Das Festival Buskers Bern feiert sein 20-jähriges Bestehen. Wir haben mit der Festivalleiterin Christine Wyss über Bands, ein riesiges Kamel und die geplante Jubiläumstorte gesprochen.
Es war im Hitzesommer 2003, als die beiden Schwestern Christine und Lisette Wyss feststellten: Es herrscht tote Hose. «Klar, das Gurtenfestival findet auch im Sommer statt, aber das ist ja nicht wirklich in der Stadt», so Wyss. Die beiden entwickelten, von Openair-Festivals im Ausland inspiriert, die Idee des Buskers Bern. Dieses Jahr feiert das Festival sein 20-jähriges Bestehen. Lisette Wyss ist zurückgetreten, um sich ganz ihrer eigenen Künstlerinnenkarriere zu widmen, während Christine Wyss mit Julia Wietlisbach und Stefan Jampen das Kernteam bildet. «Die ersten zwei Jahre hatten wir keine Einnahmen», so Wyss. Immerhin erhielten sie von der Abteilung Kulturelles der Stadt Bern ein Startgeld, als sie ihr pfannenfertiges Projekt vorstellten. Bands, die sie einladen konnten, kannten die Schwestern, die zahlreiche Festivals von Holland bis Italien besucht hatten, genug.
Mit Klischees verbunden
Auf Deutsch bedeutet das englische «Busker» nichts anderes als Strassenmusiker:in. «Damit sind viele Klischees verbunden», so Wyss. Manche Leute dächten an mehr schlecht als recht spielende Bettler oder an Menschen, die auf der Strasse leben. Tatsächlich gehen die meisten am Buskers verpflichteten Künstler:innen normalen Berufen nach, sind etwa nebst ihren Auftritten als Musiklehrer:innen tätig. Wyss, die aus einer gutbürgerlichen Familie stammt, spielte schon als Kind Geige und Gitarre, während ihre Schwester – heute eine bekannte Saxophonistin – Cello spielte. Wyss spielt aktuell wieder vermehrt Geige, respektive Fiddle, vorzugsweise irische Musik. Ihr organisatorisches Know-how holte sie sich während der Expo.02 und in einer Event-Firma. «Ich war Chef de Service Acceuil» auf der Arteplage Neuchâtel. Das sei ein ziemlicher Kontrast zu ihrer damaligen Tätigkeit als Sekundarlehrerin gewesen. «Ich war an basisdemokratische Sitzungen in der Schule gewöhnt. Die Expo war durch und durch hierarchisch.» Sie genoss es aber, Teil dieses Jahrhundert-Projektes zu sein und Lösungen zu finden. So erlangte sie viele Kompetenzen, die ihr heute als Festivalleiterin von Nutzen sind.
Kamel aus Frankreich
Veränderungen und Zwischenfälle gehören beim Buskers dazu. 2019 schlug ein Blitz ein, was in der Kirche St. Peter & Paul für einen Stromausfall sorgte. «Es gab einen Riesenknall und die Feuerwehr musste kommen», erinnert sich Wyss. 2006 regnete es die ganze Festivalzeit über. «Die Leute kamen trotzdem, lauschten den Konzerten in Faserpelzen gekleidet.» Die ersten vier Jahre wurde noch nicht in der Kramgasse gespielt, heute wird der Bus umgeleitet während des Buskers. «Unser Gelände wandelt sich mit dem Verschwinden und Auftauchen von neuen Bars und Geschäften sowie Baustellen», so Wyss. Insgesamt 60 Gastrostände sorgen während des Anlasses für die Verpflegung. Anfangs dominierten die Musikbeiträge, heute halten sich sogenannte visuelle Acts wie zum Beispiel Tanz, Theater oder Walking Acts und Musikbeiträge die Waage. Mit Walking Acts sind von Künstler:innen selbst gestaltete Figuren gemeint, die in den Gassen der Altstadt unterwegs sind. Dieses Jahr kommt etwa ein riesiges Kamel der aus Frankreich stammenden Truppe Compagnie Paris Bénarès nach Bern und lässt sich mit etwas Glück sogar kraulen. Um das riesige Wüstenschiff in Bewegung zu versetzen, braucht es sechs freiwillige Helfer:innen.
Keine Headliners
Die verpflichteten Musiker:innen und Bands spielen alle an allen drei Tagen. Wer besonders gefallen hat, spricht sich rasch rum. Im Unterschied zu anderen Festivals gibt es keine Headliners, auf die man bis spät nachts warten muss. «Es entsteht in diesen drei Tagen eine regelrechte Festival-Familie», so Wyss. Damit es nicht zu viele Wiederholungen gibt, braucht es Regeln. Wer aus dem Ausland kommt, kann höchstens zweimal bei Buskers Bern spielen, wer aus der Schweiz ist, sogar nur einmal. «Mit Toni Schiavano haben wir eine Ausnahme gemacht», so Wyss. Der «beste Bassist der Schweiz» ist bereits fünfmal am Buskers aufgetreten in diversen Formationen. Früher hatte Wyss den Briefkasten voller wattierter Couverts mit Demo-CDs, heute kann sie sich alles im Netz anschauen. Eine besondere Installation gibt es dieses Jahr, um das Jubiläum zu feiern. Der ganze Münsterplatz wird zu einem «Tortenboden», auf dem 20 bespielbare «Kerzen» stehen. In der Mitte befindet sich eine Bar mit Terrasse. In einem Kerzenturm sitzt zum Beispiel der irische Musiker Ray Coen, der zur akustischen Live-Jukebox wird. Wer eine Münze einwirft, kann sich nach Wunsch beschallen lassen.
Helen Lagger
PERSÖNLICH
Christine Wyss wurde 1969 in Seattle geboren und ist in Bern aufgewachsen. Die ausgebildete Sekundarlehrerin hat Kulturmanagement in Winterthur studiert. 2004 fand die erste Ausgabe von Buskers Bern statt, das Wyss gemeinsam mit ihrer Schwester Lisette Wyss gegründet hat.