Mattofavorit

Hier kann man ungestraft an ein Wahrzeichen pinkeln

Der Autor, Poet und Schauspieler tritt aktuell mit seiner Band «Trampeltier of Love» in der La Cappella auf. Dem Bärnerbär zeigte er seinen Lieblings-Unort: Ein denkmalgeschütztes Pissoir.

Geruchlos geht es hier angeblich zu und her. Eine alte Emaille-Tafel im denkmalgeschützten Pissoir beim Zytglogge hat es in sich. «Grösste Reinlichkeit» soll in dieser «Anstalt» herrschen. Der Spoken-Word-Poet und Schauspieler Matto Kämpf ist bekannt dafür, das Skurrile im Alltäglichen zu erkennen und liebt Lokalkolorit. Nach seinem Lieblingsort in Bern gefragt, nennt er spontan eben dieses Pissoir. «Man kann hier gewissermassen ungestraft an den Zytglogge pinkeln», amüsiert er sich. «Beim Weissen Haus in Washington oder bei anderen Wahrzeichen irgendwo auf der Welt wäre das wohl kaum vorstellbar», so der Autor, Filmer und Schauspieler. «Was haben die sich wohl dabei gedacht?».

Kämpf, der in Steffisburg als Sohn des Dorfzahnarztes aufgewachsen ist, ist in der freien Theater-Szene von Bern eine wichtige Figur. Gemeinsam mit den Autoren Pedro Lenz und Raphael Urweider hat er zahlreiche Theaterstücke wie etwa «Alice im Ungerland» (2010) geschrieben, in dem sich das Trio an «Alice im Wunderland» Kapitel für Kapitel abarbeitete, beziehungsweise den Text ins Berndeutsche überführte. Die Fassung des Trios liess Alice in den Drogensumpf abdriften, wobei sich die Autoren zu Beginn des Stückes für den Erhalt von Orten, wie dem Casa Marcello, aussprachen, weil auch Randständige ihren Ort brauchen.

Aus Lewis Carolls «The Queen’s Croquet-Ground» wurde «Frau Chünigs Gottverdecklete» aus der verrückten Teerunde im Original eine in Streit ausartende Bierrunde.

Im Wilden Westen
Das Sichaneignen beziehungsweise «Einbernern» von bestehenden Texten oder Stoffen ist eine typische Matto Kämpf-Strategie. Während er sich in «Billi dr Bueb» (2006) dem Westernhelden «Billy the Kid» annäherte, entführt er sein Publikum nun erneut in den Wilden Westen. Kämpfs Band «Trampeltier of Love» vertont in der La Cappella einen längeren Spoken-Word-Text des Poeten. Erzählt wird die Geschichte von Köbi Bärtschi, der mit seiner verarmten Familie aus Rüeggisberg nach Amerika auswandert. Köbi wird ein Rächer und Revolverheld, der schliesslich von seiner einstigen Lehrerin im letzten Moment vom Galgen geschossen wird. Sie will ihn fortan auf den rechten Weg führen. «Dr Köbi isch ufem Harrassli gschtange. Das wär ja no gange. We obe dranne nid das Seili wär ghanget», heisst es im Text.

Als Spassvogel wird Kämpf im Netz bezeichnet. «Der Begriff stört mich nicht». Es habe wohl damit zu tun, dass er sich in so vielen Genres ausprobiere, wobei der Humor das verbindende Element bilde. So inszeniert Kämpf auch Telefon-Sketche, im Stil des legendären Schweizer Komikers Emil Steinberger. «Am Apparat» nennt Kämpf seine Serie, bei der man nur ihn hört und sich das, was am anderen Ende gesprochen wird, vorstellen muss. In den verschrobenen You-Tube-Videos nimmt Kämpf das in einem Wald altmodisch ringende Telefon etwa als Vertreter einer spirituellen Oase im Entlebuch ab und präsentiert am Apparat das esoterische Programm. Seine behäbige Stimme driftet dabei in ein diabolisches Brabbeln ab, wie man es aus Filmen wie «The Exorcist» kennt. Ein Ulk, der Schwurblerinnen und Schwurbler und ihre Workshops parodiert.

Der weisse Hai
In breitestem Berndeutsch und betont unaufgeregt spricht Kämpf bei seinen Lesungen. Kult sind etwa seine «Tiergeschichten», zwei Sammelbände mit tierischen Kurzgeschichten, die im Verlag der gesunde Menschenversand herausgekommen sind.

Schwarzer Humor durchzieht die kleinen Dramen: Ein Killerfrettchen versteckt sich heimtückisch in einem Sofa, um im richtigen Moment hervor zu sausen und dem Hausbesitzer die Kehle durchzubeissen, ein Pony im Zoo leidet an einer Dauererektion und Jugendliche freunden sich nach dem Genuss von bewusstseinserweiternden Pilzen mit Wildschweinen im Jura an. «Ich gehe tatsächlich gerne in Zoos und beobachte Tiere», so Kämpf. Seine Karriere als Schauspieler nahm ebenfalls mit etwas Tierischem Fahrt auf. Gemeinsam mit dem Autor Gerhard Meister entwickelte er in den Neunzigerjahren das Stück «Der weisse Hai», basierend auf Steven Spielbergs filmischem Meisterwerk. «Ich war der Haifisch», so Kämpf. «Es hat Spass gemacht.»

Helen Lagger

Matto Kämpf wurde am 8. Juni 1970 in Thun geboren. Nach der Matura begann er nach einem «Versuch» an der Uni Bern in Berns Studententheater zu schauspielern. Kämpf ist Autor zahlreicher Theaterstücke, Filmer, Poet und Vater eines 13-jährigen Sohnes. Er lebt in Bern.

Die Band «Trampeltier of Love» vertont in der La Cappella einen längeren Spoken-Word-Text von Matto Kämpf. Erzählt wird von Köbi Bärtschi, der 1882 von Rüeggisberg nach Amerika auswanderte. Dabei begegnet er Mördern wie Frommen. So, 19.3., 20 Uhr, und Fr, 23.6., 20 Uhr.
la-cappella.ch

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