Wie hart trifft die Corona-Krise die Sporthauptstadt? Und wie sehen Sportanlässe in Zukunft aus? Das wollte der Bärnerbär von den Klubpräsidenten von YB, SCB und dem BSV Bern wissen.
Claudio Righetti lädt die drei Verwaltungsratspräsidenten am Mittwoch nach Niederwangen zum Talk (s. auch Seite 13). Bereits zuvor hat diese Zeitung mit den Rednern über Corona-Konzepte, politische Modefans und die Wichtigkeit von Mäzenen gesprochen.
Wie geht es der Sportstadt Bern?
Hanspeter Kienberger: Wir machen uns grosse Sorgen. Unser Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn wir Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion lassen können. Sonst ist unsere Existenz gefährdet. Kaum neue Einnahmen, aber laufende Ausgaben.
Und wenn wir die Krise ausblenden?
Kienberger: Ich denke, wir alle konnten etwas zum positiven Lebensgefühl in dieser Stadt beitragen. (lacht)
Beat Brechbühl: Wir konnten im Verwaltungsrat eine zukunftsweisende Nachfolgeregelung umsetzen, ein neues Gefäss für die Nachwuchs- und Karriereförderung schaffen, eine überzeugende Sportchefin und einen Headcoach mit guten Ideen engagieren. Jetzt sollten wir nur noch spielen können.
Peter Röthlisberger: Wir haben auf private Initiative hin die modernste Halle für die Indoorsportarten Handball, Futsal, Volleyball und Floorball in der ganzen Schweiz errichtet. Das gab es bis dato nicht. Sie verleiht dem Handball überregionalen Drive. Ausserdem sind wir gerade daran, eine Academy für 15- bis 20-jährige Talente aufzubauen.
Sie sagen, es gebe grundsätzlich wenig Grund, sich zu beklagen. Was muss denn getan werden, damit das so bleibt?
Brechbühl: Das liegt zunächst an uns – wir müssen gut spielen und die Ansprüche des Publikums nach Unterhaltung erfüllen, dann bleiben uns Fans, Partner und Sponsoren treu.
Kienberger: Im sportlichen Bereich haben wir den Anspruch, jedes Jahr eine kompetitive Mannschaft zusammenzustellen. Wir wollen möglichst europäisch spielen. Andererseits verfügen wir nach wie vor über kein eigenes Trainingsgelände – die Signale der Behörden sind in letzter Zeit immerhin positiv. Und wir streben eine Verdichtung des Stadions an, um zusätzliche Nutzungsflächen zu gewinnen.
Fühlen Sie sich von den Behörden gut unterstützt, Herr Röthlisberger?
In der Gemeinde Muri dürfte der Rückhalt grösser sein. Wir fühlen uns manchmal etwas vernachlässigt, wobei der Support nicht zuletzt mit der Anzahl Zuschauer*innen und der TV-Präsenz steht und fällt. Hier zeigt der Trend glücklicherweise klar in eine positive Richtung.
Kienberger: Meine Antwort wäre: jein. Ich bin überzeugt, dass YB und der Sport allgemein ein Teil der Berner Kultur sind. Wenn ich sehe, was andere erhalten…
Röthlisberger: …zum Beispiel die Reitschule…
Kienberger: …genau. Oder das Stadttheater. Dann denke ich mir manchmal schon, dass wir doch ebenfalls das eine oder andere zugute hätten. Man könnte uns zum Beispiel entgegenkommen, wenn es darum geht, Polizeikosten weiterzuverrechnen.
Röthlisberger: Wir betreiben Standortmarketing für diese Stadt, das sollte doch etwas wert sein.
Brechbühl: Grundsätzlich ja. Von einigen Behördenvertretern fühlen wir uns sehr gut unterstützt, während andere ihre Unterstützung primär durch die Teilnahme an Playoff-Finalspielen manifestieren…
Wie sieht es mit der wirtschaftlichen Unterstützung – namentlich beim Sponsoring – in der aktuellen Situation aus?
Brechbühl: In dieser Corona-Krise ist die Solidarität von Partnern, Sponsoren, aber vor allem auch von Mitarbeitenden von der GL über die Spieler bis hin zum Staff das einzig wirklich Positive. Alle stehen zusammen, helfen und unterstützen einander – je nach ihren Möglichkeiten. Das freut und berührt.
Röthlisberger: Glücklicherweise ist keiner unserer Hauptsponsoren abgesprungen, obwohl diese Firmen ja selbst mit massiven Problemen kämpfen. Unser wichtigstes Teilinstrument in diesem Bereich ist der Bärenclub als Networking-Plattform. Auch dort erfahren wir sehr viel Goodwill.
Kienberger: Bei uns ist es ähnlich. Wir sind zwar rückerstattungspflichtig, weil wir gewissen Leistungen nicht nachkommen konnten. Viele unserer Sponsoren stehen aber zu YB. Manche müssen aussteigen, weil sie wirtschaftlich schlicht nicht anders können. Dafür haben wir grösstes Verständnis. Wir werden einen siebenstelligen Betrag rückerstatten müssen. Wir hatten in der Krise übrigens auch schöne Erlebnisse: Dank dem neuen Stadionpartner CSL Behring heisst das Wankdorf wieder so wie früher.
Wie wichtig sind Mäzene für das sportliche Überleben?
Kienberger: Ich sehe YB als eigenständiges Unternehmen, deswegen mag ich dieses Wort eigentlich überhaupt nicht. Ich weiss aber ebenso, dass unsere Aktionäre in schlechten Jahren zu uns gehalten und investiert haben. Nun können wir etwas zurückgeben.
Röthlisberger: Durch die Stiftung Sport for Kids, die den Bau der Halle zu einem grossen Teil mitfinanziert hat, sind via Mäzene grosse Beträge gespendet worden. Der Verein selbst lebt vom Bärenclub mit rund 240 Mitgliedern und einigen Sponsoren. Ersterer finanziert rund 60 Prozent unserer Spieler.
Brechbühl: Wie Sie wissen, fährt der SCB seit Jahrzehnten ein unternehmerisches Modell ohne matchentscheidende Mäzene.
Wie lautet Ihre Prognose für die Zukunft?
Kienberger: Wir müssen glaubhaft machen, dass wir ab September, wenn Grossveranstaltungen ab 1000 Personen hoffentlich wieder möglich sind, in der Lage sind, kontrollierte Events zu organisieren. Mit personalisierten Tickets, einem genauen Sitzplan, einer Maskenpflicht im Stadion – sprich: einem gesamtheitlichen Schutzkonzept.
Brechbühl: Die Saison 2020/21 wird Mitte September beginnen – da bin ich zuversichtlich. Wir hoffen alle mit möglichst vielen Zuschauern. Das setzt zweierlei voraus: erstens die Selbstverantwortung von uns allen in Bezug auf die Einhaltung der Corona-Regeln; zweitens ein Schutzkonzept, das wir zurzeit am Erarbeiten sind.
Röthlisberger: Wir beim BSV rechnen im Schnitt mir etwa 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern pro Match. Ich bin überzeugt, dass die Menschen bereit sind, uns zu unterstützen. Der Sport hat diese Unterstützung verdient. Ich bin mit Hanspeter einig: Wir brauchen ein gutes Schutzkonzept.
Ihr grösster Wunsch?
Röthlisberger: Jeder Mensch soll sich an die Schutzmassnahmen halten und aufhören, darüber zu lamentieren, ob sie gut sind oder nicht. Am besten wäre ein Impfstoff, um die Welt wieder zu öffnen. Corona ist eine Kleinigkeit gegenüber dem, das wirtschaftlich jetzt auf uns zukommt.
Kienberger: Dem schliesse ich mich an. Wir müssen lernen, Selbstverantwortung zu übernehmen. Wir dürfen trotz allem die Zuversicht nie verlieren. Es chunnt scho guet.
Brechbühl: Ich kann mich nur wiederholen: Selbstverantwortlich handeln und Social Distancing ernst nehmen – und lernen, mit diesem Virus zu leben und umzugehen, ohne in Panik zu verfallen, denn einen zweiten Lockdown können wir uns wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht leisten.
Yves Schott
BSV BERN
Peter Röthlisberger
1951 gegründet Als TV Oberseminar gegründet, wurde der Klub 1959 in BSV Bern umbenannt. Nach dem Aufstieg im Jahr 1960 wurde der Verein bisher dreimal Schweizermeister: 1961, 1980 und 1985. Im Jahr 1980 gelang dem Team das Kunststück, den Titel ohne eine einzige Niederlage zu holen. 1999 stieg der BSV in den Nationalliga B ab, 2003 erfolgte der Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse.
SC BERN
Beat Brechbühl
1931 gegründet 1959 errang der SCB den ersten von bisher 16 Meistertiteln. 1970 erfolgte der Umzug von der altehrwürdigen Ka-We-De ins Allmendstadion (heute PostFinanceArena). Seine sportlich erfolgreichsten Jahre hatte der SCB in den Siebziger- und Neunzigerjahren unter den Trainern Paul-André Cadieux und Bill Gilligan. 1999 war der SCB bankrott, CEO Marc Lüthi rettete den Verein mit dem Engagement von Valora vor dem Konkurs. Seither schreibt das Unternehmen SCB schwarze Zahlen. Mit Titeln 2016, 2017 und 2019 ist der SCB erfolgreichster Verein der letzten Jahre. Seit 19 Jahren weist der SCB den höchsten Zuschauerdurchschnitt in Europa auf.
BSC YOUNG BOYS
Hanspeter Kienberger
1898 gegründet Die Gelb-Schwarzen holten bisher 13 Mal den Titel eines Schweizermeisters und gewannen sechs Mal den Cup. YB ist der erste Verein im Schweizer Fussball, dem es gelang, drei Mal in Serie Meister zu werden (1909-11). Die erfolgreichste YBZeit war Ende der Fünfzigerjahre. Unter Trainer Albert Sing wurde YB viermal in Folge Meister und holte zweimal den Cup. 1959 stand YB im Halbfinal des Europacups der Landesmeister. Nach dem zwischenzeitlichen Abstieg in die zweitoberste Spielklasse ist YB wieder ein Spitzenklub und wurde zuletzt 2018 und 2019 Meister.