Katharina Suske ist die Gründerin der Freitagsakademie. Das Ensemble spielt diesen Samstag auf Schloss Holligen Serenaden aus dem 18. Jahrhundert.
Als Katharina Suske die Johannes Passion von Bach zum ersten Mal hörte, verliebte sie sich in die Oboe. Bisher hatte sie Block- und Querflöte gespielt. Sie wandte sich an Jürg Schaeftlein, einen der ersten Vertreter der Barockoboe, der 1986 verstarb. «Ich war seine letzte Schülerin», so Suske, die an den Musikhochschulen in Graz und Wien studiert hat. Nach seinem Tod erhielt Suske Protokolle ihres Lehrers, die ihr nützliche Hinweise zum eigenen Spiel und für den Unterricht – sie war mittlerweile selbst Lehrerin – lieferten. Suske empfängt den BärnerBär in ihrem Haus im Marzili-Quartier. Hier lebt sie gemeinsam mit ihrem Partner, dem Künstler und Fotografen Giro Annen. Und hier trifft sich auch die 1993 von ihr gegründete Freitagsakademie zum gemeinsamen Proben. Ein Cembalo und zahlreiche Blasinstrumente im Wohnzimmer zeugen von Suskes Passion: Alte Musik. Dabei lautet der Slogan der Freitagsakademie: «Es gibt keine alte Musik.» Suske erklärt den scheinbaren Widerspruch. «Wir spielen für ein heutiges Publikum.» So genannt alte Musik entstehe in jener Sekunde, in der sie gespielt werde. «Man kann keine einzige Note gleich spielen. Es ist jedes Mal ein einzigartiges Erlebnis»
Der schmerzende Bach
Bereits Suskes Mutter war Cembalistin und Organistin, ihr älterer Bruder ein Soloflötist an der Wiener Volksoper. «Ich wuchs in einer sehr musikalischen Grossfamilie auf.» Die gebürtige Österreicherin kam gemeinsam mit ihrem damaligen Mann, dem Schauspieler Stefan Suske, nach Bern. Auch der gemeinsame Sohn, Jacob Suske, ist ein bekannter Musiker geworden. Am auf alte Musik spezialisierten Königlichen Konservatorium erlangte die Oboistin ihr Konzertdiplom. «Die moderne Oboe hat mich nie interessiert.» Viel wärmer und erdiger sei der Klang der Barockoboe. «Sie klingt wie eine schöne, runde Altstimme.» Das Instrument erlebte seine Blütezeit im 18. Jahrhundert. In zahlreichen Kompositionen von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) spielt die Oboe eine wichtige Rolle. Suske spricht bei Bachs Musik von einem «emotionalen Universum», bei dem man keinen Ton spielen könne, ohne dass es schmerze. «Ich habe mir Bach aufgespart bis zum Ende meines Studiums, weil ich so viel Respekt vor ihm hatte.»
Barock und zeitgenössischer Tanz
Der Begriff der Freitagsakademie ist von einer gleichnamigen Konzert- reihe, die es in Berlin des 18. Jahrhunderts gab, inspiriert. «Musik war bis dahin dem Adel vorbehalten», so Suske. Im Sinne der Aufklärung entstanden neue Gefässe für ein bürgerliches Publikum. Klassische Musik wurde zugänglicher. Die so genannt alte Musik wurde jedoch erst in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts populär. «Plötzlich schossen Ensembles wie Pilze aus dem Boden», so Suske, die selbst zur zweiten Generation zählt. 2002 erhielt sie ein halbjährig- es Stipendium in New York, das sie zum Erweitern ihres barocken Repertoires nutzte. Suske entdeckte den zeitgenössischen Tanz und dessen Potenzial im Hinblick auf Barockmusik. Zurück in Bern arbeitete sie auch mit dem Choreografen Joshua Monten zusammen. «Durch den Tanz erfassen manche die Musik und umgekehrt», so Suske. «Grenzen werden aufgehoben. Das finde ich wunderbar.» Auch Puppen können helfen, Klassik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Bereits zum 6. Mal kann die Freitagsakademie ihr Stück «Alcina» am Stadttheater Bern zeigen. In der Oper rund um eine böse Zauberin führen Darsteller:innen Puppen und lassen diese Arien singen.
Lustwandeln im Freien
Improvisation sei bei alter Musik grossgeschrieben, so Suske. «Ein wenig wie beim Jazz.» Diesen Samstag spielt die Freitagsakademie mit «Serenade» ihr viertes Abonnementskonzert. Schauplatz ist der Park von Schloss Holligen. «Im späten 18. Jahrhundert lustwandelte der Adel gerne im Freien und liess sich im Hintergrund von Musik beschallen», so Suske. So sei die Gattung der Serenade entstanden. Durch die Pandemie gewannen Freiluftkonzerte auch für die Freitagsakademie an Wichtigkeit. So spielte das Ensemble etwa im Erlacherhof. In Holligen stehen nun Serenaden von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und Georg Druschetzky (1745 – 1819) auf dem Programm. Zehn Musiker:innen sind für zwei Stücke im Einsatz. Suske selbst spielt den Part der Oboe. Jeder müsse sich in diesem Konzert stark einbringen. «Man kann zeigen, was man draufhat und das macht grossen Spass.»
Helen Lagger
PERSÖNLICH
Katharina Suske, geboren in Graz, ist in der Südsteiermark aufgewachsen. Sie hat an den Musikhochschulen in Graz und Wien studiert und am Königlichen Konservatorium in den Haag ihr Konzertdiplom in alter Musik erlangt. 1993 gründete sie in Bern die Freitagsakademie. Suske ist Mutter eines erwachsenen Sohnes und lebt in Bern.