Franziska Ramser moderiert nach elf Jahren als Redaktorin bei SRF-News- und Polit-Formaten seit August die prestigeträchtige «Rundschau».
Welche Kindheitserinnerungen haben Sie ans Bundeshaus?
Ich fand es schon immer ein imposantes Gebäude, besonders, wenn wir im Marzilibad waren und es mit seinen Kuppeln über uns thronte. Zum ersten Mal von innen gesehen habe ich das Bundeshaus, als wir es in der Oberstufe mit der Klasse besuchten. Die drei übergrossen Eidgenossen im Eingangsbereich beeindruckten mich sehr. Ich würde jedoch lügen, wenn ich behaupten würde, ich wäre schon als Kind extrem politisch interessiert gewesen – das Marzili interessierte mich da noch mehr.
Gab es ein Ereignis oder Thema, das Ihr Interesse geweckt hat?
Nein, zum Journalismus bin ich weniger über die Politik gekommen als über die Sprache. Ich habe Literatur und Geschichte studiert und war sehr bücherverliebt – fasziniert von der Frage, wie man die Welt abbildet, wie man etwas darstellt und wie man Geschichten erzählt. Ich habe den Lokaljournalismus beim Burgdorfer Tagblatt und beim «Bund» von der Pike auf gelernt und während dem ganzen Studium für den «Bund» geschrieben. Es ging bei den politischen Geschäften um weniger hohe Geldbeträge als später auf Bundesebene, doch dafür konnte ich hautnah mitverfolgen, wie die Macht verteilt wird und wer das Sagen hatte.
Welche Rolle spielt bei Ihrem journalistischen Engagement, dass Frauen in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft immer noch klar untervertreten sind?
Für mich ist der Beruf ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Schon als Reporterin, Produzentin und stellvertretende Redaktionsleiterin, nicht erst, seitdem ich auch Moderatorin der «Rundschau» bin. Mir war schon früh klar, dass es weiter möglich sein muss, ambitioniert zu arbeiten, wenn ich einmal Mutter werde. Auch um anderen Frauen zu zeigen, dass dies möglich ist.
Sind Sie von Ihrer Zeit in Berlin inspiriert?
2005 bis 2007, als ich als Korrespondentin und Studentin dort lebte, hatte Deutschland gerade eingeführt, dass Paare, die Kinder bekommen, eine bezahlte Elternzeit von 14 Monaten erhalten. Als Person aus einem Land, in dem man 14 Wochen Mutterschaftsurlaub hat und über Vaterschaftsurlaub noch nicht einmal diskutiert hatte, fiel mir dieser riesige Graben punkto Familienpolitik auf. Trotzdem bin ich in Berlin nicht mehr Frauen in Führungspositionen begegnet als in der Schweiz.
Wie sind Sie danach in Zürich gelandet?
Nachdem ich mich dort verliebt hatte, dachte ich zuerst daran, mein Studium in Berlin abzuschliessen, doch dann wollte es ein glücklicher Zufall, dass mein Partner ein Jobangebot aus Zürich bekam. Und ich konnte nach dem Lizenziat in Bern ein Stage beim SRF machen.
Wollten Sie schon immer zum Fernsehen?
Nein, ich war nie jemand, die sagte: «Ich will in fünf Jahren da und in zehn Jahren dort sein.» Es hat mich einfach gereizt, ein neues Medium kennenzulernen. Mein weiterer Weg beim SRF führte von der «Tagesschau» über «10 vor 10» bis zur «Rundschau». Bei den News habe ich das Handwerk gelernt, aber die Hintergrundgeschichten und Analysen, die in einem Magazin Platz haben, interessieren mich mehr als die Jagd nach der Tagesaktualität.
Was konnte Sie noch überraschen, als Sie im vergangenen August mit sechs Jahren Erfahrung als Redaktorin auch noch Moderatorin der «Rundschau» wurden?
Ich denke, es ist das Adrenalin, das ausgeschüttet wird, wenn du weisst, in wenigen Sekunden bist du live auf den Bildschirmen. Bei den ersten Sendungen war das Nervenflattern schon heftig, an der Grenze des Aushaltbaren. Unglaublich, welche Kräfte der Körper in solchen Momenten zu mobilisieren vermag.
Was für Reaktionen erhalten Sie?
Da kommen Lob und Zuspruch, aber auch Kritik. Neben konstruktiven Mails gibt es gerade auf Social Media auch Unfreundliches und Unflätiges. Ich muss oft erklären, dass die Position, die man als Interviewerin einnehmen muss, nicht mit der persönlichen Meinung gleichzusetzen ist.
Welchen ehemaligen Politikerinnen oder Politikern hätten Sie gerne auf den Zahn gefühlt?
Angela Merkel hätte ich mega gerne mal interviewt. Sie war als Kanzlerin eine so prägende Figur unserer Zeit. Nun gibt es viele Diskussionen über die deutsche Politik gegenüber Russland und was man verpasst hat, aber Merkel hat sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Was sehen Sie sich im Fernsehen an, wenn Sie sich entspannen wollen?
Dann schaue ich, wie viele Menschen, gerne gut gemachte Serien, oft auf Netflix, Arte oder in unserem Programm. Heute sind Serien ja oft aufwändiger produziert als Kinofilme. Die Geschichten und Figuren bekommen Zeit, um sich folgenübergreifend zu entwickeln. Ich bin noch mit Trash wie «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» aufgewachsen! (lacht)
Was hat Sie zuletzt begeistert?
«Lykkeland» (State Of Happiness), eine Serie, die in einer norwegischen Küstenstadt am Anfang des Erdölbooms angesiedelt ist und von einer jungen Frau handelt, die sich plötzlich inmitten politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verstrickungen befindet.
Ziehen Sie sich solche Serien am Stück rein?
Nein, ich «binge» nicht. Ich schaue sie gerne häppchenweise. Ausserdem liebe ich Podcasts. Dieser Boom ist verdient. Da gibt es wirklich coole Formate, ich mag das «Politbüro» von Tamedia. «The Daily» der New York Times und natürlich das «Echo der Zeit» – das höre ich jeden Abend.
Was verbindet Sie noch mit Bern?
Ich bin zwar seit zwölf Jahren in Zürich zu Hause und mein Leben spielt sich vor allem hier ab, aber ich fahre fast jede Woche nach Bern, um meine Familie oder Freunde und Freundinnen zu besuchen. Eben erst waren wir mit unseren Kindern auf dem Gurten.
Reinhold Hönle
Franziska Ramser wurde am 5. September 1980 in Bern geboren. Nach dem Lehrerinnenseminar studierte sie Germanistik und Geschichte. Daneben schrieb sie bereits für den «Bund». Nach zwei Jahren als Korrespondentin und Studentin in Berlin kehrte sie in die Schweiz zurück, schloss ihr Studium in Bern ab und zog mit ihrem Partner, mit dem sie zwei Kinder hat, nach Zürich. Aus einem Stage wurde eine Festanstellung beim SRF als Redaktorin bei der «Tagesschau», «10 vor 10» und der «Rundschau». Seit einem halben Jahr moderiert sie das Politmagazin alternierend mit Gion-Duri Vincenz.