Der Berner Stargitarrist Zlatko Perica alias Slädu (54), der mit Gölä Schweizer Musikgeschichte schrieb, zeigt mit seiner hitverdächtigen Single «Hie bi üs», dass er auch singen kann.
Slädu, wie ist Ihre Single «Hie bi üs» zu verstehen, als Liebeserklärung ans Berner Oberland oder als Kampfansage an andere Heimathymnen-Schreiber wie Span, Gölä und Trauffer?
(Lacht) Um Gottes willen! Eine Kampfansage ist es definitiv nicht. Für mich ist es eine natürliche Entwicklung, dass ich den Schritt wage, erstmals nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Sänger aufzutreten. Der Moment mit diesem Mundart Song jetzt zu erscheinen war für mich ideal, da meine Stimme nach mehreren Jahren singen im Studio den perfekten Song dafür gefunden hatte.
Sie haben auch schon mit DJ Bobo, Bligg und Luca Hänni zusammengearbeitet und wissen, wie man Hits macht. Ist der Song nun mehr Emotion oder mehr Kalkül?
Er ist sicher aus echter Begeisterung über die Schönheit des Oberlands und aus den Gefühlen für meine Frau, die ich dort kennenlernte, entstanden. Das war 2009, als ich noch wegen der vorherigen Zusammenarbeit mit Gölä dort lebte. Danach lag das Lied lange in meiner Schublade, bevor ich es wiederentdeckte und dachte: Was habe ich denn zu verlieren, wenn ich selbst singe?
Wie würden Sie Ihre Stimme beschreiben, wenn Sie nicht Ihnen selbst gehören würde?
Das habe ich mich auch schon gefragt … (Lacht) Sie klingt auf jeden Fall anders und besser als vor fünf Jahren, als ich zu singen begann. Sonst hätte ich den Song sicher nicht veröffentlicht. Ich musste meine Stimme, die ja auch ein Muskel ist, so trainieren, dass ich mich mit «Hie bi üs» in ein Radiostudio trauen und dort akustisch performen kann.
Ermunterte Sie Ihr Umfeld selbst zu singen?
Ja, aber ausschlaggebend war Philipp Fankhauser, der mich hörte, als wir für mein erstes Soloalbum den Song «Loosen Up» schrieben. Er sagte zu mir: «Slädu, jetz muesch afo singe!»
Wie unterscheidet sich für Sie das Singen vom Gitarre spielen?
Das sind ganz andere Welten. Seitdem ich 14 Jahre alt bin, habe ich meine Idole wie Frank Zappa, Steve Vai und Van Halen nachgeahmt und in meinem Gitarrenspiel nach Perfektion gestrebt. Beim Singen ist Persönlichkeit wichtiger als Perfektion. Das sieht man auch bei anderen Künstlern. Auch Bob Dylan oder Dave Grohl hätten bei American Idol keine Chance.
Was macht ein gutes Gitarrensolo aus?
Ich habe es immer als Song im Song angeschaut und sogar Tonartwechsel eingebaut. Das erzeugt zusätzlich Spannung. Megawatt-Gitarrist Marco Gassner verriet mir kürzlich, dass er meine Soli und Intros auf Liedern wie «Wildi Ross», «Keini Träne meh» und «Blöder ta» als Inspiration nahm, weil sie eine Aussage haben und nicht nur Blues Licks aneinanderreihen. Das hat mich enorm gefreut, denn ich möchte Emotionen wecken. Wissen Sie übrigens, weshalb es auf «Uf u dervo» so viele Soli hatte?
Nein. Ich weiss nur, dass das Album völlig neu arrangiert wurde, als Sie nach Ihrer USA-Tournee mit Tangerine Dream zur Band von Gölä stiessen.
Der Grund, weshalb ich darauf fast überall Soli spiele ist – und das ist kein Witz! – dass seine Texte zu kurz waren, weil er keine Bridge oder C-Parts schrieb. Es war also fast ein Unfall, der mir half, mich als Gitarrist zu etablieren! (Lacht)
Wie erklären Sie sich, dass Gölä vor 25 Jahren Musikgeschichte schrieb?
Der Erfolg hat nichts mit Marketing-Strategien zu tun. Es gab noch keine Handys und Social Media. Wir haben einfach den Zeitgeist getroffen.
Wann merkten Sie das?
Schon nach einem der ersten Konzerte, im «Kemmeriboden-Bad» in Schangnau, entwickelte sich eine Eigendynamik. «Keini Träne mehr» kletterte in der Hitparade immer höher. Wichtige Radios spielten den Song zuerst nicht, weil sie ihn nicht cool fanden, mussten sich jedoch am Ende den Hörerwünschen beugen. In den folgenden fünf Jahren mit den ersten drei Gölä-Studioalben, fünffach Platin und World Music Award für «Uf u dervo» sowie Livealbum und DVD vom Hallenstadion-Konzert haben wir dann alle Rekorde gebrochen. Es war verrückt!
«Hie bi üs» hat Sie zurück ins Oberland geführt. Wie kam es, dass der Song im Juni am Swiss Economic Forum Live-Premiere hatte?
Reto Bertschi von Swiss Drone Show fragte mich an, ob ich ihm Musik zur Untermalung seiner Show am SEC liefern könnte. Als er das Lied hörte, war er begeistert. Weil es ideal zum Veranstaltungsort passte, konnte ich es zusätzlich bei der Eröffnung des Forums singen, mit Ogi und Berset in der ersten Reihe!
Sie haben auch deshalb dorthin gepasst, weil Sie selbst unternehmerisch tätig sind. Womit sind Sie aktuell beschäftigt?
Ich bringe seit zwei Jahren mein Netzwerk bei der Web-Plattform Eventfrog ein, die es Veranstaltern auch im kleineren und mittleren Segment ermöglicht, zu für sie erschwinglichen Konditionen Tickets zu verkaufen und mit ihren Anlässen kostenlos in der grössten Eventagenda der Schweiz sichtbar zu werden. Ausserdem habe ich gemeinsam mit dem deutschen Hersteller Lakewood eine akustische Gitarre entwickelt, die meine Signatur trägt und vor einer Woche am Guitar Fest in Burdorf vorgestellt wurde.
Was macht Ihre Frau beruflich?
Ann hat vor zwei Jahren im Zürcher Seefeld einen Juwelierladen eröffnet, wo sie ihre eigene Schmuckkollektion verkauft und auf Wunsch individuell designt. Seither pendelt sie täglich zwischen unserem Zuhause in Bern und Zürich. Hier kriegt uns so leicht keiner weg!
Reinhold Hönle
PERSÖNLICH
Slädu wurde am 16. Februar 1969 als Zlatko Perica in Kroatien geboren und kam als Sechsjähriger mit seiner Mutter nach Bern, wo er in der Länggasse aufwuchs. Danach studierte am Guitar Institute Of Technology in Los Angeles und hatte als Instrumentalist, Produzent und Arrangeur wesentlichen Anteil daran, dass Gölä 1998 mit «Uf u dervo», den folgenden Alben und Konzerten Rekorde purzeln liess. Später wurde Slädu musikalischer Direktor der Livebands von Bligg und Luca Hänni. Sein Ohrwurm «Hie bi üs» zeigt jetzt, dass er nicht nur eine der besten Schweizer Gitarristen ist, sondern auch ein guter Sänger.