Noch bis 29. Januar bringt das Theaterkollektiv «BoulevART» den französischen Komödienklassiker in einer Neufassung auf die Bühne, die Gäste der Doppelpremiere an Silvester zeigten sich begeistert.
Die zwei Startaufführungen zum Silvester fanden vor ausverkaufter Bühne statt, das 1967 gegründete Berner Traditions- und Boulevard-Theater am Käfigturm traf damit die Erwartungen des städtischen Publikums und sprichwörtlich ins Schwarze. Denn nicht nur ist «Boeing Boeing» ein Superkracher des klassischen Bühnen-Schwanks beziehungsweise der aberwitzigen Situationskomik! In der einzigartigen Berner Fassung steht das Stück auch sinnbildlich für die Zeit nach #Metoo: Mann und Frau haben in diesem Werk die Rollen gewechselt. Doch erst mal der Reihe nach.
Die Handlung: Beziehungsverwirrungen non-stop
«Boeing Boeing» basiert auf einer Reihe von Verwirrungen und witzigen Wendungen, die sich aus den komplizierten Beziehungen zwischen Frauen und Männern so ergeben. Im Original ist ein in Paris lebender schwer reicher amerikanischer Journalist, Bernard, gleichzeitig mit drei Stewardessen grosser Airlines verlobt. Das geht so lange gut, bis es zu Terminkollisionen und einem entsprechenden Chaos kommt. In der Berner Bühnenfassung von Simon Sebastian Burkhalter und Co-Regisseurin Linda Trachsel ist es nun die etwa 30-jährige beim Mami lebende ewige Studentin und moderne Singlefrau Marion, die mit drei Piloten – Joe aus Amerika, Jacques aus Frankreich und Julian aus Deutschland – ein Dreifachleben führt. Anfänglich balanciert Marion gekonnt zwischen den Verlobten, die förmlich nach Flugplan durch ihr Leben fliegen. Doch wie es auch im echten Leben so ist: Flugpläne sind nicht in Stein gemeisselt und dummerweise geraten Marions Liebes- und Flugpläne durch ein Unwetter durcheinander – ihr scheinbar perfektes System gerät ins Wanken. Da sind Marion, ihre Mutter Erika und die Freundin Martina gefordert, um das totale Grounding des Liebes-Systems zu vermeiden.
Die Frauen sind die Tempomacher: Marion, gespielt von der Musicaldarstellerin Anina Rosa, Freundin Martina, dargestellt von Sarina Wälti und Danièle Themis in der Rolle von Mutter Erika. Die Piloten Joe, Jacques und Julian werden alle vom Co-Regisseur Simon Sebastian Burkhalter gespielt. Alle vier Protagonisten liefern eine perfekte Performance ab, an den Premierenvorführungen an Silvester konnten das Ensemble und die Co-Regisseurin sowie auch Co-Leiterin des Theaters am Käfigturm Linda Trachsel einen begeisterten, ja frenetischen Applaus ernten.
Ist der Rollentausch eine politische Konsequenz?
Dazu Neuverfasser – den Meisten bekannt als Mitinitiant der Berner Sommeroperette sowie als künstlerischer Leiter der Freilichtspiele Moosegg – Simon Sebastian Burkhalter: «Nein, wir sind nicht der aktuellen Woke-Hysterie verfallen. Unser Motiv ist es, eine maximale Spannung aufzubauen, und das geht am besten, wenn wir aus der Stereotypie der längst veralteten Frau-Mann-Rollen ausbrechen und die heutige Wirklichkeit darstellen. Abgesehen davon entsteht dadurch ein guter, erfrischender Humor. Denn nun sind Frauen nicht mehr die hilflosen Geschöpfe, sondern, in Anführungszeichen, die Macker. Während gleichzeitig die drei Geliebten respektive Piloten, quasi Könige der Lüfte, die Manipulierten und Fremdbestimmten sind. Dabei wurde alles mental und lokal auf «Bärn» zugschnitten, auch starten und landen Joe, Jacques und Julian im Belpmoos. So präsentiert sich im Theater am Käfigturm ein urbernischer Schwank mit einer grenzenlosen Menge an Situationskomik und eine grosse Herausforderung an die Lachmuskeln der Besucherinnen und Besucher.
Ein brillantes Ensemble
Die Darstellerinnen und der Darsteller liefern ein grossartiges Spektakel ab, was im Theater am Käfigturm durch die Nähe von Bühne und Publikum noch zusätzlichen Auftrieb erhält. Dabei machen während des Stücks alle Frauen einen Wandel durch, etwa die anfänglich zurückhaltende, etwas naive Martina (Sarina Wälti), vormals eine Nonne, die sich, je länger je mehr der Lebenslust zuneigt. Einen Wandel anderer Art liefert Simon Sebastian Burkhalter ab: Nicht nur hüpft er ununterbrochen von Uniform zu Uniform, er wechselt auch meisterhaft zwischen den drei von ihm gespielten Charakteren ab. Das Ganze wird durch ein von der Schule für Gestaltung entworfenes Bühnenbild, starke Farben bei den Kostümen noch zusätzlich aufgeladen.
Noch sechs Vorstellungen
«Boeing Boeing» wird bis Ende Monats noch sechs Mal aufgeführt, am FR/SA/SO 13./14./15., am DO 19. und SA/SO 28./29. Januar, jeweils um 20 Uhr, an Sonntagen um 19 Uhr. Lahor Jakrlin