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«Wir bieten jetzt auch Quarantäne-Sets an»

Seit zwei Wochen dürfen Berns Museen wieder Besucher empfangen. Noch hält sich der Ansturm jedoch in Grenzen. Das Coronavrius habe vieles verändert – ins Positive wie ins Negative, sagt Jacqueline Strauss, Direktorin des Museums für Kommunikation.

Was auffällt: Es ist relativ ruhig bei Ihnen.
Gäbe es Corona nicht, wären jetzt sicher sehr viele Leute hier. Es ist bekanntermassen die Zeit, in der uns diverse Schulklassen besuchen. Andererseits hat die Ruhe natürlich Vorteile für jene, die das Museum mal ganz für sich geniessen möchten.

Trotzdem hätten Sie es wohl lieber anders.
Die Situation ist total aussergewöhnlich, natürlich. Als wir am 12. Mai öffneten, waren wir uns schon bewusst, dass zu Beginn wahrscheinlich nur wenige kommen. Schliesslich müssen sich die meisten zuerst eine Art normales Leben zurückerarbeiten.

Sie sind sich bessere Zahlen gewöhnt.
Letztes Jahr verzeichneten wir über 115000 Eintritte, das bedeutete einen Rekord – auch innerhalb Berns gehören wir damit zu den drei meistbesuchten Museen.

Sind Ihre Besucherinnen und Besucher zufrieden, wieder ins Museum zu dürfen oder gibt es auch jene, die finden, dieser Schritt erfolge viel zu früh?
Jene, die kommen, finden es toll, dass die Türen offen sind. Zudem halten wir uns mit einem Schutzkonzept an die Vorgaben des Bundesrats. Am Tag der Wiedereröffnung warteten am Morgen übrigens schon einige Menschen vor dem Eingang. (lächelt) Was wir feststellen: Die Leute haben gar keine Lust, bei uns im Museum nochmals über Corona zu sprechen. Sie desinfizieren sich zwar die Hände, dann möchten sie allerdings etwas anderes erleben. Geniessen.
Das scheint ein Bedürfnis zu sein.

Sind Sie nicht dennoch enttäuscht über die mageren Zahlen?
Wenn ich es mir aussuchen könnte: klar. Doch so sind nun halt mal die Rahmenbedingungen; wir machen das Beste daraus.

Hatten Sie in den letzten drei Wochen mal Kontakt mit Tierpark Direktor Bernd Schildger?
Nein, wieso? Hat er von glücklichen Tieren erzählt? (lacht)

Schon, ja. Er hat sich aber vor allem darüber beklagt, dass Zoos noch geschlossen bleiben müssen, währenddem Museen bereits Gäste empfangen dürfen.
Das sind behördliche Entscheidungen, man wollte schrittweise lockern. Ursprünglich war bei uns ja ebenfalls der 8. Juni angedacht. Der Tag, an dem die Regierung dieses Datum kommunizierte und ich merkte, dass das bedeutet hätte, dass es bis zur Wiedereröffnung noch länger dauert als jene Phase, die wir hinter uns hatten, war für mich abgesehen davon die grösste Enttäuschung in der Krise.

Am Ende durften Sie trotzdem schon ab 11. Mai aufmachen.
Eine riesige Erleichterung. Im Nachhinein betrachtet eine emotionale Berg- und Talfahrt.

Wie stark hat sich der Lockdown finanziell auf Ihren Betrieb ausgewirkt?
In den letzten Wochen lagen die Einnahmen logischerweise bei Null. Folglich liegen wir stark unter jenen Zahlen, die wir eigentlich budgetiert hatten.

Konktret? 
Von März bis Mai befinden wir uns im Vergleich zum Vorjahr mit 300000 bis 400000 Franken im Minus. Die grosse Frage ist nun, wie es bis Ende Jahr weitergeht. Wir haben drei verschiedene Szenarien skizziert

Was würde eine zweite Pandemiewelle für Sie bedeuten?
Das wäre das Worst-case-Szenario. Wir denken selbstverständlich optimistischer. (lacht) Und wir haben Kurzarbeit angemeldet.

Reto Nause sagte im BärnerbärInterview vergangene Woche, er rechne damit, eine zweite Welle ohne Lockdown bewältigen zu können.
Der Lockdown war ein starkes Zeichen, um das Verhalten der Bevölkerung zu ändern. Nun wissen die Leute, wie die Massnahmen funktionieren. Wenn wir nicht wieder schliessen müssen, tun wir das logischerweise nicht.

Was hat sich bei Ihnen im Museum durch das Virus verändert?
Wir haben beispielsweise zwei Drittel unserer zahlreichen Sitzgelegenheiten weggeräumt, damit die Leute weiter voneinander entfernt sitzen. Dann werden heikle Flächen regelmässig gereinigt. Dazu mussten wir erst einmal abklären, ob die Desinfektionsmittel die Bildschirme nicht beschädigen.

Was ist mit den Kopfhörern passiert?
Sie hängen weiterhin an ihrem Platz, wir empfehlen sie jedoch nicht. Zum Glück sind alle Filme untertitelt. Ausserdem wurden die Audio-Guides entfernt. Und wir haben Quarantäne-Sets.

Was muss man sich darunter vorstellen?
Wenn Sie uns besuchen, erhalten Sie kein Eintrittsticket, sondern einen Jeton, mit dem man sich einloggt. Nach dem Logout kommt er drei Tage lang in Quarantäne, damit sich garantiert keine Viren mehr darauf befinden

Sie wurden vor der Pandemie mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, zeigten sich auf einem Foto mit Influencerin Xenia Tchoumi. Hat das Virus diesen Erfolgslauf gebrochen?
Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Wir haben, wie alle anderen ebenfalls, nie mit so etwas gerechnet. Dafür haben wir eine digitale Strategie umgesetzt: Während der Schliessung wurde jeden Mittag ein Livestream gestartet, auf Instagram schalteten wir Corona-Cartoons auf. Wir haben stets versucht, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben.

Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Bertrand Piccard sagte kürzlich in der «Sternstunde Philosophie»: «Krise ist ein Abenteuer, das man ablehnt.» Das Beste aus der Krise zu machen, heisst also, das Abenteuer anzunehmen. Sprich: Welche digitalen Möglichkeiten bieten sich, wie halten wir das Team bei der Stange?

Sie beackern mit Ihrem Museum ein spannendes Thema: die Kommunikation. Wie wichtig sie ist, zeigte sich gerade jetzt in der Krise.
Es war unglaublich spannend zu sehen, wer etwas gesagt hat, wie und was. Welchen Personen glaubt man und wieso? Welche Haltung nahmen die Medien ein, welche Rolle spielten Verschwörungstheorien?

Hat Sie das Virus nachhaltig verändert?
Die Stadt erlebte stillere Momente. Situationen, die ich mir zwar nicht so gewünscht hatte, die aber dennoch eine gewisse Qualität aufwiesen. Letzte Woche sah ich zudem viele Autos ganz nahe beieinanderstehen – mir kam in den Sinn: «Genau, dem sagt man ja Stau!» Ich denke, wir Menschen fallen ziemlich schnell in alte Muster zurück, ohne komplett neu zu werden. Wenn das Virus etwas bewirkt hat, dann wohl dies, dass nicht alles möglich ist und es Grenzen gibt.

Eine Ihrer laufenden Ausstellungen heisst «Schweinehund und Spielverderber». Im Nachhinein gesehen scheint dieser Titel genau so zynisch wie passend zur aktuellen Situation.
Gemeint sind ja eigentlich die Hemmungen…

Hoffen Sie eigentlich auf einen guten Sommer? Ins Museum zieht es einen doch, wenn es regnet.
Regen ist besser für uns. Aber irgendwann hat man wohl genug gebadet.

Yves Schott

Gratis ins Museum

Die Berner Museen geniessen ohne Griff ins Portemonnaie? Ja, das geht! Die seit mehreren Jahren bewährte Aktion «Gratis ins Museum» gibt es auch in diesem Jahr. Und zwar in doppelter Ration: Während der kostenlose Besuch der hiesigen Museen zuletzt an allen Samstagen im August möglich war, wird dies heuer zusätzlich an den Samstagen im Juli der Fall sein. Mehr dazu lesen Sie ab nächster Woche auf museen-bern.ch.

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