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Wird dieser Mann denn gar nie müde?

Roland Jeanneret (72) arbeitete jahrelang für die SRG als Radio und TV-Journalist, war der erste Pressesprecher der Uni Bern und Dozent an der Schweizer Journalistenschule MAZ. In seiner Wohnung im Berner Altenbergquartier erzählte er von seinem Unruhezustand.

Wobei stören wir Sie gerade?
Ich war gerade am Vorbereiten meines Beitrages für Radio Silbergrau. Es handelt sich dabei um ein kleines Radio von Pensionierten; die meisten Laien, einige ehemalige Radioprofis. Zu hören auf Radio RaBe oder im Internet.

Sie können das Radiomachen nicht lassen?
Das stimmt. Nebst Radio Silbergrau gebe ich auch Ausbildungskurse beim Jugend- und Schulradio Chico. Ich wurde ja zum Glück nicht von einem Tag auf den anderen pensioniert. Ich hatte kein Bedürfnis, noch mit dem Golfspielen anzufangen oder völlig Neues zu machen.

Man sagt, im Alter vergeht die Zeit immer schneller. Stimmt das?
Manchmal denke ich, die Woche bestehe nur aus Montag, Freitag und Wochenende…Ich weiss oft nicht, wo der Mittwoch und Donnerstag geblieben sind. (lacht) In meinem Arbeitszimmer hängt eine Uhr des Künstlers Bruno Lang. Die vier Viertelkreise zeigen drei Zeiten: Echtzeit, Eigenzeit und Ewigkeit. Das hilft ein bisschen!

Wie gehen Sie mit Schattenzeiten des Alterns um? Mit dem Verlust von geliebten Menschen?
Da wird mir jedesmal klar, wie endlich unser Dasein ist. Das heisst, dass ich heute erst recht bewusst leben muss.

Sie schreiben Bücher und moderieren weiterhin Anlässe oder Podiumsdiskussionen. Ist Ihre Begeisterungsfähigkeit endlos?
Ich glaube, es hat mit Neugierde zu tun. Ein Journalist, der nicht neugierig ist, hat den falschen Job! Und ich glaube, was Albert Schweitzer gesagt hat: «Mit den Jahren runzelt die Haut. Mit dem Verzicht auf Begeisterung runzelt die Seele.» Es ist die Freude am Geschichtenerzählen, die mich antreibt. Bereits als Kind hatte ich dieses Bedürfnis. Ich habe mit Freunden ein Kasperlitheater in der Garage aufgezogen. Am Ende hatten wir sechzig Figuren und wurden für Tourneen engagiert.

In den Siebzigerjahren wurden Sie zur Stimme der Glückskette …
Mein Chef Peter Läuffer hatte die Sammeltage ursprünglich moderiert. Als er in die Ferien ging, musste ich ihn vertreten. Seine «Einführung»: Du musste einfach möglichst viel Geld reinholen. Basta! Es lief gut und so habe ich diesen Job fortan für Sammeltage geerbt.

Welche Katastrophe ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ganz klar der Tsunami von 2004. Wir haben eine Viertelmilliarde Franken gesammelt. Sogar Bundespräsident Samuel Schmid half mit. Ich ging später mit Medienleuten selber unter anderem nach Aceh in Sumatra, das am meisten vom Tsunami betroffen war.

Vermissen Sie diese hektischen Zeiten?
Nein. Früher musste ich den Leuten oft die Welt in drei, vier Minuten erklären. Heute habe ich das Bedürfnis, mich während mehrerer Monate mit einem Thema zu befassen. So habe ich ein Meteobuch, eines über die Piccard-Dynastie und kürzlich eines über die Bedeutung der Mondlandung verfasst.

Sie schreiben und publizieren Bücher. Würde Sie das Verfassen Ihrer eigenen Biografie nicht reizen?
Behüten Sie mich davor! Es gibt schon längst zu viele selbstverliebte Biografien.

Helen Lagger

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