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«Was gerade geschieht, lasse ich als Krieg durchgehen!»

Bänz Friedli räumt seine CD-Sammlung auf, David von Ballmoos lernt Staubsaugen und Monika Erb plant einen grossen Freudentanz. Andreas Thiel hat zudem das Gefühl, er lebte derzeit in einer Diktatur. Lesen Sie, wie 11 Berner Persönlichkeiten den CoronaLockdown verbringen.

Aufgezeichnet: Yves Schott Fotos: zvg

DIE BÄRNERBÄR-QUARANTÄNE-FRAGEN

  1. Wie hat sich Ihr Alltag seit dem Lockdown verändert?
  2.  Was stört Sie am meisten an der neuen Situation?
  3.  Wie verändert die Krise Sie persönlich?
  4. Welche Ecke Ihrer Wohnung haben Sie neu entdeckt?
  5.  Trinken Sie mehr oder weniger Alkohol als zuvor?
  6.  Was tun Sie als Erstes, wenn der Lockdown vorüber ist?

Nina Burri, Kontorsionistin/Schlangenfrau

Nina Burri2 Opt
  1. Natürlich sind wegen des Veranstaltungsverbots alle Shows bis in den Sommer rein weggefallen. Das ist die grösste und einschneidendste Veränderung. Dadurch erübrigen sich auch die vielen Reisen. Auch Jobs als Model, für die ich oft ins Ausland reise, sind jetzt nicht mehr möglich. Aber sonst mache ich, was ich immer tue: mein Kontorsionstraining von 4 Stunden pro Tag – daneben Arbeit am Computer, denn es gibt immer Projekte, die ich am Laufen habe und die man jetzt zumindest weiterplanen kann.
  2. Das Nicht-Wissen, wann das Ganze wieder vorbei ist. Man kann nichts planen und dadurch sind auch den Veranstaltern und möglichen Kunden die Hände gebunden. Sprich: Wir Künstler warten wohl noch bis Ende Sommer auf Anfragen und Bookings.
  3. Ich nehme sie als Auszeit nach einer sehr intensiven und auch stressigen Zeit, die mich seit Anfang Jahr fest im Griff hatte. Ich war nonstop am Arbeiten und Reisen. Jetzt habe ich viel Zeit, mich wieder Dingen zu widmen, die ich lange vernachlässigt hatte. Das tut gut.
  4. Keine, denn so gross ist sie nicht und ich kannte sie schon sehr gut 😉
  5. Ich trinke nie Alkohol, somit ändert sich da nichts.
  6. Hoffentlich bald nach Berlin reisen, um ein Filmprojekt zu realisieren. Das hätte ich eigentlich Mitte März machen sollen.

Bänz Friedli, Autor und Kabarettist

Bänz Friedli
  1. Wir verbringen viel mehr Zeit en famille mit den erwachsenen Kindern, die daheim wohnen: angeregte Diskussionen, Rumblödeln, Kochen, Backen, Netflix.
  2. Mich stört nichts gross. Leider fallen all meine Lesungen und Bühnenauftritte weg. Die Krise ist aber auch Chance: Ich bin mit einem neuen Buch schon fast fertig. Dabei kam das letzte erst grad … nicht in die Läden, nein. Aber in den Handel.
  3. Vermutlich merkt man in solch einer Zeit, wer und was einem wirklich wichtig ist.
  4. Schon jeden Küchenschrank, jede Ablage aufgeräumt! Das ergeht wohl allen so. Nun wartet noch das Pièce de résistance: die riesige CD-Wand in der Wohnung aufzuheben. Rund 10 000 CDs wandern in den Keller. Sie wegzuschmeissen, bring ich noch nicht übers Herz. Aber es gibt Platz für Bilder.
  5. Deutlich weniger. Kaum noch.
  6. Ich hole mir bei Starbucks einen Grande Americano. Gehe mit meinem Alternativliga-Team Fussball spielen. Und gebe die Hoffnung nicht auf, irgendwann wieder nach Louisiana reisen zu können.

Stefan Castrischer, langjähriger Captain von Floorball Köniz

Castrischer
  1. Ich bin öfter zuhause, treffe mich weniger mit Kollegen und der Familie. Auch trainiert und gearbeitet wird via Skype in den eigenen vier Wänden.
  2. Ich bin ein Teamsportler. Mir fehlen die Kollegen, auch die Familie. Einmal rausgehen, einen Kaffee oder ein Bier trinken, das fehlt mir schon.
  3. Ich denke, man wird sich bewusster, welche Privilegien man eigentlich hat(te). Möglich, dass wir in Zukunft gewisse Sachen bewusster wahrnehmen.
  4. So gross ist meine Wohnung nicht, als dass ich Neues hätte entdecken können. Aber wir sitzen deutlich mehr auf dem Balkon.
  5. Eher weniger, weil das Bierchen mit den Kollegen wegfällt. Allein trinke ich nie.
  6. Mit den Kollegen und der Familie etwas unternehmen und vielleicht in gemütlicher Runde ein Bierchen geniessen.

Monika Erb, Model und Missen-Mami

Monika Erb
  1. Den Alltag haben wir ganz neu gestaltet. Man muss aufpassen, dass keine Monotonie auftritt … so à la: Täglich grüsst das Murmeltier. Das ist eine grosse Herausforderung. Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch.
  2. Ich vermisse den sozialen Kontakt extrem. Meine Eltern fehlen mir – und der Austausch mit meinen Freunden. Uuuuund: Ich freue mich darauf, wieder arbeiten zu dürfen.
  3. Die Wertschätzung an den kleinen, einfachen Dingen. Man lernt, wieder mit «weniger» auszukommen – stresst nicht von einem Termin an den anderen und rückt näher zusammen. Diese Zeit wird wohl niemand von uns je vergessen.
  4. Die Terrasse mit unserem Garten. Dort finde ich Ruhe in unserer Lounge.
  5. Klar, über die Ostertage haben wir sicherlich ein paarmal angestossen. Aber es ist in etwa gleich wie vor dem Lockdown.
  6. Ich mache einen Freudentanz und freue mich darauf, meine Eltern und Freunde wieder zu umarmen.

Carol Fernandez, DJ

Carol Fernandez
  1. Ich habe endlich angefangen, kochen zu lernen. (lacht) Eigentlich nicht gross, da ich schon vorher viel Freizeit hatte und unabhängig war. Die grosse Änderung ist, dass ich halt nicht auflege. Dafür mache ich nun zuhause Musik und bereite mich mit LiveMusik gut vor, damit ich danach top ready bin, wenn der Lockdown vorüber ist.
  2. Dass man nicht genau weiss, was wahr ist und was nicht. Es wird so viel erzählt, in den Medien geschrieben und politisiert, dass man einfach nicht mehr weiss, was stimmt und was nicht.
  3. Ich denke positiv, da man noch mehr Zeit hat, über vieles nachzudenken, neue Momente zu kreieren, zur Ruhe kommen und Dinge anzupacken, die man vorher vielleicht nicht gemacht hat. Im Sinne von: viele Sachen noch mehr zu schätzen und intensiver zu (er)leben, die man jetzt eben vielleicht nicht mehr erleben oder machen kann (es kann eine kleine Umarmung sein oder ein Kuss). Diese Situation stärkt mich und motiviert mich, danach stärker denn je zurückzukommen, vor allem auch, was die Musik betrifft. Die Welt vielleicht ein wenig anders anzuschauen. Was mich am meisten freut, ist, dass sich der Planet endlich von der Umweltverschmutzung erholen kann, wofür wir leider alle verantwortlich sind!
  4. Die Küche. (lacht laut)
  5. Ungefähr gleich viel.
  6. Mich auf den nächsten Gig freuen und gut vorbereiten 😀

Alec von Graffenried, Stadtpräsident

Alec Von Graffenried
  1. Extrem! Videokonferenzen statt Sitzungen, Selbstgespräche statt Grussbotschaften, Apps runterladen statt festen und feiern. Ich bin oft allein: unterwegs und auch im Büro.
  2. Der Stillstand der Wirtschaft und die damit verbundenen finanziellen Folgen und Not für viele unter uns, das macht mir echt und täglich Sorgen.
  3. Meine Stimmung ist eher gedämpft. Doch es gibt durchaus auch Positives: viel mehr Familienzeit! Oder Veloausfahrten am Sonntag ohne viel Verkehr.
  4. Da ich zuhause kein Arbeitszimmer habe, ziehe ich mich jetzt öfter in den Wintergarten zurück. Der ist heiter und luftig!
  5. Keine Änderung! In der Politik ist der Alkohol eine ständige Versuchung. Ich habe mir längst angewöhnt, nicht immer zuzugreifen, wenn ich Gelegenheit dazu habe.
  6. Ich sehne mich nach den Restaurants, den Cafés, den Bars. Ich freue mich auf Läden und den Märit, wenn die Menschen wieder flanieren. Ich freue mich auf Museen, Theater, Konzerte, Kinos, einfach auf ALLES! Und darauf, wieder Menschen zu umarmen und nicht nur Bäume!

Rafael Beutl, Ex-Bachelor und Model

Rafael Beutl
  1. Entschleunigt; ruhiger jedoch unstrukturierter.
  2. Dass ich mein Grosi, Mama, Gotti und Vater in Wien nicht besuchen kann, die gewisse Einschränkung …
  3. Positiv, aber auch skeptisch, was da noch kommen wird …
  4. Keine, aber das Loch im Leintuch oben rechts (=
  5. Als Bierliebhaber musste ich am Anfang definitiv öfter Leergut entsorgen …
  6. Die Familie besuchen und vor Freude ins Wasser springen

Erich Hess, Stadt-, Gross und Nationalrat SVP

Erich Hess

Mein Leben hat sich durch den Lockdown nicht gross verändert, ausser dass momentan kaum politische Sitzungen und Veranstaltungen stattfinden. Die frei gewordene Zeit nutze ich, um Pendenzen in meinem Büro abzubauen. Am meisten stört mich, dass die Wirtschaft unter den getroffenen Massnahmen massiv leidet. Die Zahl der Neuansteckungen ist mittlerweile sehr tief. Wir müssen schrittweise wieder zurück zum Normalzustand, um weitere Schäden an Wirtschaft und Gesellschaft zu vermeiden. Auch müssen die Arbeitslosenzahlen rasch wieder gesenkt werden. Das bedeutet konkret: Die Personenfreizügigkeit mit der EU muss ausgesetzt werden, damit Schweizer und Ausländer in der Schweiz rasch wieder eine Stelle finden! Ich freue mich, bald wieder einmal an ein Schwingfest zu gehen und mich mit Freunden auf ein Bier zu treffen. Ich danke allen Menschen, die in diesen Zeiten im Einsatz für andere da sind. Der Bernerbär-Leserschaft wünsche ich gute Gesundheit und weiterhin viel Kraft!

Reto Nause, CVP-Gemeinderat und Sicherheitsdirektor

Reto Nause
  1. Hemd und einengende Krawatte wurden durch bequeme, krisentaugliche T-Shirts abgelöst. Ich bin viel im öffentlichen Raum unterwegs, um ein konkretes Bild zu bekommen – meistens parallel dazu am Telefonieren. Physische Sitzungen und gesellschaftliche Verpflichtungen sind gänzlich weggefallen.
  2. Mir fehlt der persönliche Austausch mit den Menschen. Über einen PC-Bildschirm oder am Telefon wird nur ein Bruchteil der Information vermittelt; Emotionen gehen unter.
  3. Die Tage sind nicht mehr planbar. Das war in der Sicherheitsdirektion vorher auch der Fall – aber nicht in dem Ausmass. Die Situation ist herausfordernd – manchmal auch belastend: Vor allem, weil noch kein definitives Ende absehbar ist.
  4. Ich habe vor der Krise ein «Bärner Müntschi» geliebt. Das hat sich während der Krise nicht geändert und wird auch nach der Krise so sein.
  5. Ich habe einen genauen Plan: Haare schneiden, dick Essen, Abend auf Aussenbestuhlung ausklingen lassen. Motto: Gewerbe unterstützen!

Andreas Thiel, Kabarettist

Thiel1
  1. Mein soziales Umfeld hat sich auf die wenigen Menschen reduziert, die sich auch nicht an den Lockdown halten.
  2. Ich frage mich, wieso die Nationalsozialisten so lange gebraucht haben, um eine Diktatur zu errichten. Unser Bundesrat zaubert ein Ermächtigungsgesetz aus dem Hut, ohne dass er so ein Theater wie einen Reichstagsbrand inszenieren muss. Und auch das ganze Personal, das man für eine Diktatur braucht, wie Denunzianten oder Verwaltungsangestellte, die in vorauseilendem Gehorsam Weisungen verschärfen, scheint latent vorhanden zu sein.
  3. Ich spiele im Büro mehr Lego, da wir die Zeit nutzen, um an unseren Filmszenarien zu basteln.
  4. Das Gefrierfach. Champagner muss kalt sein.
  5. Ich habe mir schon früh einen grossen Weinkeller angelegt mit dem Gedanken: «Wenn wieder mal Krieg herrscht, dann werde ich alten französischen Wein trinken und zwar in rauen Mengen.» Was gerade geschieht, lasse ich als Krieg durchgehen.
  6. Ich fahre nach Reims, um ganz viel Champagner zu kaufen, und zwar nicht um das Ende des Lockdowns zu feiern, sondern weil er mir jetzt dann gleich ausgeht.

David von Ballmoos, Goalie BSC YB

Davidvonballmoos
  1. Das Training, das wegfällt, fehlt mir. Und als Goalie auch der Kontakt mit dem Ball. Zum Glück haben wir das Training per Video, das bringt etwas Abwechslung und wir Spieler sehen und so wieder einmal.
  2. Die Situation ist für alle schwierig, da nützt Jammern nichts. Mir fehlt vor allem der Kontakt mit der Familie und mit Freunden.
  3. Man beginnt, die Zeit wieder mehr zu schätzen. Normalerweise bin ich viel unterwegs, jetzt halt zuhause.
  4. (Lacht) Ich habe zusammen mit der Freundin putzen gelernt und habe in der einen oder anderen Ecke sogar Staub entdeckt. Den Staubsauger bediene ich auch fehlerfrei.
  5. Genau so selten wie vorher. Ab und zu mal ein Glas Wein zusammen mit der Freundin zu einem guten Essen, am Freitag leiste ich mir ein Panaché, denn Bier mag ich nicht besonders.
  6. Die Familie besuchen. Ich bleibe derzeit bewusst auf Distanz, denn zuhause wohnen zwei Generationen zusammen und die Grossmutter ist logischerweise schon etwas älter.

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