Käthi Steuri ist eine der wenigen Frauen, die professionell Kontrabass spielen. Im Gespräch erzählt sie, warum sie mit ihrem Instrument fest auf dem Boden steht und wie die Berner Seefestspiele Schwung in ihr Quartier bringen.
Berner Seefestspiele? Gibt es in der Aare-Stadt überhaupt einen nennenswerten Tümpel? Mit dieser Irritation spielt das letztes Jahr von OlivierDarbellay, Lilian Grindat, Colette Kappes und Matthias Kuratli ins Leben gerufene Festival unter dem Motto «Vom See bis Klee», welches dieses Jahr in die zweite Runde geht. Der BärnerBär trifft eine involvierte Musikerin und Bewohnerin des Obstberg-Quartiers. Käthi Steuri ist in ihrer Funktion als Kontrabassistin eine Seltenheit. Das Instrument liegt immer noch mehrheitlich in Männerhand. «Mein Vater war Lehrer und Organist und leitete das Schul- orchester», so Steuri. Er brauchte noch jemanden für den Kontrabass und meinte, ich könnte das machen. «Bass, das ist doch nichts für ein Mädchen!», entsetzten sich ihre Tanten. Nichtsdestotrotz begann die damals Elfjährige, im Orchester den Ton anzugeben, und zwar im eigentlichen Sinne des Wortes. «Man kann mit diesem Instrument viel steuern und übernimmt die Rolle des Fundaments», so Steuri. Der Kontrabass sei so etwas wie der heimliche Dirigent.
Auch mit einer bestimmten Bodenhaftung bringt Steuri ihr Instrument in Verbindung. «Als Kontrabassistin bekommst du selten den Blumenstrauss am Ende eines Konzertes.» Diese Ehre werde eher anderen Solistinnen und Solisten zuteil. Sie selbst spielt häufig in kleineren Formationen, sogenannte Kammermusik. Seit dreissig Jahren ist Steuri Ensemble-Mitglied beim Orchester Camerata Bern. «Mir gefällt die grosse Bandbreite dort.» Sie spielt unter anderem Stücke von Johann Sebastian Bach und Béla Bartók. «Das Divertimento von Bartók ist ein Stück, das ich wahnsinnig gerne spiele.» Auch für Kontrabassist:innen gebe es Soli innerhalb einiger Stücke. «Berühmt ist etwa die erste Sinfonie von Gustav Mahler», so Steuri. An Bach fasziniert sie die Erhabenheit. «Ich bin nicht religiös, aber diese Musik geht über uns hinaus.»
Walzer im Garten
Um die Schöpfung geht es dieses Jahr auch bei den Berner Seefestspielen. Unter dem Programmkonzept «Ré-création» wird während dreier Tage rund um den Egelsee und an lauschigen Orten im Quartier Klassik und Jazz gespielt. Steuri war bereits bei der ersten Ausgabe mit von der Partie und wohnt selbst seit eineinhalb Jahren im Obstberg-Quartier. «Du bist nahe der Stadt und schnell draussen in der Natur», schwärmt sie. Letztes Jahr hatte die Café-Bar Riva noch nicht in ihrer heutigen Form bestanden. «Wir haben auf dem Platz eine Bühne aufgebaut und gespielt.» Dieses Jahr werde sie im Rahmen des Festivals in einem privaten Garten einen Walzer von Johann Strauss spielen. «Walzer braucht einen Beat.» Als Kontrabassistin sei sie dabei fast so etwas wie das Schlagzeug.
Entschuldigung im Geiste
Im Zentrum Paul Klee findet wie letztes Jahr das grosse Abschlusskonzert des Festivals statt. Gespielt wird «Das Lied von der Erde» von Gustav Mahler (1860-1911). Steuri sieht die Berner Seefestspiele als grosse Bereicherung für das Quartier. Tatsächlich kann man hier niederschwellig in den Genuss von Musik kommen. Die Konzerte, die draussen stattfinden, sind für alle, ganz bewusst auch für Zaungäste, die ein Solidaritäts-Bändeli kaufen können, gedacht. Steuri spielt ausschliesslich klassische Stücke. «Jazz würde ich auch gerne spielen, aber ich habe zu viel Respekt davor, es ist ein ganz anderes Genre.» Respekt musste sie sich als Frau am Kontrabass erarbeiten. In den Achtzigerjahren lehnte sie ein Orchester ab. Ihr kam die Begründung später zu Ohren: «Keine Weiber im Register.» Heute sei das Instrument mehr verbreitet, auch Kinder spielten schon auf Mini-Instrumenten.
Steuri, die während vieler Jahre an verschiedenen Musikschulen als Lehrerin tätig war, findet es wichtig, dass Kinder ein Instrument spielen. «Man lernt dabeizubleiben und versteht, dass Üben ein Prozess ist.» Wie war sie selbst als Lehrerin? Sie habe immer viel zu viel von den Lernenden verlangt. «Manchmal entschuldige ich mich bei ihnen im Geiste», meint sie augenzwinkernd.
Helen Lagger
PERSÖNLICH
Käthi Steuri wurde am 26.10.1961 in Belp geboren. Sie hat am Konservatorium in Bern und in Genf Musik studiert. Seit dreissig Jahren ist sie festes Ensemble-Mitglied beim Orchester Camerata Bern. Steuri wohnt im Obstberg-Quartier und ist Mutter dreier erwachsener Kinder.