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«Heute und morgen bin ich sicher noch dabei»

Francine Jordi ist zurück mit einem neuen Album. Die Berner Sängerin über kurze Haare, ihre neue Gelassenheit und wieso sie noch lange weitermacht.

Francine, Sie wurden im Juni 44. Haben Sie gefeiert?
Natürlich. Grundsätzlich finde ich jedes Jahr, das ich auf dieser Welt erleben darf, grossartig. Andere müssen deutlich früher gehen und erleben nicht so viel wie ich. Diesen Tag auszulassen, wäre also undankbar. Wobei ich den 44. lieber feiere als den 45. Diese Zahl hat eine weniger gute Energie, die flutscht nicht so gut (lacht laut).

Es stresst Sie nicht, dass Sie bereits Mitte 40 sind?
Im Gegenteil. Ein geniales, spannendes Alter. Ich möchte keine 20 mehr sein. Ich kann noch alles machen, muss aber nichts mehr. In meinem Leben breitet sich eine grosse Gelassenheit aus. Auf gewisse Dinge verzichte ich mir zuliebe einfach; lasse vielleicht mal eine Veranstaltung aus, weil sie nicht zu mir passt. Ich höre auf mich und mein Herz. Eine Art gesunder Egoismus und deshalb gesunde Selbstliebe. Denn nur wenn es mir gutgeht, kann ich etwas weitergeben. Sonst brennt man aus.

Heisst das für Sie auch, bewusst im Moment zu leben?
Unbedingt. Mir ist es egal, wo ich in zehn Jahren stehe. Ich möchte wissen, wo mein Weg jetzt hinführt.

Also ja keine Sorgen auf Vorrat?
Nein, denn es kommt garantiert anders. Ich habe vor meiner Brustkrebs-Therapie im Internet keine Recherchen angestellt: weder über mögliche Nebenwirkungen noch über sonst etwas. Ich habe dem behandelnden Arzt vor der Operation bloss gesagt, er soll mir sagen, wo ich unterschreiben muss, und danach könne er, übertrieben gesagt, mit mir anstellen, was er wolle. Ich wusste einzig, dass ich mir nach der Operation meine Energie einteilen und mir eine Perücke besorgen muss.

Lassen Sie Ihre Haare eigentlich je wieder wachsen?
Das ist aktuell kein Thema. Früher brauchte ich für meine Haare bis zu einer halben Stunde, jetzt sind es fünf Minuten. Maximal. Super gäbig. Und die Frisur ist Ausdruck meiner Persönlichkeit: spritzig, frech.

Dann ist Ihr neues Album «Herzfarben» Ausdruck Ihrer aktuellen Stimmung?
Mit 44 steht man mitten im Leben und hat wohl alle Gefühlsfarben schon einmal durchgemacht: von strahlendem Gelb bis zu dunkelstem Schwarz . Nach 23 Jahren auf der Bühne verfüge ich ausserdem über eine doch recht grosse musikalische Farbpalette: Jodellieder mit dem Jodlerklub Wiesenberg, Schlagersongs oder ein Pop-Rock-Duett mit Stefanie Heinzmann. Und natürlich ist das alles eine Herzensangelegenheit von mir.

Wie sieht denn Ihre Herzfarbe aus?
Der Sinn des Lebens ist Liebe. Also wohl schon rot.

Auf dem Album covern Sie den Klassiker «Voyage, Voyage». Wieso gerade diese Melodie?
Eine super Nummer aus den 80ern, die perfekt in das aktuelle Zeitgefühl passt: Etwas melancholisch und niemand weiss, wann wir wieder so reisen können wie früher. Da der Song schon etwas älter ist und manche Junge ihn wohl kaum kennen, haben wir ihn auf Deutsch aufgenommen. Ich mag den Titel mittlerweile so gut, dass er fast ein wenig zu meinem eigenen Song geworden ist.

Auch bezüglich Covid-19 ist unklar, wie die Reise weitergeht. Kennen Sie in Ihrem privaten Umfeld eigentlich Coronaskeptiker?
Ich finde es schwierig, verbal auf jemanden einzuhämmern, nur weil er oder sie nicht der gleichen Meinung ist. Jeder darf doch skeptisch sein und selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder eben auch nicht. In dem Sinne: Ja, ich kenne einige kritische Personen.

Sie selbst sind geimpft.
Ich bin oft unterwegs an Grossanlässen, in Fernsehstudios, unter Leuten, im In- und Ausland, daher habe ich mich impfen lassen. Trotzdem sage ich: Jeder soll selber entscheiden.

Sie litten ebenfalls an Corona. Wie schlimm wars?
Eine sehr starke Grippe würde ich sagen. Während der zehn Tage in Isolation lag ich definitiv flach. Danach litt ich ausserdem zwei, drei Monate lang an Müdigkeit, hatte Probleme mit den Schleimhäuten. Und der Geschmack war komplett weg.

Wie lange möchten Sie noch auf der Bühne stehen?
Musik ist eine Passion, deswegen sind so viele bis ins höhere Alter aktiv auf der Bühne. (Überlegt) Heute und morgen bin ich sicher noch dabei, keine Frage (lacht). Mir wurde in den letzten Monaten wieder bewusst, welch grosses Geschenk es ist, vor Publikum spielen zu dürfen.

Sind Sie enttäuscht, dass Sie am Gurtenfestival kein Thema sind?
Nein. Es ist für mich nicht entscheidend, dort aufzutreten. Es gibt Festivals, die sich für mein Publikum besser eignen. Sicher hätte Schlager auf dem Güsche Platz – an jedem Chäferfescht wird Schlager aufgelegt und genau jene, die zunächst finden, sie könnten damit kaum etwas anfangen, sind dann die ersten, die bei einem Schlagerlied auf dem Tisch tanzen. Doch ich verstehe, wenn die Gurten-Organisatoren das nicht möchten. Privat bin ich gerne auf dem Gurten.

Aber es nicht Ihr Traum?
Nein. Das Donauinselfest in Wien ist ebenfalls sehr cool. Und ich bin sehr gerne am Heitere Open-Air mit dabei.

Wo möchten Sie denn gerne einmal auftreten?
Ich spiele überall dort, wo man mich möchte (lacht).

Yves Schott

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