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«Ich gebe die Hoffnung sicher nicht auf»

Philipp Fankhauser über drei herausragende Berner Clubs, sein gespaltenes Verhältnis zu Weihnachten und wie er mit Corona umgeht.

Sie treten demnächst mehrfach in Bern und Umgebung auf. Was bedeuten Ihnen die drei Locations?
Das Bierhübeli gehört für mich zu den Top 5 aller Clubs, in denen ich schon gespielt habe. Der Saal hat eine wunderbare Grösse und die höchste Bühne, die ich kenne. Da man über allem thront, fand ich es in jungen Jahren schwierig, mit dem Publikum zu kommunizieren. Heute lasse ich mich davon nicht mehr einschüchtern und weiss zu schätzen, dass der Balkon dafür nicht so weit oben ist, dass man sich den Hals ausrenkt. (lacht)

Wie würden Sie Cacis Mühle charakterisieren?
Diese alte Mühle in Grosshöchstetten, welche die Familie Caci umgebaut hat, bietet für ganz Vieles Platz. Salvatore ist Eisenplastiker und Magdalena Töpferin. Sie haben dort nicht nur ihre Ateliers, sondern auch einen tollen Veranstaltungsraum für 160 Leute. Seitdem wir dort 2002 ein Weihnachtskonzert gegeben haben, ist es zur Tradition geworden, dass wir dort in der Adventszeit drei Konzerte geben und dabei mit den Cacis und dem Publikum ein Fest feiern.

Es bleibt noch die Mühle in Rubigen, bei der Sie auch im Verwaltungsrat sitzen …
So ist es. Die Mühle Hunziken. Die ist für mich schon sehr Heimat. Wie im Bierhübeli spiele ich dort seit 1989. Die Stimmung ist einmalig, der Ort legendär.

Was bringen Sie und Ihr Bruder ein?
Christoph hat sich nach zehn Jahren harter Arbeit vor kurzem pensionieren lassen, ist aber im Hintergrund immer noch eine grosse Hilfe und Stütze. Der neue Geschäftsführer Chrigu Stuber, der früher das Solothurner Kofmehl geführt hat und eh schon immer mein Lieblingspromotor war, ist mit viel Herzblut dabei und hat es geschafft, die Mühle während Corona mit zahlreichen innovativen Ideen offen zu halten. Ich brauche mich da gar nicht gross einzumischen. Er hat als Veranstalter viel mehr Erfahrung als ich. Aber ich helfe gerne, wenn ich eine Idee habe oder einen Künstler kenne, der hineinpassen würde.

Wo gefällt es Ihnen in der Weihnachtszeit in Bern besonders gut?
Die ganze Altstadt, speziell die Marktund die Spitalgasse, auch ums Münster herum, ist es sehr schön. Ich bin jedoch kein «Weihnachtsmärktler», obwohl meine Familie mütterlicherseits aus Nürnberg stammt, wo einst mein jüdischer Grossvater ins KZ Dachau deportiert und nur dank meiner schweizerischen Grossmutter wieder befreit werden konnte. Als Kind fand ich es aber noch wunderschön, den berühmten Christkindlmarkt zu besuchen, wo es immer Schaschlik und Gewürztee gab.

Und die mögen Sie heute nicht mehr?
Nein, als ich erwachsen war, wurde mir das ganze Hin und Her, wann, wo und wie Weihnachten gefeiert wird, einfach zu viel. Nun, da sich unsere Vorfahren zur Ruhe gelegt haben, ist der Wunsch nach Familienweihnachten mit Bruder Christoph und seiner Familie wieder da. Für dieses Jahr habe ich allerdings abgesagt. Jedoch, das jährliche Christmas-Dinner mit der Band gibt es seit bald zwanzig Jahren. Neu ist, dass wir abwechselnd selber kochen.

Viele Menschen haben den Corona-Blues. Wie begegnet ihm einer mit vierzig Jahren Blueserfahrung?
Es ist keine einfache Zeit für mich, aber für viele andere auch nicht. Meine Routine ist Gitarrenkoffer packen, Schuhe anziehen, habe ich nichts vergessen, Kleider mitnehmen, ins Auto steigen, ans Konzert fahren. Ich bin nie liegengeblieben, hatte nie einen Unfall oder sonst Ärger, bin gut organisiert und stehe mit einer tollen Band bis zu siebzig Mal pro Jahr auf der Bühne. Ich habe mir vorgestellt, dass das noch ein paar Jahrzehnte so weitergeht. Jetzt sind da viele Fragezeichen, die schon auf die Moral schlagen, aber ich gebe die Hoffnung sicher nicht auf. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir noch zwei, drei Jahre unter der Pandemie leiden werden.

Sie haben die konzertlose Zeit genutzt, um das Debütalbum eines jungen Bluesmusikers zu produzieren. Wie kam es dazu?
Lucky Wüthrich habe ich vor über zehn Jahren kennengelernt. Es war ein Glücksfall, dass er letztes Jahr ein Dutzend tolle Songs parat hatte. So habe ich ihn im Februar mit meinem Label Funk House Blues Productions unter Vertrag genommen und sein Album «Steady» kürzlich veröffentlicht. Die ersten Reaktionen waren sehr positiv.

Sie sind beide Thuner. Was haben Sie sonst noch gemeinsam?
Wüthrich und Fankhauser sind beides Emmentaler Geschlechter und ähnlich «dumme» Namen – für einen Bluesmusiker! (lacht)

Weshalb? Sie haben doch den Funk drin und ein Wüthrich sprüht vor Energie …
(Lacht) Wir sind auch gut an unserem Thuner Berndeutsch erkennbar. Wir trinken nicht «Miuch», sondern «Milch». Ausserdem sind wir recht geerdet und demütig. Die Bluesmusik ist unsere Passion, aber wir wissen, dass wir sie nicht erfunden haben und sind kein Poser.

Und wie sieht es mit einem neuen Album aus?
Ich würde es gerne in einem Jahr herausbringen. Momentan fehlt mir noch der Druck, den ich brauche, um kreativ zu sein.

Reinhold Hönle

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