Drei Bernerinnen veranstalten am Samstag eine Fashion-Show mit Looks aus Kleidungs-stücken, die aus zweiter Hand stammen. Nur: Inwiefern erweist sich Secondhandmode als laufstegtauglich?
Der Catwalk zieht sich mitten durch die Aula des Progr, gespannte Augenpaare warten nur darauf, dass Models darüber stolzieren: Und das tun sie um kurz nach 20.30 Uhr in kokettierender Manier. Es ist weniger ein Schreiten als ein Tänzeln, Twisten und Tollen, denn die Re-dressed-Show ist bunt statt bieder, die Modelle genderfluid statt genormt. Was die Initiantinnen Jacqueline Jenni, Elena Krebs und Magdalena Müller hier auf die stämmigeren, längeren oder bejahrteren Beine stellen, ist eine fashionable Feier der Diversität – aber nicht nur.
Die Power von «pre-loved»
Was gemustert, schillernd und farbenfroh daherkommt, ist eine Sensibilisierungen auf die düstere Seite der Mode: Die weltweite, umweltschädigende Produktion von Kleidungsstücken beträgt jährlich 150 Milliarden Kilogramm, wovon viele (ungetragen) entsorgt werden – in der Schweiz sind es durchschnittlich 6,3 Kilo pro Person. Dagegen wollen die Initiantinnen, deren Modeschau-Idee im Frühling dieses Jahres bei einem Glas Wein im Progr-Hof entstand, ein Zeichen setzen: Man kann sich umweltfreundlich und modisch zugleich kleiden, ohne ein Vermögen auszugeben. Die Laufsteg-Looks stellen die modeaffinen Freundinnen selbst für jedes der Modelle zusammen, wofür sie die fünf kooperierenden Secondhand-Shops und Brockis in Bern durchstreiften.
Berns grösster Kleiderschrank
Darunter auch das Kleidergeschäft TEIL.style, das soeben den ersten, mit 5000 Franken dotierten Berner Nachhaltigkeitspreis im Rahmen der Berner Nachhaltigkeitstage (bis 23. September) gewonnen hat. Im erstmals ausgeschriebenen Wettbewerb der Stadt Bern setzte sich das Konzept gegen 27 andere Projekte durch: 2019 gegründet, ist TEIL.style Berns grösster Kleiderschrank, der wie eine Bibliothek funktioniert, indem man per Abonnement Lieblingsstücke ausleiht und zurückgibt, wenn es sich ausgeliebt hat.
So fiebert am Samstagabend auch das frisch prämierte Gründerteam im Publikum mit, als die Models in Outfits von dezent für das Montagmorgenmeeting bis mutig für den Daydance defilieren. Die Zuschauenden bejubeln und beklatschen das vorgeführte «Vorgeliebte» – und man kann den Gesichtern ablesen, dass sich manche augenblicklich in den gezeigten Zweitstoff vergucken.
«Wir waren schlicht überwältigt von der positiven Resonanz», resümiert Magdalena Müller nach der Show. Sobald die Gänsehaut abgeklungen sei, wolle das Re-dressed-Team ein Fazit und Schlüsse für die Zukunft ziehen: «Eine Weiterführung des Formats, auch in anderen Städten, wäre denkbar. Es ist stets ein kleiner Tropfen, der die Welle schliesslich in Bewegung bringt.» Eine Welle, die durchaus das Zeug hat, vom Laufsteg in die Lauben überzuschwappen.
Daniela Dambach