Sie sind die Godfathers of Swiss Satire. Ab Freitag gastieren Viktor Giacobbo und Mike Müller mit dem Zirkus Knie nun in Bern. Ein Gespräch mit zwei sehr gut gelaunten Komikern.
Viktor und Mike, übernachtet ihr zusammen in einem Zirkus-Wohnwagen? Viktor Giacobbo: Was stellst du dir vor? Wir beide in einem kleinen Wägelchen?
Okay, ihr habt einen Deluxe-Wagen gepachtet! Mike Müller: Es ist dies die meistgestellte Interviewfrage, die wir beantworten müssen. Giacobbo: Und wir sind dann immer leicht entsetzt, weil alle Leute das Gefühl haben, dass wir gemeinsam übernachten, nur weil wir zusammen auftreten. Müller: Die beste Antwort darauf ist jene von Viktor: «Ja, das tun wir, weil wir auch in Zürich zusammen in einer Einzimmerwohnung leben.» (lacht) Im Ernst: Wir haben zwei Wagen, aber eine gemeinsame Garderobe.
Verhält sich das Zirkuspublikum, im Vergleich zu jenem bei «Giacobbo/ Müller», anders? Giacobbo: Ja, es handelt sich, ohne das zu werten, um ein Mainstream- Publikum. Die kommen nicht nur wegen uns. Manche wollen vor allem die Pferdenummern sehen, andere die Artisten … und wir können sicher ebenfalls einen Teil dazu beitragen, dass die Leute ein Ticket kaufen.
Gerade in einer Zeit, die für Zirkusse ziemlich schwierig ist. Erst vor Kurzem hat der Zirkus Nock sein Aus bekanntgegeben. Müller: Wir sind ja nicht die, die das beurteilen können. Ich berufe mich auf Fredy Knie, der sagt, Zirkus-Gründungen- und Auflösungen gehörten zum Geschäft dazu. Es handelt sich einfach insgesamt um ein sehr hartes Business. Giacobbo: Vor allem ist Zirkus nicht gleich Zirkus. Das fängt bei
den Tierschützern an, die behaupten, dass dort Tiere gequält würden. Das mag bei gewissen der Fall sein, aber sicher nicht hier beim Knie.
Tamy Glauser hatte dazu aufgerufen, den Zirkus Knie zu boykottieren … Giacobbo: Sie hat sich allerdings in der Folge selbst erledigt, weil sie der Meinung ist, dass veganes Blut Krebs heilen kann. Müller: Dazu muss gesagt sein, dass dieser Aufruf aufgrund eines Videos gemacht wurde, das auf gut Deutsch gesagt nur Schrott beinhaltet. Etwa, dass sich die Pferde in der Box nicht umdrehen könnten. Das ist falsch. Ausserdem stehen sie, wie man hier sieht, auf einer Wiese. Giacobbo: Wir unterstützen Tierschutz, und ich bin im Stiftungsrat von PanEco, wo wir uns um die Auswilderung von misshandelten Orang-Utans auf Sumatra kümmern. Müller: Ausserdem läuft beim Knie alles öffentlich ab. Sämtliche Proben, jeden Tag.
Ein Wort noch zu Tamy Glauser. Giacobbo: Dass sie als Veganerin lebt, ist ihr gutes Recht. Bloss hat sie einen Boykott gefordert, ohne das Programm gesehen zu haben. Denn so hätte sie gemerkt, dass die Tierhaltung vorbildlich ist und wir eine Nummer aufführen, die in ihrem Sinn wäre: über zwei Typen, die es nicht übers Herz bringen, ein Schwein zu metzgen. Zudem würde ich sie sehr gerne fragen: Wie war das mit Givenchy und Gaultier, für die sie jahrelang gemodelt hat? Für deren Pelzmode wurden Tiere auf brutalste Weise gequält … wo war da ihr Boykottaufruf?
Ihr steht praktisch täglich mit den Artisten in der Manege. Habt ihr noch nie jemanden gefragt, ob sie euch dieses oder jenes Kunststück beibringen könnten? Giacobbo: Ja, also … nein. (lacht) Da schaue ich nur mit Bewunderung zu. Nicht zuletzt ist es eine Altersfrage …
Müller: … oder eine des Gewichts. (lacht)
Bald gastiert ihr in Bern und … Giacobbo: (unterbricht ironisch) Die absolut schönste Stadt der Schweiz mit dem besten Publikum! Schreib das so! (lacht) Nachher sind es aber Thun, Biel und Zug.
Die eigentliche Frage wäre gewesen: Passt ihr eure Nummern an, je nachdem, wo ihr gerade auftretet? Giacobbo: Es handelt sich jeweils um ein einziges Wort. Deshalb die Frage: Welche Beiz in Bern gilt als renommiert? Ein Ort, wo es sich gut essen lässt und den alle kennen?
(Die Antwort wird auf Wunsch von Viktor Giacobbo und Mike Müller an dieser Stelle nicht verraten, sie wird dann im Programm in Bern zu hören sein, Anm. d. Red.)
Lebt ihr während der Tournee hauptsächlich hier im Zirkus oder geht ihr auch ab und zu nach Hause? Müller: Beides. Giacobbo: In Bern kenne ich viele Leute. Und ich werde ab Herbst im Kultur-Casino mit Nik Leuenberger und Ivo Adam einen Polit-Satire-Talk führen. Müller: Uns ist Bern trotz Zürcher Autonummern ein Begriff. (lacht) Aber wir haben beide tatsächlich jahrelang im Bierhübeli, im Schlachthaus und an vielen anderen Orten gespielt. Giacobbo: Die ersten Aufführungen zusammen mit Stuzzicadenti in den 80er-Jahren fanden noch im Restaurant Schweizerbund an der Länggass- strasse statt. Danach mit Zampanoo’s Variété im Bierhübeli.
Seit dem Ende von «Giacobbo/Müller» sind rund zweieinhalb Jahre vergangen. Eine eigene, regelmässige TV-Show habt ihr nicht mehr. Aber das Rampenlicht sucht ihr immer noch. Müller: Wir entschuldigen uns in aller Form für unseren Beruf, bei dem das Rampenlicht sehr wichtig ist. (lacht)
Die Geschichte mit dem Knie geht irgendwann zu Ende … Giacobbo: Und dann spiele ich den Bestatter. Es braucht wohl einiges an Maske, sollte aber funktionieren. (lacht)
Ihr könntet das Ganze ja feiern wie die Erste Allgemeine Verunsicherung, die derzeit gerade ihre «erste Abschiedstournee» spielt. Giacobbo: Auf diese Idee kämen wir nie. Wenn etwas fertig ist, ist es fertig. Wir haben nicht einmal unsere letzte Sendung zelebriert. Das interessiert doch niemanden.
Man kann alternativ auch heulen, so wie Stefan Raab bei seiner letzten Show. Giacobbo: Wie furchtbar peinlich. Danach müsste ich auswandern. (lacht) Wenn ich über mich weine, weil ich selber zurücktrete … nein, bitte!
Dennoch die Frage: Was kommt danach? Giacobbo: Mein Traum wäre eine Jugendsendung für die ganz Jungen … ernsthaft: Ich habe ein paar Ideen, will mir aber Zeit nehmen und würde bis dahin gerne noch etwas mehr reisen gehen. Müller: Das Publikum wird mich
noch lange ertragen müssen. (lacht) Ich werde nach der Zirkus-Tournee rund achtzig weitere Vorstellungen von «Heute Gemeindeversammlung» spielen. Danach werden wir sehen … ich stand in den letzten neun Jahren ja sehr viel vor der Kamera.
Und ihr habt euch in letzter Zeit immer mal wieder kritisch gegenüber dem SRF geäussert. Giacobbo: Das taten wir schon immer. Unsere Bedingung, ein Format beim SRF umzusetzen, lautete, dass uns niemand, kein Chef, reinredet – was übrigens nie jemand getan hat. Auch vorher, bei «Viktors Spätprogramm», nicht. Dafür muss ich das SRF wirklich loben. Müller: Wir haben uns vom SRF ja im Guten getrennt. Giacobbo : Wenn man lange beim Sender gearbeitet hat und danach schlecht über seinen Ex-Arbeitgeber spricht – was einige gemacht haben – zeugt das von schlechtem Stil. Müller: Meistens sind es sowieso die, die von der SRG noch eine fette Pensionskasse im Füdle haben. (lacht).
Yves Schott