Slice 5000 Troubas Kater 2022 031 Low Res

«Wir schauen gebannt auf dieses eine flackernde Licht»

Rapper und Songschreiber QC über das vierte Album von Troubas Kater «Karma & Kaviar». Im Mittelpunkt steht der Klimawandel.

Wie kommt es, dass Sie ein so himmeltrauriges Album gemacht haben?
(Lacht) Finden Sie es himmeltraurig?

Es hat Himmlisches, aber auch viel Trauriges.
Die Lieder haben schon eher schwerere Themen, aber unsere Musik dazu finde ich nicht so traurig. Der Titelsong «Karma & Kaviar» klingt sogar mega fröhlich, ganz nach dem Motto «Wir tanzen zum Weltuntergang».

Welche Erfahrungen haben Sie so erschüttert, dass sich gleich mehrere Songs von der Klimaerwärmung und ihren Folgen handeln?
Es gibt Fotos aus meiner Kindheit, auf denen ich mit meinen Eltern vor dem Aletschgletscher stehe. Als ich genau das gleiche Foto mit meinem Sohn machte, wurde mir klar, wie krass der Gletscher inzwischen weggeschmolzen ist. Das macht die Klimaveränderung deutlicher, als wenn in Bern die Aare mal etwas weniger Wasser führt. Noch mehr eingefahren sind mir jedoch die Bilder, die ich auf meinen Reisen durch Afrika und Südamerika gesehen habe.

Woran denken Sie?
Ich fand es erschütternd, bis zum Horizont nichts als verdorrte Felder oder abgebrannte Wälder zu sehen.

Hat nicht nur die Klimaveränderung, sondern auch Corona auf Ihre Stimmung gedrückt?
Ich weiss gar nicht, wie viele dieser Lieder ich während der Pandemie geschrieben habe. Die Entstehung ist oft ein längerer Prozess. Auf dem Computer füge ich Textfragmente zusammen und skizziere einen gemeinsamen musikalischen Boden. Dann bringen meine Musiker ihre echten Instrumente ein, die laut und leise, rund und eckig können. Erst danach nehmen die Songs ihre endgültige Form an.

Während die meisten anderen Lieder organisch gewachsen zu sein scheinen, klingt der Titelsong, als hättet ihr euch hingesetzt, um auch noch einen Ohrwurm à la Hecht zu schreiben.
Das ist vermutlich das Letzte, was diese Band machen würde! (lacht) Die Idee zu diesem Song geisterte schon bei der Arbeit am letzten Album herum. Nun brauchte der Text Musik, welche die Attitüde «Hey, ist doch alles scheissegal, let’s fly high!» transportiert. Zwar können wir mit unseren Instrumenten keine EDM (Electronic Dance Music, d. Red.) machen, doch haben wir nach dem zweiten Refrain eine Passage – wir nennen sie den Ibiza-Teil – eingebaut, die so richtig abgeht. Jeder kann dann selbst entscheiden, ob er bei diesem Song nur Party machen oder auch die Ironie heraushören will. Ich habe diese Doppelbödigkeit bei Stromae abgeschaut. Er ist einfach genial.

Weshalb haben Sie «All Puccino» an den Anfang des Albums gestellt?
Für mich ist das Hauptthema dieses Songs die Hoffnung. Auch wenn 99,99 Prozent des Nachhimmels dunkel sind, schauen wir doch gebannt auf dieses eine flackernde Licht und denken uns eine schöne Geschichte dazu aus. Das macht uns Menschen aus und könnte uns dabei helfen, mit den düsteren Aussichten der Klimaerwärmung umzugehen.

Wie sind Sie auf die Cappuccino-Alliteration gekommen?
In meiner Verliebtheit in die Hoffnung knallt es mich in diesem Lied ja raus ins All. Dabei verschütte ich in der Milchstrasse den schwarzen Kaffee, mit dem ich mich gerade tröstete. Daraus entsteht logischerweise Cappuccino. Sehr guter natürlich. (lacht)

Fühlen Sie sich nicht eher auf einem manövrierunfähigen Floss, das in Richtung Abgrund treibt?
Nein, ich finde nicht, dass es nichts mehr bringt, sich zu engagieren, da die Welt eh am Arsch ist. Ich habe das Gefühl, dass wir sehr wohl beeinflussen können, wie sehr wir auf den Arsch bekommen. Der Song, auf den Sie anspielen, bezieht sich mehr darauf, dass wir zu sehr nach Erfolg und Wohlstand streben – bis das Floss so überladen ist, dass wir die Kontrolle verlieren.

Was tun Sie konkret, um die Erderwärmung zu verlangsamen?
Da ich kein Umweltengel bin, sollte ich vielleicht mit dem beginnen, was ich nicht tue. Ich habe viel zu viele Sachen, zu viele Geräte, zu viel Shit, den ich eigentlich gar nicht brauche, obwohl ich dieses Gefühl irgendwann mal hatte. Ich bin auch nur mässig begabt, wenn es ums Reparieren geht. Von meinem ökologischen Fussabdruck her bin ich wohl der Durchschnittsschweizer, der seinen Teil der Erde schon in den ersten vier Monaten eines Jahres verbraucht. Das ist sehr schnell. Aber ich gebe mir Mühe. Und auch als Band achten wir nun beim Merchandising sehr auf Nachhaltigkeit.

Und wie geht das?
Wir verkaufen keinen Schrott vom anderen Ende der Welt, der in kürzester Zeit auf dem Müll landet, und achten bei den Textilien darauf, dass sie gelabelt und fair sind. Darunter sind auch Bauchtaschen, die Flüchtlinge in Griechenland aus Reststoffen herstellen und von einer Hilfsorganisation vertrieben werden. Ausserdem haben wir zum Thema «Karma & Kaviar» eine Dose mit Samen statt Fischeiern kreiert. Wenn du sie giesst, spriessen feine Sprossen, die erst noch gesund und vegan sind.

Euer Bläsersound erinnert teilweise an Patent Ochsner, speziell bei der wunderschönen Ballade «Himmublaui Ouge». Kein Zufall?
Nein, Bünes Lieder sind Teil meiner musikalischen DNA. Ich bin mit seinen Liedern aufgewachsen. Das bringst du einfach nicht mehr weg! (lacht) Wir wollen aber nicht wie Patent Ochsner tönen, sondern wie Troubas Kater. Die ähnliche Instrumentierung und die Idee, dass der Text offenbleibt und durch die Musik zu Ende erzählt wird, verbinden uns jedoch.

«Bänker & Buur» handelt von Klischees rund ums Thema Geld. Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihrem Bankkonto?
Geld weckt bei mir keine Emotionen. Mein Bankkonto anzuschauen, macht mich ungefähr so glücklich wie einen Staubsauger anzuschauen.

Bei dem, was die meisten Schweizer Musiker verdienen, ist das verständlich.
Da ich nie am Limit lebte und von meinen Eltern viel Unterstützung bekam, haben mich trotzdem nie Existenzängste geplagt. Vielleicht ist gerade deshalb meine Einstellung zum Geld so emotionslos. Reich werden ist keines meiner Lebensziele.

Was ist Ihnen denn wichtig?
Ich will etwas tun, was sich sinnvoll anfühlt. Als ehrgeiziger Mensch packe ich gerne an – oft auch etwas übereifrig. Ich liebe es, mit meiner Truppe unterwegs zu sein, Neues auszuprobieren. Gleichzeitig benötige ich dann auch den Ausgleich, die Ruhe, die Natur, die Beziehungen zu den anderen Menschen, die mir wichtig sind.

Reinhold Hönle

Troubas Kater, die sich 2015 mit «Verdammte Novämber» auf Anhieb in der Schweizer Musikszene etablierten, bleiben sich auf ihrem vierten Werk treu. Der Frontmann, urbane Troubadour und versierte Songschreiber QC alias Markus Sollberger (37) reflektiert auf «Karma & Kaviar» (ab 24. Februar im Handel) wieder wortgewandt, was ihn bewegt, und sein charmanter Sprechgesang prägt zusammen mit Akkordeon und Blasinstrumenten den unverwechselbaren Sound der achtköpfigen Berner Band.

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