Frantiček Klossner war einer der ersten Schweizer Künstler, der sich dem Medium Video zuwandte und mit raumgreifenden Installationen für Furore sorgte. Aktuell präsentiert er im Aargauer Kunsthaus seinen schmelzenden Körper aus Eis.
Es tropft und tropft. Denn im Aargauer Kunsthaus hängt an einem Haken ein Torso aus Eis, der schmilzt. In einer grossen Übersichtsausstellung präsentiert das Museum Schweizer Skulptur seit 1945 bis in die Gegenwart. Darunter auch die gefrorenen Selbstporträts des Berner Künstlers Frantiček Klossner. Die Eiskristalle auf seiner Skulptur schimmern in Lila und Schwarz. «Ich schmelze, also bin ich», hat er auf Facebook sein eigenes Werk ironisch kommentiert. «Es dauert ungefähr eine Woche, bis ich mich aufgelöst habe, aber auch die kleinsten restlichen Eisklumpen sind noch abstrakte Selbstporträts», sagt er bei einem Rundgang durch die Schau. Die Werkreihe «Melting Selves» entstand in den 80er-Jahren. «Das Thema der Vergänglichkeit drängte sich in meiner Kunst auf. Während der Aids-Pandemie verloren viele meiner Freunde ihr Leben. Seither führe ich die Werkreihe stetig fort, wie ein beschwörendes Ritual zum Leben und zum Sterben.»
Wasser als Bildträger
Klossner gehört zu den Videokünstlern der ersten Stunde. In seinen Werken nutzt er die Möglichkeiten der Videotechnik gerne in Verbindung mit dem Element Wasser. «Alles ist im Werden, die unaufhörliche Bewegung fasziniert mich.» Seine Installation «Das laufende Bild» vor der Berner Kunsthalle, bestehend aus einer riesigen Monitorwand aus Eis, sorgte 1988 für grosse mediale Aufmerksamkeit. Die «Neuen Medien» waren gerade im Kommen und nahmen die kommende Digitalisierung vorweg. Ein weiteres prägnantes Markenzeichen von Klossners Kunst sind Videoprojektionen auf dreidimensionale Objekte. So hauchte der Künstler etwa in der preisgekrönten Ausstellung «Facing History» in der Antikensammlung der Universität Bern griechischen und römischen Skulpturen mit Videoaufnahmen von Schauspielerinnen und Schauspielern neues Leben ein. Klossners Arbeiten sind sinnlich und häufig auch sehr farbinten FRANTIČEK KLOSSNER Der Künstler, der das Eis zum Schmelzen bringt siv. So entfachte er im Stadttheater Bern eine regelrechte Farborgie, als er 2007 für das Berner Ballett zwei Choreografien entwickelte und dazu auch die Bühnenbilder schuf.
Die Migranten nannten ihn Frantiček
Um sich das Kunststudium in den 80er-Jahren zu finanzieren, arbeitete Klossner auf seinem früheren Beruf als Psychiatriepfleger in der Berner Klinik Waldau. Die Erfahrungen aus dieser Zeit fliessen momentan in ein Bildungsprojekt mit angehenden Pflegefachkräften im Kanton Waadt ein. Studierende der Hochschule für Gesundheitsberufe realisieren künstlerische Werke, ausgehend von ihren existentiellen Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie. Das Musée de la main UNIL-CHUV Lausanne zeigt die Werke ab dem 7. September in einer grossen Sonderausstellung «Art et Soins». Die Lehrtätigkeit gehört für Klossner zu seiner Kunst. In den 90ern unterrichtete er an der F+F Kunstschule in Zürich, seit 2006 ist er an der Hochschule der Künste Bern HKB tätig. «Ich unterstütze gerne junge Leute auf ihrem Weg der Selbstfindung und ermutige sie, zu sich selbst zu stehen und herauszufinden, wie sie leben wollen. Das hat wohl mit meiner eigenen Biografie zu tun.» Klossner wuchs im Emmental auf, an einem Ort, den er als engstirnig empfand. Er war noch ein Kind, als tschechische Flüchtlinge in sein Dorf kamen. «Die fremde Sprache hat mich sofort fasziniert.» Als die Migranten ihn «Frantiček» nannten, beschloss er, diesen Namen beizubehalten. Seither wurde viel über die Herkunft des Künstlers spekuliert. «Ich hatte mir eine neue Identität zugelegt. Ich wurde als Künstler wiedergeboren.»
Helen Lagger