Die Bernerin Esther Gemsch spielt in der intelligenten Kinokomödie eine Frau, die nach der Pensionierung des Ehemanns ihre Bedürfnisse entdeckt. Sie selbst möchte keine Zweierbeziehung mehr.
Sie ziehen in «Die goldenen Jahre» alle Register, um die Hauptfigur Alice in all ihren Facetten darzustellen. Hatten Sie nur auf diese Rolle gewartet?
Nachdem ich das Drehbuch von Petra Volpe auf einer Alp im Glarnerland gelesen hatte, rief ich sofort meine Castingfrau Corinna Glaus an und sagte ihr: «Ich will diese Alice unbedingt spielen, und wenn ich dafür nach New York laufen muss, um mich bei Petra zu bewerben!»
Was hat Sie so begeistert?
Die Geschichte erzählt nicht einfach von einer Ehe, sondern von einer ganzen Familienkonstellation, die nach der Pensionierung des Mannes auf der Probe steht, und von der Lebenslust dieser Alice, und zwar auf eine ganz ehrliche Art, ohne zu moralisieren und gute Ratschläge zu erteilen. Das hat mich unglaublich berührt.
Wie würden Sie Alice beschreiben?
Sie ist eine liebenswerte Frau mit einer durchschnittlichen Ausbildung, die drei Kinder grossgezogen hat – nein, zwei, ich habe drei Kinder grossgezogen! (lacht) Sie meldete nie grosse Ansprüche an und versuchte – wie viele andere – die Erfüllung ihrer Träume, Wünsche und Visionen für die Zeit nach der Pensionierung aufzusparen.
Wäre eine Alters-WG für Sie eine alternative Lebensform?
Vielleicht, aber ein eigenes Bad ist mir schon ganz, ganz wichtig! Zweierbeziehungen kommen auf jeden Fall nicht mehr infrage.
Auch nicht ohne Trauschein?
(Lacht) Ich liebe meine Kinder und Grosskinder abgöttisch! Vom Wunsch nach einem Partner, mit dem ich alles teilen will, bin ich mittlerweile weit entfernt. Ich habe einen sehr guten Freund. Wenn wir uns brauchen, sind wir füreinander da und unterstützen uns gegenseitig. Die Sexualität hat sich für mich verändert. Tiefe Verbundenheit und Freundschaft, das ist mir heute wichtig … natürlich kann man sich darauf konzentrieren, was man verloren hat und dem heulend hinterherrennen. Oder aber sich über die Freiheit freuen, die man gewonnen hat.
Sie leben seit 1984 in Zürich. Was verbindet Sie noch mit Ihrer Heimatstadt?
Es ist die Sehnsucht nach einem Bern, das es nicht mehr gibt, auf dessen Spuren ich jedoch ein- bis zweimal pro Jahr wandle. Dazu gehört ganz klar «z’Rohr ablaufe», rauf und runter durch die Lauben. Zuerst ein Glas im Pyri, danach ein Häppchen auf der Bellevue-Terrasse und dann runter ins Marzili an die Aare und hoch zur Münsterplattform, wo sie oft Pétanque spielen und Märite drauf sind.
Reinhold Hönle
Die Komödie «Die goldenen Jahre» läuft ab 27. Oktober im Kino.
Persönlich
Esther Gemsch wurde am 23. Juni 1956 in Bern geboren. Sie wirkte in unzähligen Filmen und Theaterproduktionen mit. Als Lisbeth Rohner wurde sie in 288 Folgen der Schoggi-Soap «Lüthi und Blanc» (1999 –2007) dem breiten TV-Publikum bekannt. Sie war dreimal verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.