Slide Kocherfavorit

Ein Drama, das sich auch hier hätte abspielen können

Laura Curau und Bjørn Strømme sind verantwortlich für das Kino im Kocher. Ihr Programm enthält mehrere Überraschungen – und einen Schweizer Film, der zum Nachdenken anregt.

Die Hortensien blühen und ein Brunnen sprudelt friedlich vor sich hin. Jemand liest im Schatten ein Buch, ein paar Kinder spielen im Gras. Idyllisch und ruhig ist es im Kocherpark. Das war bekanntlich nicht immer so.

Bis der Gemeinderat 1992 die vorübergehende Schliessung der Parkanlage verfügte, traf sich im Kocherpark die offene Drogenszene. Der Verein Kino im Kocher sorgt seit 2017 für neues Leben und will den Kocherpark wieder ins Bewusstsein der Bernerinnen und Berner rücken. Auf Grossleinwand werden nach der Dämmerung gratis Filme gezeigt, während die legendäre Bar Drew BARrymore Getränke offeriert.

Bjørn Strømme, der zu den Gründungsmitgliedern von Kino im Kocher zählt, ist für die Bar sowie für das Kinoprogramm verantwortlich. Der 38-Jährige hat ursprünglich Kunst an der Hochschule der Künste (HKB) studiert und engagiert sich seit geraumer Zeit im Bereich Kultur. Er und Laura Curau, die sich beim Kino im Kocher um die Einsatzplanung kümmert, gehören einem Team von insgesamt 15 Leuten an.

Bei einem Treffen im Kocherpark verraten die beiden, was sie antreibt. «Ich kam wegen eines Praktikums nach Bern», verrät Curau, die ursprünglich aus dem Thurgau stammt. «Eine coole Stadt, da will ich hin», habe sie sich gesagt. Nun lebt sie bereits seit achteinhalb Jahren hier. Strømme lernte sie kennen, als sie sich für das Kino im Kocher zu engagieren begann. «Ich hatte als Chef de Bar bei der Kinokette Quinnie Cinemas gearbeitet, weshalb man mich wohl ins Boot holte», so Strømme über die Anfänge. Beide freuen sich, dass man nach Corona nun wieder Leute ohne Platzeinschränkungen in den Park einlassen kann.

Happy End im Park
Im letzten Jahr feierte das Kino im Kocher sein fünfjähriges Bestehen. Seit der Räumung des Kocherparks sind nun 30 Jahre vergangen. Passenderweise wird in der diesjährigen Ausgabe das Schweizer Drogendrama «Platzspitzbaby» (2020) von Pierre Monnard gezeigt. Der Film entstand nach Vorbild der gleichnamigen Autobiografie von Michelle Halbheer, die im Buch über ihre Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter berichtet. «Die Geschichte hätte sich auch im Kocherpark abspielen können», so Strømme. Bei der Filmauswahl setzt er gemeinhin eher auf Positives, das aber durchaus zum Denken anregen soll. Im Fall von «Platzspitzbaby» gibt es am Ende allerdings eher einen Neuanfang statt ein klassisches Feel-Good-Ende. «Der wiederbelebte Park hier ist das Happy End», sagt Curau.

Tanz und Nachos
Mit «En Corps» (2022) von Cédric Klapisch («L’Auberge Espagnole») kommt ein französischer Film zum Zug. Es geht um eine Balletttänzerin, die sich neu erfinden muss. Elise (Marion Barbeau) verletzt sich während einer Aufführung und erfährt, dass sie nicht mehr klassisch tanzen können wird. In einer Compagnie entdeckt sie den zeitgenössischen Tanz und schöpft schliesslich neue Hoffnung.

Wie jedes Jahr stehen auch Überraschungsfilme auf dem Programm, deren Inhalt man erst vor Ort erfährt. Neben der Bar offerieren dieses Jahr die Tacos Hermanos Nachos und Quesadillas. Passend dazu hat Strømme einen Signature Drink mit Wodka, Limoncello, Ginger Beer und frischer Minze konzipiert, den er in einem Mule-Becher serviert.

Netflix ist kein Kino
Strømme und Curau sind beide fast ohne Fernsehen aufgewachsen, wie sie verraten. «Ich durfte nur die ‹Tagesschau› schauen», so Curau. Dafür erinnert sie sich an frühe Kinoerlebnisse und selbst gemachtes Popcorn. Ähnlich war es bei Strømme, der als Kind ausgiebig das Fernsehheftli studierte – mit einem Programm, das er nur teilweise sehen durfte. Er wollte ursprünglich Regisseur werden. «Steven Spielberg war mein Favorit.» Während des Gymnasiums ging er exzessiv ins Kino. Während Curau «Juno» als ihren Lieblingsfilm bezeichnet, sagt Strømme: «Es ist unmöglich, mich zu entscheiden.» Einig sind sich beide, dass Streaming-Dienste wie Netflix niemals das Kino zu ersetzten vermögen. «Filme auf Grossleinwand zu schauen, ist und bleibt ein einmaliges, kollektives Erlebnis.»

Helen Lagger

Das Programm
Di 16.8.:

Platzspitzbaby (SRG Night)
Do 18.8.:
En Corps (Soirée française)
Fr, 19.8.:
Surprise Film, (British Night)
Sa, 20.8.:
Surprise Movie 2

Einlass, Bar und Food ab 18 Uhr.
Die Filme starten bei Dämmerung um ca. 21 Uhr.
kinoimkocher.ch

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