Simon Burkhalter ist der künstlerische Leiter der Freilichtspiele Moosegg. Mit dem Bärnerbär sprach der Regisseur, Sänger und Schauspieler über Gotthelf, gute Geschichten und Heugabeln als Requisiten.
Als Kind wollte Simon Burkhalter Pfarrer werden. Doch dann merkte er, dass der Pfarrer nicht irgendwelche Geschichten erzählt, sondern sich an ein Buch halten muss. Die Welt des Theaters entsprach seiner Fabulierlust da dann doch deutlich mehr. Als Kinderdarsteller:innen für Gotthelfs «Die schwarze Spinne» gesucht wurden, meldete er sich und ergatterte prompt die kleinste Sprechrolle. Sein Text? «Juhu» – ein einziges Wort war es, das der von Burkhalter gespielte Geissenbub von sich gab. Burkhalter ist im Emmental als Sohn eines Zimmermeisters und einer Hauswirtschafterin aufgewachsen. Sein bodenständiges Elternhaus komme ihm zu Gute, ist er überzeugt. «Nichts kommt von nichts», dieses Credo habe er von Zuhause mitbekommen. Dementsprechend steil ist denn auch Burkhalters Aufstieg als Theaterschaffender. Er hatte gerade das Gymnasium Kirchenfeld abgeschlossen als er seine erste Hauptrolle erhielt. Er spielte Franz, den bösen Bruder aus Schillers «Die Räuber». «Es macht Spass abgründige Figuren zu spielen», so Burkhalter. Er sehe aber immer auch die Not, die sich hinter einem vermeintlich bösen Charakter verberge. «Franz ist letztlich eine sehr hilflose Figur.» Mit gerade einmal 21 Jahren inszenierte Burkhalter seine erste Operette. Am Regieführen gefällt ihm das Gestalten. «Du entscheidest, wie etwas erzählt wird und welchen Aspekt einer Geschichte du betonen willst.»
Gotthelf und Psychiatrie
Seit 2017 ist Burkhalter, der an der Hochschule der Künste in Bern Gesang studiert hat, der künstlerische Leiter der Freilichtspiele Moosegg. Jedes Jahr bringt das grosse, aus Amateuren und Profis bestehende Ensemble, auf der Waldbühne ein Volksstück zur Aufführung. Dieses Jahr hat Burkhalter das Stück selbst geschrieben. Mit «Franz Schnyders Geld und Geist», hat er sich mit dem Leben des Emmentaler Filmemachers Franz Schnyder (1910 – 1993) auseinandergesetzt. Schnyder, der als Regisseur von Heimatfilmen wie «Gilberte de Courgenay» (1941) oder «Die 6 Kummer-Buben» (1968) bekannt geworden war, verbrachte seine letzten Lebensjahre in der Psychiatrie. «Er war ein Fantast, der im Rolls Royce herumfuhr und massenhaft Kunst kaufte», so Burkhalter. Als der Erfolg ausblieb, bekam er psychische Probleme. Burkhalters Stück spielt in der psychiatrischen Klinik in Münsingen. Alle Figuren, ausser jene von Schnyder, spielen das dortige Personal. In der Phantasie des Patienten verwandeln sich Ärzteschaft und Pflegende ständig in Figuren aus «Geld und Geist», seiner letzten Gotthelf-Verfilmung, in der es um eine Familie geht, die ihr Vermögen verliert. «Was wir zeigen ist fiktiv», so Burkhalter. Authentisch seien hingegen die gesprochenen Texte, die mehrheitlich auf Aussagen von Schnyder, der zeitlebens aufschrieb, was ihn beschäftigte, basieren.
Kern der Figuren
«Am Anfang einer Produktion habe ich immer 1000 Ideen, dann reduziere ich», so Burkhalter über sein Vorgehen als Regisseur. Sein Stück auf der Waldbühne ist minimalistisch. «In der Gotthelf-Welt gib es mal eine Heugabel oder einen Rechen. Sonst haben wir kaum Requisiten», verrät er. Diese Schnörkellosigkeit der Bühne passe zum Zustand der Figuren. «Sie können nirgendwo sitzen, finden keinen Halt.» Burkhalter spielt selbst eine kleine Rolle, jene des Buben, in den sich ein Mädchen verliebt, das einen anderen heiraten soll. In Schnyders Film werde beschönigt, dass das Mädchen nicht über sich selbst bestimmen könne. «Wir zeigen die Gewalt, die darin liegt auf.» Als Regisseur will Burkhalter an den Kern der Figuren vordringen. «Freilichttheater braucht starke Bilder und Emotionen», ist er überzeugt. Ebenfalls in einem urchigen Stück ist Burkhalter nächstes Jahr im Theater Orchester Biel Solothurn zu sehen. Er singt und spielt den Alpöhi in einer Heidi-Inszenierung. «Als Bass-Bariton spielst du vorzugsweise Grossväter und Bösewichte», meint er. Das gefalle ihm, denn er möge Figuren mit Ecken und Kanten.
Helen Lagger
PERSÖNLICH
Simon Burkhalter wurde am 13.5.1994 in Signau geboren. Er hat nach der Matura an der Hochschule der Künste in Bern Gesang studiert. Aktuell studiert er am Schweizer Opernstudio in Biel. Burkhalter ist seit 2017 künstlerischer Leiter der Freilichtspiele Moosegg und lebt in Bern.
GELD UND GEIST
«Franz Schnyders Geld und Geist» von Simon Burkhalter ist das neue Volksstück der Freilichtspiele Moosegg. Ein grosses Ensemble aus Amateuren und professionellen Darsteller:innen tritt auf der Waldbühne auf. Im Mittelpunkt des Stückes steht der Filmemacher Franz Schnyder (1910 – 1993), der Gotthelf verfilmte und seine letzten Jahre in der Psychiatrie verbrachte.
Vom 7.7. bis am 19.8.
freilichtspielemoosegg.ch