Der Berner Stefan Kurt spielt in der vierten Verfilmung von Martin Suters «Allmen»-Krimis den Gegenspieler der Titelfigur. Die Geschichte spielt in Zürich. Zu den beiden Städten hat Kurt ambivalente Gefühle.
Was können Sie uns über Ihre Rolle verraten?
Ich spiele Cognatus Reimund, den Vormund der geheimnisvollen Jasmin, einer schönen jungen Frau, der von Allmen bei einer Kunstauktion zu imponieren versucht. Mehr möchte ich nicht verraten…
Wie verliefen die Dreharbeiten?
Sie werden staunen, wenn Sie die Innenaufnahmen sehen. Die Räume sind so üppig und prunkvoll, wie sie das calvinistische Zürich gar nicht hergeben würde. Die Innenaufnahmen wurden aus Kostengründen in Prag gedreht. Kurz bevor der Tross für die abschliessenden Aussendrehs nach Zürich fliegen sollte, verschärfte sich Corona-Situation in Tschechien. Eine Einreise in die Schweiz war nicht mehr möglich, ohne in Quarantäne zu gehen – und diese wäre produktionstechnisch nicht machbar gewesen.
Wie stark waren Sie davon betroffen?
Als mein morgendlicher Corona-Test am letzten Tag plötzlich positiv ausfiel, war ich geschockt, denn ich hatte – ausser beim Drehen – immer eine Maske getragen. Ich bestand darauf, vor dem Rückflug nochmals getestet zu werden. Und tatsächlich: Es handelte sich um einen falschen Alarm. Das war zwar erfreulich, doch konnten zwei Szenen nicht mehr nachgedreht worden. Regisseur Thomas Berger sagte dazu: «Es ist, wie es ist. Wir können es ist nicht ändern und müssen es irgendwie hinkriegen.» Ich bin gespannt, wie es gelungen ist und hoffe, dass die Geschichte nicht darunter leidet. Meine Rolle war jedenfalls etwas grösser angelegt.
Immerhin bringen viele Drohnenaufnahmen von Zürich die Schönheit der Stadt herüber …
Bei der Szene mit Heino Ferch, in welcher im Hintergrund der Zürichsee zu sehen ist, hat man sich auch damit beholfen, dass sie vor einem Greenscreen gedreht wurde.
Sie haben schon in der der Verfil-mung von «Der letzte Weynfeldt» eine Hauptrolle gespielt und das Hörbuch «Alles im Griff» gelesen. Haben Sie eine besondere Beziehung zum Werk von Martin Suter und zu seiner Person?
Ich finde ihn sehr sympathisch. Wir sind uns schon ab und zu bei einer Veranstaltung begegnet. Ich habe seinen Humor wahnsinnig gern und mag solche Florett-Dialoge wie zwischen Allmen und Reimund. Sie sind in der Film- und Fernsehlandschaft rar und für mich ein grosser Genuss.
Was hat Sie in Ihrer Jugend in Bern für die Schauspielerei begeistert?
Wir haben in der Schule im Gäbelbach ein Märli aufgeführt. Ich glaube, es war «Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen». Musik und Theater haben mich wahnsinnig fasziniert. Da man mir mit 16 an der heutigen Hochschule der Künste sagte, dass ich zuerst einen anderen Beruf lernen sollte, wurde ich Lehrer, was meine Eltern auch sehr gut fanden… (lacht)
Und Sie?
Ich habe es nicht bereut. Ich kann es gut mit Kindern und bekam eine gute Allgemeinbildung. Dann hatte ich in Trimstein, auf dem Land, eine Klasse mit 20 Schülern der 6. bis 9. Klasse im Parallelunterricht. Das war ganz schön fordernd! Nach einem halben Jahr konnte ich aber auf die Schauspielschule wechseln, deren Aufnahmeprüfung ich in der Zwischenzeit bestanden hatte.
Wie hat Sie die Hochschule der Künste geprägt?
Ich erhielt eine sehr vielfältige Ausbildung, bei der die Fächerpalette von Akrobatik, Fechten und Pantomime bis zu Singen, szenischem Studium und Theorie reichte. Das Beste waren die ganz unterschiedlichen Lehrer: Paul Roland, Norbert Klassen, Hans Gaugler. Als uns der bekannte Schauspieler Gedichte aufsagen liess, kamen einige von uns nicht über den Titel hinaus, da er ihnen zuerst einmal beibringen musste, wie man richtig auf der Bühne steht und den Titel spricht. (schmunzelt)
Wie haben Sie den Sprung ans Hamburger Thalia Theater geschafft, wo Sie 1987 mit dem Boy-Gobert-Preis ausgezeichnet wurden und den Durchbruch schafften?
Unsere Schauspielklasse hatte das Glück, dass der Assistent von Star-Regisseur Claus Peymann auf dem Weg in sein Tessiner Ferienhäuschen bei unserer Abschlussproduktion einen Zwischenhalt einlegte und danach drei uns von zum Vorsprechen ans Schauspielhaus Bochum einlud. Normalweise interessierte sich dort niemand für das, was in Bern passierte, aber wir bekamen zu unserem Erstaunen eine Audienz auf dem Theater-Olymp. Ich bekam einen Teil-Spielzeitvertrag und wechselte dann mit Jürgen Flimm nach Hamburg, wo ich neun Jahre blieb.
Mit «Der Schattenmann» gelang Ihnen auch im Fernsehen auf Anhieb der Durchbruch.
Das hat mich auch überrascht. Ich hatte am Thalia gekündigt. Ich spielte dort grosse und spannende Rollen, aber daneben war keine Zeit zum Drehen. Ich stellte mich darauf ein, im Film mit zwei, drei Drehtagen klein anzufangen. Dann meldete sich jedoch Dieter Wedel, der einen No-Name suchte, den das Fernsehpublikum noch nicht kannte.
Und Sie mussten für diese Rolle nicht einmal vorsprechen?
Doch, zwei-, dreimal. Dann hat Wedel mit dem grossen Mario Adorf und mir ein paar Tage geprobt und die Friedhofsszene gedreht. Dann war ich engagiert. Wahnsinn, wenn auch anfangs eine riesige Überforderung. Ich war in den neun Monaten, die wir für den Fünfteiler damals noch drehen konnten, voll eingespannt, aber ich habe in dieser Zeit viel gelernt und es war ein genialer Einstieg in die Filmwelt.
Haben Sie auch einmal in Bern gedreht?
Ja, eine meiner ersten TV-Rollen überhaupt habe ich 1993 in einem Berner «Tatort» mit László Kish als Kommissar gespielt. Zuvor hatte ich mit Freunden im legendären Super- 8-Spielfilm «Dr Tscharniblues» mitgewirkt sowie in «Tscharniblues II», dem Eröffnungsfilm der Solothurner Filmtage 2020. Aaron Nick zeigt in den Interviews mit den alten Freunden und mir, was 40 Jahre später aus uns und unseren Idealen geworden ist.
Sie haben neben dem Film immer wieder Theater gespielt, anfangs der 2000er-Jahre sogar regelmässig in Zürich. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Sehr schöne! Bei den Stücken am Schauspielhaus habe ich mit Christoph Marthaler und Barbara Frey gearbeitet. Tolle Produktionen, wegen denen ich länger in Zürich lebte und die Stadt neu kennenlernte. Da ich inzwischen in Berlin lebte, wusste ich plötzlich zu schätzen, wie paradiesisch eine kleinräumige Stadt mit einem gut ausgebauten Tramnetz ist. Wenn ich bei uns von Schöneberg nach Mitte will, brauche ich eine Stunde!
Ich habe gelesen, Sie und Ihr Mann überlegen sich, in der Schweiz Zweitwohnsitz zu nehmen. Was würden Sie vorziehen, Bern oder Zürich?
Mich zieht es mehr nach Zürich. Ich liebe Bern, es ist meine Heimatstadt, aber sie ist ein bisschen zu behäbig. Jedenfalls für meinen Mann. Zürich ist eine Art «Best of Bern und Berlin». Urban, aber sauber, mit einer hohen Lebensqualität, von der Kultur bis zur Natur. Ich könnte wieder meine Sprache reden. Wenn man aber essen geht oder sich die Mietpreise anschaut, stellt sich nur die Frage: Kann ich mir das leisten? (lacht)
Reinhold Hönle