In der Stadt wird immer mehr für Familien getan – diesen Eindruck bestätigt Alex Haller, Amtsleiter Familie & Quartier Stadt Bern. Im Interview erzählt er, was vor zwanzig Jahren noch üblich war und heute längst nicht mehr gilt.
Kurze Frage, kurze Antwort: Ist Bern eine familienfreundliche Stadt?
Ja, Bern ist eine familienfreundliche Stadt.
Warum?
Wir sehen, dass immer mehr Familien nach Bern ziehen oder in Bern bleiben. Sie schätzen den Lebensraum innerhalb der Stadt und die Lebensqualität. Ich denke, dass Familien heutzutage stärker auf Betreuungs- und Beratungsangebote angewiesen sind. Die Stadt Bern hat viele Anstrengungen unternommen, um das Angebot von Unterstützungsleistungen zu erhöhen. Zudem hat die Stadt das nahe Umfeld für Familien stark verbessert.
Wie hat sich das Angebot für Berner Familien innerhalb der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre verändert?
Es gab ein Umdenken. Grundsätzlich werden Aspekte der Familienfreundlich- oder Kindergerechtigkeit heute bei den Planungen früher mit einbezogen und mehr gewichtet. Es gibt immer mehr Angebote zur Belebung von lokalen Quartierplätzen. Hier spielt zum einen der Verkehr eine Rolle oder die Möblierung der Plätze. Viele Bedürfnisse können früh aufgenommen werden. Familien sind in diesen Planungen zentral, weil sie immer mit den lokalen Gegebenheiten konfrontiert sind. Weiter ist der Verkehr in den Quartieren stark verlangsamt worden. So hat sich auch die Sicherheit verbessert.
Vor zehn Jahren war das anders?
Da hat man sich mehr an dem motorisierten Verkehr orientiert. Die Idee war: Wer in der Stadt wohnt, muss mit Einschränkungen leben. Beispielsweise, dass Eltern ihre Kinder auf dem Schulweg begleiten müssen.
Was tut die Stadt in Sachen Kinderbetreuung?
Hier hat sie stark zugelegt. Es gibt den Anspruch auf Betreuung am Schulstandort, wo das Kind zur Schule geht. Auch die Kleinkinderbetreuung ist gewachsen. Heute können die Eltern aus rund 100 Kitas in der Stadt Bern wählen. Eltern warten höchstens halb so lange wie vor zehn Jahren, bis sie einen passenden Betreuungsplatz gefunden haben.
Und wie bleibt die Stadt familienfreundlich?
Wir haben eine Analyse durchgeführt, in der deutlich wurde, dass alles, was Eltern nachfragen, auch beantwortet werden kann. Die Frage ist: Erreichen die Infos darüber die Eltern auch wirklich? Da haben wir uns verbessert. Die Stadt hat extra eine Familienplattform eingerichtet: bern.ch/familie
Klappt das?
Die Besuchszahlen auf der Homepage zeigen, dass das klappt und gut angenommen wird.
Und wie sieht eine moderne Berner Familie heute aus?
Wir haben festgestellt, dass die Vielfalt der Familienzusammensetzungen zunimmt. Es gibt nicht nur klassische Familien oder die Patchworkfamilie, sondern binationale Paare oder gleichgeschlechtliche Eltern und Familien mit einem behinderten Elternteil oder Kindern mit Beeinträchtigungen. Sie haben oft unterschiedliche Bedürfnisse.
Wie beurteilen Sie das Betreuungsangebot für Familien in der Stadt Bern?
Aus meiner Sicht ist das Angebot sehr gut – auch im Vergleich zu anderen Städten. Die Eltern habe eine grosse Auswahl und alle Quartiere sind abgedeckt.
Wie schneidet Bern im Vergleich mit anderen Städten ab?
In der Stadt Bern werden rund 65 Prozent der Kinder im Vorschulalter ausserfamiliär betreut. In Luzern sind es zum Beispiel 32 Prozent. Das hat mit der finanziellen Unterstützung zu tun, die in Bern höher ist. Die grossen Städte sind etwa ähnlich gut aufgestellt.
Ist Bern neben familienfreundlich auch kinderfreundlich?
Familienfreundlichkeit kann nicht von Kinderfreundlichkeit getrennt werden. Kinderfreundlichkeit ist für die Stadt Bern ein zentrales Thema. Wir haben erst wieder das Unicef-Zertifikat für eine kinderfreundliche Stadt erhalten.
Wo wohnen denn die meisten Berner Familien?
Kinderreiche Quartiere sind Kirchenfeld-Schosshalde, aber auch im Westen leben viele Familien mit Kindern. Hier sind es eher Familien mit mehreren Kindern, während im Osten eher Familien mit einem Kind wohnen. Im Mattenhof-Weissenbühl, im Nordquartier und in der Länggasse war der Zuwachs an Familien aber sehr gross. Darum wurde dort überall der Schulraum knapp.
Gibt es Plätze oder Orte, wo Sie Ihre Kinder nie spielen lassen würden?
Es gibt bedeutende Verkehrsachsen, die aus meiner Sicht problematisch sind. Das ist sicher die Verbindung vom Bahnhof über den Nordring bis Wankdorf. Eine breite und dominante Strasse. Ich wäre vorsichtig, dort meine Kinder allein zu lassen.
Dennis Rhiel