Am Sonntag stimmen die Bernerinnen und Berner darüber ab, ob sie in Zukunft vier statt zwei bewilligungsfreier Sonntagsverkäufe haben wollen. Der Bärnerbär hat nachgefragt, was das für die betroffenen Verkäuferinnen und Verkäufer bedeutet.

«Selbstverständlich bin ich der Vorlage gegenüber sehr positiv eingestellt», sagt Nicole Loeb, Delegierte des Verwaltungsrates der Loeb Holding AG. Der Detailhändler betreibt in der Berner Innenstadt sein Mutterhaus. «Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt und wir sind gerne für ihn da, wenn er einkaufen möchte. Diese Lockerung entspricht auch dem modernen Einkaufsverhalten.»
Auch ihre Mitarbeiterin Nicole Ruprecht steht klar hinter der Sache: «Ich befürworte die Vorlage auf jeden Fall und finde die Sonntagsverkäufe gut. Übrigens auch jene im Dezember.» Denn: Nicole Ruprecht, die bei Loeb in der Abteilung Lederwaren und Strümpfe arbeitet, nutzt die Sonntagsverkäufe auch selbst. Man könne an diesen Tagen viel gemütlicher durch die Läden schlendern und sich Zeit dafür nehmen, alle Sachen, die einen interessieren, in Ruhe anzuschauen. Manchmal mache man auch spontane Einkäufe. «Ich lege an solchen Tagen Wert darauf, unsere Kundschaft noch aufmerksamer zu bedienen als sonst schon», sagt Ruprecht. Ein Sonntagsverkauf sei etwas Aufregendes und nicht dasselbe wie ein normaler Verkaufstag. Dies gelte besonders, da sich die Detailhändler gerade in der Weihnachtszeit spezielle Angebote ausdenken, um die Kunden zu überraschen, wie Nicole Loeb erklärt.
Ähnlich sieht es Kathrin von Arx. Sie ist Geschäftsführerin der Manor-Filiale in Bern und befürwortet die Erhöhung auf vier Sonntagsverkäufe: «Es ist nicht allen möglich, wochentags einzukaufen. Die Sonntage helfen, bei engem Terminplan – auch wieder insbesondere vor Feiertagen – vom stationären Handel zu profitieren», sagt sie. «Mit diesen zwei zusätzlichen Sonntagen haben wir die Möglichkeit, spezielle Tage und Angebote zu schaffen. Meiner Meinung nach soll es ein spezielles Erlebnis bleiben, am Sonntag einzukaufen. Für uns als Geschäft als auch für die Kunden.»

Online-Händlern die Stirn bieten
Doch ein schönes Familienerlebnis an einem freien Tag ist nicht der einzige Grund, warum die Initiative für weitere Sonntagsverkäufe ins Leben gerufen wurde. Christoph Erb, Direktor Berner KMU, und Adrian Haas, Grossrat der FDP, sitzen zusammen im Komitee für die Vorlage. Sie sehen in den erweiterten Sonntagsverkäufen Chancen und Unterstützung für den sowieso schon massiv gebeutelten Detailhandel in den Innenstädten. Dabei sei gerade der Versandhandel die grösste Herausforderung, der sich Ladengeschäfte stellen müssen.
«Jede weitere Möglichkeit, direkt mit den Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten, stärkt den stationären Detailhandel gegenüber dem Versandhandel», erklärt Christoph Erb. «Gerade in der Stadt Bern dürfte doch an den Sonntagen etwas mehr laufen. Mit den Läden wird es auch für die Restaurants interessanter, zu öffnen.» Ihm pflichtet Haas bei: «Sonntagsverkäufe werden meist als örtliche Events zum Beispiel am ersten Advent in der Berner Altstadt organisiert.»
Ähnlich sieht es Nicole Loeb: «In den Innenstädten sinken die Frequenzen seit Jahren. Daher erscheint es mir wichtig, zusätzliche Attraktionen und Erlebnisse in den Zentren zu schaffen. Die Menschen möchten etwas erleben und sich begegnen. Mit attraktiven Öffnungszeiten und Angeboten ist dies möglich.» Kathrin von Arx pflichtet ihr bei: «Die Sonntage ermöglichen unseren Kunden, an diesen speziellen Verkaufstagen im Warenhaus etwas zu erleben. Dies unterscheidet den stationären vom Onlinehandel. Ich bin überzeugt, dass in der heutigen Zeit bei des wichtig ist und beides von unseren Kunden genutzt wird. Es soll sich ergänzen, indem der Onlinehandel sowie der stationäre Handel ihre Stärken nutzen.»

Freizeit bedeutet Einkaufen
Gegner der Initiative führen immer wieder an, dass der Sonntag prinzipiell ein freier Tag sei, den man in Ruhe mit der Familie verbringen soll, und lehnen die Sonntagsverkäufe ab. Geschäftsführerin Nicole Loeb sieht darin allerdings keinen Widerspruch: «Bereits heute kaufen wir unsere Lebensmittel und Zeitungen an Sonntagen ein. Es entspricht unserer westlichen Gesellschaft, flexibel zu shoppen. Und wir sprechen bei der Vorlage ja auch nicht von einer Öffnung an jedem Sonntag, sondern von nur zwei zusätzlichen Sonntagen.» Christoph Erb ergänzt: «Die Sonntagsverkäufe sind beschränkt auf maximal vier von 52 pro Jahr. Hohe Festtage wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten oder auch der Dank-, Buss- und Bettag bleiben von Sonntagsverkäufen ausgenommen, daran ändert nichts.» Kathrin von Arx will auch nicht prinzipiell am Sonntag als freien Tag rütteln, allerdings sieht sie an den offenen Sonntagen, «dass diese gerade als Familie zum gemeinsamen Shoppen genutzt werden.»
Das Argument, dass das Privatleben der Verkäuferinnen und Verkäufer unter den Sonntagsverkäufen leide, kann entkräftet werden: «Es sind nur zwei Tage, das fällt nicht so sehr ins Gewicht», sagt Nicole Ruprecht. «Ausserdem können wir diese Tage kompensieren. Wenn ich das in der Woche tue, gefällt es mir sowieso besser, weil ich unter der Woche meine Termine viel besser erledigen kann. Es ist nicht so voll und hat nicht so viele Leute wie am Wochenende.» Auch ihre Freizeit könne sie so viel intensiver geniessen. Manor-Geschäftsführerin Kathrin von Arx ergänzt: «In den vielen Jahren im Detailhandel waren die Sonntagsverkäufe für mich immer etwas Besonderes. Ich mag die entspannte Stimmung. Auch unsere Mitarbeitenden arbeiten aus den genannten Gründen gerne an Sonntagen. Mit aktuell zwei und künftig hoffentlich vier offenen Sonntagen ist dies verhältnismässig und bleibt etwas Besonderes.» Ihre Mitarbeiterin Oxana Vasiliuc, die in der Öffentlichkeit für die Pro-Kampagne Werbung macht, sieht im Sonntagsverkauf sogar Chancen für das Privatleben: «Mein Mann und ich arbeiten beide, unsere beiden Kinder gehen in die Kita. Nun ist es so, dass gerade zwischen Weihnachten und Neujahr eine Fremdbetreuung der Kinder nicht so einfach zu organisieren ist. Wenn ich am Sonntag arbeite, kann mein Mann zu den Kindern schauen. Umgekehrt kann ich die Freizeit unter der Woche zur Kinderbetreuung nützen. Das spart uns eine ganze Menge Geld.» Die zwei Tage zusätzlich seien für sie durchaus vertretbar.

Keine Sklavenarbeit
Und das Argument, dass man eventuell aufgrund von Dienstplänen sonntags arbeiten müsse? Das lassen die beiden Geschäftsführerinnen nicht gelten. «Es gibt viele Branchen, Was sagen die Gewerkschaften? bei denen es üblich ist, am Sonntag zu arbeiten. Beispielsweise im Gesundheitswesen und in der Gastronomie. Ich bin dafür sehr dankbar. Es ist auch schön, einmal an einem Wochentag frei zu haben. Selbstverständlich kann man niemanden zwingen», sagt Nicole Loeb. «Selbstverständlich werden die gesetzlichen Vorgaben hier eingehalten. Unsere Mitarbeitenden arbeiten maximal sechs Tage am Stück, erhalten einen zusätzlichen freien Tag und werden für die Sonntagseinsätze mit 50 Prozent Zuschlag bezahlt», weiss von Arx.
Auch die Politiker wollen nicht, dass ihre Initiative für Ausbeutung ausgenutzt wird. So erklärt Christoph Erb: «Die Vorschriften sind klar und einzuhalten. Die Sonntagsarbeit wird unter der Woche kompensiert und sonntags gibt es einen Lohnzuschlag von 50 Prozent. Viele Angestellte schätzen diesen Zustupf und die gewonnene Freizeit unter der Woche.» Und Haas weiss aufgrund dessen: «Es ist gar kein Problem, für die doch recht wenigen Verkaufssonntage Freiwillige zu fnden.»
«Ich verstehe, wenn man dagegen ist. Man ist es gewohnt, dass der Sonntag ein freier Tag ist. Aber man sollte auch das Positive an solchen Sonntagsverkäufen sehen», erklärt Nicole Ruprecht abschliessend. Man gibt sich zuversichtlich für die Abstimmung am 7. März. Übrigens würden alle Befragten das Angebot der Sonntagsverkäufe nutzen – wenn sie an diesen Tagen nicht selbst arbeiten.
Dennis Rhiel