16 Andrea Copyright By Martina Strul

Unterschwelligen Männerhass finde ich sehr kontraproduktiv

Früher TV-Star, schreibt Andrea Jansen (39) auf Ihrer OnlinePlattform Anyworkingmom.com mittlerweile über Themen, die Mütter beschäftigen. Dazu gehören auch Emanzipation und Frauenrechte. Die Bernerin selbst hat drei Kinder.

Wer Sie kontaktieren möchte, macht das nicht etwa auf Ihrer Website, die schon seit längerer Zeit brach liegt, sondern via Anyworkingmom.com. Ist die Onlineplattform «Mal ehrlich» mittlerweile Ihr Hauptberuf?
Ja, seit Kurzem sind wir als offizielles Unternehmen angemeldet und haben eben erst die Marke von 50 000 Besuchern pro Monat erreicht. Ich betreibe die Seite jedoch nicht alleine, sondern mit Anja Knabenhans und Rebecca Krausse. Hinzu kommen weitere Personen, die zuliefern. Schliesslich haben alle drei von uns Familie und versuchen, diese zusammen mit dem Job zu vereinbaren. Ich bin immer noch Autorin, aber eben auch Chefin. Mein Pensum macht rund 80 Prozent aus.

Sie haben drei Kinder. Wie sieht es mit dem Beruf Ihres Partners aus?
Er orientiert sich gerade um, arbeitet aber grundsätzlich ebenfalls 80 Prozent als TV-Produzent. Rund anderthalb Tage kümmert sich eine Nanny um unsere Kinder, zwei Tage pro Woche sind sie im Kindergarten oder in einer Krippe. Ich bleibe an jeweils zwei Nachmittagen zuhause und höre meistens um 16 Uhr auf zu arbeiten und bin dann häufig abends wieder am Computer.

Tönt nach grosser Auslastung. Vielleicht sogar Überlastung?
Ich gebe zu, dass mir das Eine oder Andere mal zu viel wird. Was indes meist mit den Ansprüchen an mich selbst zu tun hat. Ich war früher, vor den Kindern, schon zweimal kurz vor einer psychischen Überforderung, habe allerdings rechtzeitig die Reissleine ziehen können. Ich habe in meinem persönlichen Umfeld erleben müssen, wie es ist, wenn man es nicht schafft. Deshalb probiere ich ganz bewusst, mich an einem bestimmten Punkt rauszunehmen.

In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der schweizerischen dürfte das nicht immer allzu einfach sein.
Es ist doch so: Wenn wir jemanden entdecken, der an einem Dienstagnachmittag irgendwo ein Buch liest, kommt uns das schon suspekt vor. Hierzulande wird der Erwerbsjob viel höher gewichtet als das Privatleben. Deswegen gelingt es mir anderswo auch viel besser, mir meine eigene Insel zu schaffen. Und ich bin froh, dass ich gerne viel arbeite – es ist meist positiver Stress.

Das leistungsorientierte Denken führt unter anderem dazu, dass es Anliegen wie der Vaterschaftsurlaub respektive die Elternzeit, die Sie unterstützen, ziemlich schwer haben.
Ich finde diese Einstellung schon sehr kurzsichtig, ja. Es gibt genug Studien, die belegen, wie wichtig es ist, dass sich Vater und Mutter um ein Kind kümmern und dass dies schliesslich dem beruflichen Wiedereinstieg der Frau zugutekommt. Wieso diese Investitionen nicht getätigt werden? Keine Ahnung. Sie würden mitunter für eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft sorgen, es müssten deutlich weniger ausländische Fachkräfte ins Land geholt werden. Davon profitiert dann auch die Wirtschaft.

Über 50 Prozent der akademischen Studienabgänger sind Frauen.
Studienabgänger sind Frauen. Eben. Wo sind die alle? Mag sein, dass einige von ihnen sagen, sie würden keine grosse Karriere anstreben wollen. Ich bin hingegen überzeugt: Die meisten möchten sich, wenn sie Mutter werden, nicht einfach komplett vom Berufsleben verabschieden. Es geht darum, dass Betreuungsarbeit einen ganz anderen Stellenwert erhält – auch für Männer! Derzeit hat eine erwerbstätige Person eine viel höhere Anerkennung als jemand, der sich um Kinder kümmert – und das sind nun mal meistens die Frauen. Angleichen lässt sich das nur, indem mehr Männer solche Aufgaben übernehmen und Erfahrungen darin sammeln.

Die SVP hält das traditionelle Familienmodell doch sehr hoch und ist der Ansicht, dass Frauen, die Hausarbeit verrichten, mehr gewürdigt werden sollten.
Dadurch erfahren sie trotzdem nicht mehr Wertschätzung in einer Gesellschaft, in der dieser Wert mit Lohn gemessen wird. Ganz grundsätzlich hat sich die Aussenansicht auf die Schweiz in den letzten Jahren ziemlich verändert. Unsere Gesellschaft wird weniger stark nur traditionell, sondern teilweise als sexistisch angesehen. Trotzdem habe ich die Hoffnung, dass unsere Töchter diesen Kampf in zwanzig Jahren nicht mehr führen müssen.

Beteiligen Sie sich am Frauenstreiktag am 14. Juni?
An diesem Datum bin ich weg und kann deshalb nicht auf die Strasse gehen. Ich mache aber trotzdem mit: Mein Partner wird sich um die Kinder kümmern, wir werden auf unserer Plattform darüber berichten. Leider ist der Begriff des Feminismus häufig negativ konnotiert.

Daran ist die Bewegung allerdings nicht ganz unschuldig…
Nur, weil Frauen auch mal laut ihre Meinung sagen?

Nein, weil, um beim Thema zu bleiben, gewisse Gruppierungen die Männer davon abhalten wollen, an diesem 14. Juni teilzunehmen. Das hat dann relativ wenig mit Gleichberechtigung zu tun.
In diesem Punkt gebe ich Ihnen recht. Aber es gibt ja nicht die Schweizer oder die Berner – und eben auch nicht die Frauen. Nur, weil jemand das gleiche Geschlecht wie ich hat, muss ich ja nicht zwingend ihrer Meinung sein. Feminismus bedeutet für mich Gleichberechtigung. Punkt.

Trotzdem schaden einer ideologischen Vereinigung solche Stimmen.
Einen unterschwelligen Männerhass in der Diskussion finde ich sehr kontraproduktiv. Ich mag Männer sehr und möchte keine Welt ohne sie (lacht). Nur ist halt unsere ganze Gesellschaft männlich geprägt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist nicht als Vorwurf gemeint; es ist einfach so, eine Feststellung. Doch jetzt, da wir das realisiert haben, halten wir es in der eigenen Hand, das zu berichtigen, mit dem Ziel einer egalitären Struktur.

Was stört Sie denn am männlichen Weltbild am meisten?
Wenn Sie so wollen: das Patriarchat. Fast überall sind Personen in Entscheidungspositionen männlich. Die Frau befindet sich in der Minderheit. Sie ist das Spezielle. Immer. Es wird hervorgehoben, wenn von zehn Personen zwei Frauen in einem Verwaltungsrat sitzen. Dass der Mann automatisch die Norm ist, zeigt Folgen: Im Buch «The Invisible Woman» etwa wird dargelegt, wie sich Raumplanung auswirkt, die vom Durchschnitt – also dem Mann – ausgeht. Man skizzierte etwa Buslinien, die dann aber nur sehr spärlich genutzt wurden. Warum? Weil die Haltestellen sich an der Peripherie befanden und nachts schlecht ausgeleuchtet waren. Für Frauen war es gefährlich, dort auszusteigen. Aber diesen Punkt hatte man in der Planung gar nicht bedacht – nicht absichtlich, aber es sass halt keine Frau am Tisch, die den Gedanken hätte aufbringen können.

Die Arbeitswelt muss grundsätzlich umdenken?
Ich finde ja: Es braucht generell eine bessere Work-Life-Balance. Es heisst immer: Teilzeitjobs in Kaderfunktionen – unmöglich. Das Bedürfnis, Familie und Job zu vereinbaren, wird immer grösser – auch von Vätern. Wir müssen mal anfangen, hier neue Ideen zu entwickeln.

Bloss: Frauen haben heute exakt die gleichen Chancen und Möglichkeiten wie Männer.
Haben sie eben nicht. Um dorthin zu kommen, wo die Männer sind, müssen sie viel mehr leisten – man spricht von der «gläsernen Decke». Vielfach wird auch über ihren Kopf hinweg entschieden, was eine Frau zu leisten vermag und was nicht. Im Sinne von: «Du hast ja Kinder!» Es braucht dann schon einiges an Durchhaltevermögen, um sich immer und immer wieder dagegen zu behaupten. Deswegen gibt es viele Frauen, die sich dann, wie ich, selbstständig machen.

Lässt sich das wirklich so verallgemeinern?
Natürlich nicht, nichts lässt sich verallgemeinern. Ich spreche hier von persönlichen Erfahrungen, Texten und Kommentaren, die wir bei uns publiziert haben. Es gibt auch stutenbissige Chefinnen, leider. Es ist aber schon so, dass Frauen, historisch betrachtet, einfach irgendwann mal hinzugekom – men sind: beim Wahlrecht oder eben bei der Erwerbsarbeit. Männer waren von Anfang an dabei, konnten mitgestalten. Man stelle sich vor, auf dem Rütli hätten statt drei Männer drei Frauen gestanden (lacht). Mein Wunsch ist es, dass wir alle gemeinsam anpacken.

Letzte Frage: Wenn Sie sich mit einem Politiker oder einer Politikerin unterhalten könnten: Mit wem würden Sie das tun?
Obwohl ich ganz weit weg bin von der SVP: Magdalena Martullo-Blocher ist als Mensch ein Phänomen. Ich finde es wahnsinnig spannend, wie sie an der Spitze einer Partei stehen kann, die dermassen traditionelle Werte vertritt, gleichzeitig zu hundert Prozent arbeitet und ein äusserst modernes Modell vorlebt. Das interessiert mich.

Yves Schott

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