Stand-up-Comedian Charles Nguela witzelt in seinem dritten Programm über Wanderanfänger in Turnschuhen. Und er erklärt, wieso sein Dialekt oft nach Hauptstadt tönt
Kompliment, Charles! Wie lange haben Sie für Ihren Spagat auf dem Plakatfoto geübt?
Ziemlich lange, aber leider fehlten mir noch immer fünfzehn Zentimeter bis zum Boden, weshalb ich mir einen Profitänzer als Bodydouble geholt habe. Der Spagat ist also echt. Es sind nur nicht meine Beine.
Ist «R. E. S. P. E. C. T.» ein Spagat zwischen privaten und politischen Themen?
Ich bin im neuen Programm weniger politisch als früher, da ich den Eindruck habe, dass die Leute froh sind, wenn sie mal wieder einfach Spass haben können. Ich habe lustige Aspekte aus einer Zeit, die nicht so lustig war, herausgepickt und so verarbeitet, dass man trotzdem über sie lachen kann.
Wovor haben Sie Respekt?
Da gibt es einige Sachen. So wunderte ich mich immer, weshalb beim Wandern – nicht beim Klettern – so viele Unfälle passieren. Jetzt weiss ich es: Weil es Leute gibt, welche dabei die falschen Schuhe tragen. Als ich im Frühling in Turnschuhen auf den Creux du Van stieg, gab es für mich ein böses Erwachen. Wir kamen zuerst nicht mehr vor und nicht mehr zurück und hätten beinahe die Rega rufen müssen, schafften es im letzten Anlauf aber doch noch.
Respect wird häufig gefordert, wenn über das Thema Rassismus gesprochen wird. Wie stark beschäftigt es Sie momentan?
Im Privaten eher, auf der Bühne kaum. Es ist in den letzten Jahren mehr als genug behandelt worden, weshalb ich es an der Zeit fand, eine Pause zu machen. Zudem will ich den Leuten beweisen, dass ich mehr kann, als in den Medien über mich steht. Schliesslich dauert meine Show 90 Minuten, aber die Artikel zu den ersten beiden Programmen handelten immer von den fünf Minuten, in denen es um Rassismus ging. Es gibt zwar weiterhin gesellschaftskritische Seitenhiebe, über welche die Leute länger nachdenken, aber dieses spezifische Thema habe ich diesmal weitgehend ausgelassen.
Auch privat geht es momentan wohl mehr um Masken als um Hautfarben …
Stimmt. Jetzt müssen wir darüber sprechen, weshalb gewisse Menschen nicht verstehen, dass man an einer Plexiglas-Trennscheibe nicht vorbeiredet …
In Ihrer Kindheit im Kongo wurden Ihr Vater und ein Freund von Ihnen umgebracht. Wie haben Sie das verkraftet?
Es hat mir sicher ein bisschen geholfen, dass ich noch so jung war. Da wir eine grosse Familie sind, hatte ich auch noch viele andere liebe Menschen um mich herum. Mit ihnen konnte ich sogar über die Menschen, die nicht mehr unter uns sind, lachen. «Hey, weisst du noch, damals…» Lachen macht alles viel schöner und erträglicher!
Sogar die Flucht nach Südafrika?
Nachdem uns der Bürgerkrieg, bei dem auch ausländische Interessen an den Bodenschätzen eine gewichtige Rolle spielten, gezwungen hatte, unsere Heimat zu verlassen, musste unsere Familie den Gürtel enger schnallen. Wir haben uns jedoch gegenseitig unterstützt. Als meine Mutter in Südafrika Männer wiederkannte, die sie im Kongo bedroht hatten, reiste sie in die Schweiz weiter und beantragte Asyl.
Und später hat sie ihre Kinder nachgeholt?
Genau, meine älteren Geschwister blieben in Südafrika, aber meine Schwester und ich – sie war 15 und ich 13 – kamen zu meiner Mutter, als sie sich in Lenzburg eine Existenz aufgebaut hatte. Ursprünglich war sie Drogistin, hat dann aber vor allem in der Pflege gearbeitet.
Stimmt es, dass Sie einander besser verstehen, seitdem Sie Comedy machen?
Absolut. Am Anfang war es schwierig, weil ich in der Pubertät war, mich einleben musste und meine Mutter das Schulsystem nicht kannte. Die Konflikte nahmen ab, als ich mit 22 in der Comedy einen Weg fand, um mich auszudrücken, und sie dadurch in meinen Kopf reinschauen konnte. Seither verstehen wir uns bestens. Wir treffen uns alle zwei Wochen, unternehmen etwas oder essen zusammen.
Ihr Programm ist ganz schön laut und geräuschvoll. Kultivieren Sie das oder entspricht es einfach Ihrem Temperament?
Ich bin bei meinen Auftritten immer noch nervös und aufgedreht. Sicher spielt auch meine Herkunft eine Rolle. Wenn die Leute im Zug wegen meines Temperaments reklamieren, würde ich am liebsten aufspringen und ihnen ins Gesicht sagen: «Mann, ich bin Afrikaner! Ich bin laut!» Von mir zu erwarten, dass ich leise bin, ist etwa, als ob man es von einem Fussball schauenden Italiener fordern würde (lacht).
Ihr Dialekt ist Berndeutsch gefärbt. Wie gefällt Ihnen das?
Es ist lustig, es gibt Leute, die denken, ich sei in Bern aufgewachsen. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich dort mal eine Freundin hatte und ein halbes Jahr bei Sunrise in Bümpliz arbeitete.
Wie gut kennen Sie das Theater am Käfigturm?
Ich bin dort schon mehrfach aufgetreten. Es ist eine meiner Lieblingsbühnen. Ich will jetzt nicht schleimen, aber ich hatte in Bern noch nie eine schlechte Show. Es sind sogar schon Politiker aus dem Bundeshaus, die mal etwas zu lachen haben wollten, rübergekommen!
Reinhold Hönle