Jonathan Loosli ist aktuell in der SRF-Serie Wilder als gestresster Vater und Sohn zu sehen. In Shakespeares «Ein Sommernachtstraum» spielt er einen Regisseur.
In den Vidmarhallen machen sich Techniker an einem Baldachin, der aus einem grünen Geflecht besteht, zu schaffen. Das Gebilde soll einen Wald darstellen und ist Teil der Bühne für William Shakespeares «Ein Sommernachtstraum». Am Dienstagabend ist Premiere. Der Berner Schauspieler Jonathan Loosli spielt im Stück einen Regisseur, der in einer klassischen Theater-im-Theater-Situation auftritt und verrät: «Wir stehen als Band auf der Bühne.»
Für seine Rolle erlernte er kurzerhand das Tubaspielen. Heutig kommt dieser Shakespeare daher und Loosli weiss: «Das wird wohl nicht allen gefallen.» Er selbst gehört zu jener Sorte von Schauspielern, die aus jeder Rolle und Mission etwas machen kann. «Ich suche mir eine Aufgabe und nehme etwas heraus, das mich interessiert.» Der klassische Hauptdarsteller, mit dem sich das Publikum identifizieren kann, ist Loosli nicht. Vielmehr liegt ihm das Bodenständige und Körperbetonte, was schon dazu führte, dass man ihn in der Presse als Volksschauspieler bezeichnete. «Das stört mich nicht.»
Seine Spiellust entdeckte Loosli im Gymnasium Lerbermatt, wo er sich für den Schwerpunkt «Mathematik» entschieden hatte. «Alle rechneten ständig mit dem Taschenrechner ihren Notendurchschnitt aus», erinnert er sich an diese für ihn eher schwierige Zeit. Wie eine Mastgans, die mit Wissen gefüttert wird, kam er sich vor.
Auf der Bühne eine Cervelat
Als Gegenprogramm für alle musisch Interessierten gab es eine Theatergruppe. «Es fühlte sich an wie eine Oase», so Loosli. Dort lernte er Dominique Jann kennen, mit dem er später das Theaterkollektiv Vorort gründete. Bereits als Gymnasiast konnte Loosli auch aus einer kleinen Rolle etwas Grosses machen. So spielte er etwa in Ödon von Horváths «Geschichten aus dem Wienerwald» einen Metzger und verzehrte dabei auf der Bühne genussvoll eine Cervelat. «So konnte ich ein Glanzlicht setzen.» Dominique Jann, den man aus Filmen wie «Die Standesbeamtin» oder Serien wie «Der Bestatter» kennt, ermutigte Loosli, Schauspieler zu werden. «Er schleifte mich mit.»
Als Loosli an der Schauspielschule in Zürich in die zweite Runde kam, leckte er Blut. Schliesslich entschied er sich für die Universität der Künste in Berlin. «Es gab viele Crossover-Produktionen», erinnert er sich an die fünf aufregenden Jahre in der deutschen Hauptstadt und erinnert sich an ein gemeinsames Projekt mit Architekten und die vielen Möglichkeiten, in Kurzfilmen zu spielen.» Heute ist Loosli sowohl in Film, Fernsehen und immer wieder live auf der Bühne zu sehen. «Wenn du Theater spielst, musst du in der Lage sein, deine Darstellung zu vergrössern und Dinge zu übertreiben.» Im Film sei es umgekehrt. «Die Kamera nimmt jede Empfindung, die du spielst, auf. Man muss deshalb eher die leisen Töne beherrschen.» Loosli liebt genau diesen Kontrast.
Rosa Wilders erste Liebe
Aktuell ist Loosli in der SRF-Serie «Wilder» als Dani Räber zu sehen. In der vierten Staffel kehrt Kommissarin Rosa Wilder (Sarah Spale) in ihr Heimatdorf zurück. «Ich spiele Rosas erste Liebe», so Loosli. Rosa hat Dani lange Zeit verschwiegen, dass er der Vater ihres Sohnes ist. In Staffel vier ist Dani auf dem Laufenden.
Dass Loosli selbst Vater zweier Kinder ist, hat ihm für diese Rolle geholfen. Nur positiv ist die Serienfigur allerdings nicht. «Dani ist ein Anpasser, der es allen recht machen will», beschreibt Loosli seinen Part, der zwischen den Fronten steht. «Sein Vater hält ihn klein, will ihm die Firma nicht anvertrauen.»
Loosli ist beeindruckt von Regisseur Claudio Fäh und seinen Methoden. «Er befragte uns als Figuren, wollte unsere Sicht auf die Geschichte erfahren.» Loosli selbst führte bei verschiedenen Stücken Regie, etwa beim Weihnachtsmärchen «Krabat» (2017), das die Band Kummerbuben auf die Bühne des Stadttheaters brachte. «Seither sind die Sorgen von Regisseurinnen und Regisseuren für mich viel nachvollziehbarer.» Der Regisseur als Tyrann sei zum Glück Geschichte. «Die neue Generation räumt radikal mit verstaubten, patriarchalischen Klischees auf.» Ob beim Spielen oder Regie führen: Loosli geht es immer darum, gute Geschichten zu erzählen.
Wichtig ist ihm auch die Vermittlung von Theater. Während 10 Jahren betätigte er sich als Veranstalter der Partyreihe «Spiel mit uns», die Scharen von jungen Menschen in die Vidmarhallen lockte. «Es gab immer ein Thema und viel Interaktives», erzählt Loosli. Den Vorwurf, die Partygänger kämen bloss zum Feiern und gingen dadurch nicht mehr ins Theater, lässt er nicht gelten. «Wenn Leute im Foyer tanzen, ist doch das Ziel bereits erreicht.» Für Loosli gehört das Theater den Menschen und sollte nichts Elitäres sein. «Corona hat mich zwar wie alle anderen auch gebremst, aber das Party-Gen hat mich noch nicht ganz verlassen», verspricht er. Etwas Neues sei bereits in Planung.
Mehr als siebzig Mal der Goalie
Schauspieler, Regisseur und Partymacher – Looslis Rollen sind sowohl im Leben wie auf der Bühne sehr vielfältig. In dem auf Tom Kummers Roman basierenden Stück «Von schlechten Eltern» spielt er aktuell eines der drei Alter Egos der Hauptfigur. Als «Dystopischen Roadmovie» bezeichnet er das Stück.
Die todessehnsüchtige Figur aus dem Roman ist am Trauern. Antihelden liegen Loosli. Seine Paraderolle erhielt er 2012, als er erstmals im Einmannstück «Der Goalie bin ig» den Part des im Rückblick auf sein Leben schauenden Goalies übernahm. Überrascht war er, als er begriff, dass die damalige Dramaturgin Karla Mäder ihn für die Rolle castete. Von Pedro Lenz, auf dessen gleichnamigen Roman das Stück basiert, war Loosli schon lange ein Fan. Mittlerweile hat er den Goalie mehr als siebzig Mal verkörpert.
Gespielt wird das Stück nur im Winter. Das liegt daran, dass die Schneemänner, die mit Loosli auf der Bühne stehen, aus einem Abrieb von Eisbahnen entstehen. «Bei einem Einpersonenstück fühlst du dich wie ein Hamster im Rad, der sich abstrampelt», meint Loosli über die grosse Herausforderung, die ihm noch lange nicht verleidet ist. «Man sieht im gleichen Text immer wieder neue Aspekte.» Auch das Lampenfieber packe ihn jedes Mal aufs Neue. «Diesen Adrenalin-Kick brauchst du als Schauspieler», ist er überzeugt.
Im «Sommernachtstraum» wird er am Dienstagabend als Regisseur – bei Shakespeare ist von Handwerkern die Rede – für die Obrigkeit eine Hochzeit ausrichten. Mit seiner Tuba bewaffnet will Loosli beweisen, dass er von Tuten und Blasen eine Ahnung hat und einmal mehr aus einem Nebenschauplatz ein denkwürdiges Ereignis machen kann.
Helen Lagger
In folgenden Produktionen ist Jonathan Loosli aktuell zu sehen:
SRF1/Play Suisse: «Wilder», Staffel 4
Theater: «Von schlechten Eltern», Tom Kummer
Nächste Vorstellungen: 23.1., 19.2., 25.2., Vidmar 1
«The talented Mr Ripley», Patricia Highsmith, Vorstellungen: 30.1., 21.3.
Tresorplatz vidmar. «Ein Sommernachtstraum», Shakespeare
Vorstellungen 29.1., 15.2., 24.2.