Die Wahlbernerin Brigitte Lustenberger beschäftigt sich in ihrer fotografischen Arbeit mit dem weiblichen Körper, dem männlichen Blick darauf und der Schönheit, die sie in der Fragilität des Daseins findet.
«Es ist gerade recht unordentlich hier», entschuldigt sich Brigitte Lustenberger. Sie meint das schaurig-schöne Chaos in ihrem Atelier in einer Bümplizer Industriezone. Getrocknete Blumen, aufgespiesste Käfer, Tierschädel, Bücher über Fotografie und natürlich eine Kamera bilden das Universum der gebürtigen Zürcher Fotografin, die seit 27 Jahren in Bern lebt. Bereits während ihres Geschichtsstudium hat sie sich vor allem für Fotografie interessiert. «Ich wollte Krisenreporterin werden und habe meinen Master über das Reporter-Paar Robert Capa und Gerda Taro geschrieben.» An den beiden faszinierte sie deren gleichberechtigten Kampf gegen den Faschismus während des spanischen Bürgerkrieges. Lustenbergers eigene erste Aufnahmen entstanden bereits am Gymnasium. «Uns stand eine Dunkelkammer zur Verfügung, die ich rege nutzte.» Als Modell diente ihr häufig ihre ältere Schwester. Die krassen Hell-Dunkel-Kontraste, die für das nötige Drama in ihren Arbeiten sorgen, gab es bereits in ihrem Frühwerk. «Ich bin ein typisches Kind der Siebzigerjahre und mit schwarzweissenDie Wahlbernerin Brigitte Lustenberger beschäftigt sich in ihrer fotografischen Arbeit mit dem weiblichen Körper, dem männlichen Blick darauf und der Schönheit, die sie in der Fragilität des Daseins findet. «Es ist gerade recht unordentlich hier», entschuldigt sich Brigitte Lustenberger. Sie meint das schaurig-schöne Chaos in ihrem Atelier in einer Bümplizer Industriezone. Getrocknete Blumen, aufgespiesste Käfer, Tierschädel, Bücher über Fotografie und natürlich eine Kamera bilden das Universum der gebürtigen Zürcher Fotografin, die seit 27 Jahren in Bern lebt. Bereits während ihres Geschichtsstudium hat sie sich vor allem für Fotografie interessiert. «Ich wollte Krisenreporterin werden und habe meinen Master über das Reporter-Paar Robert Capa und Gerda Taro geschrieben.» An den beiden faszinierte sie deren gleichberechtigten Kampf gegen den Faschismus während des spanischen Bürgerkrieges. Lustenbergers eigene erste Aufnahmen entstanden bereits am Gymnasium. «Uns stand eine Dunkelkammer zur Verfügung, die ich rege nutzte.» Als Modell diente ihr häufig ihre ältere Schwester. Die krassen Hell-Dunkel-Kontraste, die für das nötige Drama in ihren Arbeiten sorgen, gab es bereits in ihrem Frühwerk. «Ich bin ein typisches Kind der Siebzigerjahre und mit schwarzweissen Hollywood-Filmen aufgewachsen.» Filme von Edgar Wallace oder Alfred Hitchcock brannten sich in ihr Gedächtnis. Nach einem Lehrgang bei der GAF (Autodidaktische FotografieAusbildung) unternahm Lustenberger Ende der Neunzigerjahre eine prägende Reise nach Indien. In Zusammenarbeit mit einer Hilfsorganisation sollte sie Strassenkinder porträtieren. Ein Fiasko. «Die Leute dachten, ich sei eine Ärztin, die komme, um die Kinder zu impfen.» Zu wenig habe man damals in der Sozialarbeit das herrschende Machtgefälle hinterfragt. Bei einer späteren Reise nach Kalkutta konnte sie auf Augenhöhe fotografieren und porträtierte und interviewte die unterschiedlichsten Menschen. Das daraus resultierende Projekt konnte sie in einer Einzelausstellung im Photoforum Pasquart präsentieren.
Erhabener Alterungsprozess
Nach Bern kam Lustenberger durch die Liebe. Sie ist mit Andreas Ryser, der unter anderem das Label «Mouthwatering Records» betreibt, liiert. 2008 kam der gemeinsame Sohn Marlon zur Welt. Nach der Geburt des Kindes begann sie, Blumen zu fotografieren. Das hatte anfangs pragmatische Gründe. «Blumen sind Motive, die man auch zuhause fotografieren kann», so Lustenberger. Einen Strauss mit Lilien, den sie geschenkt bekommen hatte, bannte sie auf schwarzem Hintergrund, als dieser bereits am Verblühen war. Ein Rad des Lebens kann man in diesem typischen Vanitas-Symbol erkennen. «Ich sehe viel Schönheit in der Vergänglichkeit der Dinge.» In ihren Porträts – oft stehen Familienmitglieder Modell – wird der Alterungsprozess fast zu etwas Erhabenem. Die mal seitlich, mal frontal eingefangenen Menschen erinnern in ihrer Zeitlosigkeit an die Porträtmalerei der Renaissance. In den Fotografien ist nicht ersichtlich, ob ihre Mutter oder eine andere Frau posiert haben. Vor schwarzem Hintergrund schauen uns die Porträtierten ohne Hinweise auf ihre Identität direkt in die Augen. «Ich arbeite gerne mit Menschen aus meinem Umfeld, die keinerlei Erfahrung als Modell haben.»
Torso neu zusammengesetzt
Dem eigenen Sohn bezahlt sie mittlerweile einen kleinen Stundenlohn, damit er auch mal länger stillhält. In ihrer aktuellen Serie «A Gaze of One’s Own» nutzt Lustenberger ihren eigenen Körper. «Frauen wurden so häufig nackt von Männern fotografiert, dass ich mir die Frage gestellt habe, ob ich mich als Künstlerin überhaupt von diesem Blick lösen kann.» Sich selbst zu benutzten habe den Vorteil, dass sie sich selber nicht objektivieren kann, wie dies vielleicht mit Modellen der Fall wäre. Sie hat ihren Torso mehrfach fotografiert und neu zusammengesetzt. «Ich dekonstruiere den weiblichen Körper, setze die Fragmente teils so zusammen, dass es rein anatomisch gar nicht möglich wäre.» Die Faszination für das Brüchige führte sie schliesslich zur Skulptur. Zuerst goss sie die Hand ihres Sohnes ab, schliesslich ihre eigene Brust. Der Abguss wurde wiederum zum Fotomotiv. Einem rasch bröckelnden Objekt, dessen Schönheit in seiner Fragilität liegt.
Helen Lagger