarbeitenden. Und ich möchte das eine oder andere so steuern, damit sie möglichst gut arbeiten können. Ich führe zahlreiche Gespräche, obwohl ich leider noch nicht dazu gekommen bin, mich mit allen zu unterhalten. Etwas möchte ich noch erwähnen …
Bitte!
Was mir an unserem Korps positiv auffällt, ist die Gelassenheit. Das Motto lautet: Zuerst mal durchatmen und bei der Umsetzung des Auftrags dann, sofern das geht, die mildeste Variante wählen. Meistens klappt es dank guter Kommunikation. Natürlich funktioniert das nicht immer: Wenn es die Situation erfordert, muss durchgegriffen werden. Wir müssen Recht und Gesetze einhalten. Doch am Ende des Tages sind wir für die Menschen da.
Yves Schott