R&B-Sänger Jesse Ritch (30) singt in «Heiweh-Fernweh» im Musicaltheater Expo Bern Hits von Lo & Leduc und Loco Escrito.
Hallo Jesse, packt Sie eher das Heimweh oder das Fernweh?
Von beidem ein wenig. Wenn ich mit DJ Bobo im Ausland unterwegs bin, habe ich Heimweh, aber Fernweh kenne ich natürlich auch. Je älter ich werde, desto mehr vermisse ich meine afrikanischen Wurzeln. Da ich letztmals als Kind im Kongo war, ist es nun an der Zeit, wieder einmal hinzureisen.
Wer wohnt dort?
Viele Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten. Wir haben eine grosse Familie! (lacht)
Welche der vielen Schweizer Hits im «Heiweh-Fernweh»-Musical interpretieren Sie?
Den Sommerhit «Punto» von Loco Escrito singe ich im Duett mit Isabel Florido auf Spanisch und den grössten Charterfolg aller Zeiten, Lo & Leducs «079», in einer jazzigen Version auf Berndeutsch.
Wovon handelt «Heiweh-Fernweh» und welche Rolle spielen Sie?
Das Musical handelt von einer Strandbar, die kurz vor dem Konkurs steht. Das Ehepaar, das die Strandbar führt, versucht sie zu retten, indem es bei einer Jobvermittlung anruft und eine Hippietruppe kommen lässt, die den Betrieb wieder in Schuss bringen soll. Ich bin eines von drei Cool Kids, die dort immer herumhängen und flirten.
Welche Erinnerung haben Sie an Ihre erste Musical-Erfahrung «Der Löwe, der nicht schreiben konnte», als Sie noch zweifelten, ob Sie ausreichend schauspielerisches Talent besitzen?
Die Hauptrolle als Löwe war gleich zeitig eine riesen Herausforderung und eine Chance für mich. Dabei war eine Musicalkarriere nie mein Ziel. Ich bin da reingerutscht.
Welche Erfahrungen haben Sie dabei gesammelt?
Ich hatte sehr erfahrene Leute um mich herum und konnte viel lernen, vor allem schauspielerisch. Ich hatte keine Ahnung, wie man mit Mimik, Gestik und Pausen arbeitet. «Heiweh-Fernweh»-Regisseur Max Sieber hat mich dann bei der «Löwen»-Premiere gefragt, ob ich mitwirken möchte, wenn er mit seinem Musical auf Tournee geht. Nun spielen wir es sogar in Bern. Das ist natürlich mega cool, ein Heimspiel!
Welches waren Ihre bislang wichtigsten Konzerte in Bern?
Ich durfte als Sänger bei DJ Bobo schon vier Mal in der Post Finance-Arena auftreten sowie mit anderen Produktionen in der Bern Expo und im Kursaal.
Sind Sie noch öfters in Bern?
Seitdem ich in Thun wohne, nicht mehr so viel; aber wieder mehr, da ich seit einem Jahr in Bern eine Ausbildung zum Kommunikationsfachmann mache – sofern Corona es erlaubt.
Was bietet Ihnen Thun, was Bern nicht hat, und umgekehrt?
Bern ist mittlerweile ziemlich urban. Es gibt viel mehr Leute, es hat mehr Zürigroove. Das gefällt mir noch. Das Gemütliche von Thun entspricht mir aber mehr. Mit Dreissig wird man eben ruhiger und bequemer. (Lacht)
Im Sport geht eine Silber- oder Bronzemedaille oft unter, wenn Landsleute vor einem auf dem Podest stehen. Wie haben Sie das bei «Deutschland sucht den Superstar» erlebt?
Die Freude über den dritten Platz war riesig, da ich nie damit gerechnet hatte. Luca Hänni und ich haben uns alles gegönnt. Sein Sieg hat unser Verhältnis überhaupt nicht getrübt. Natürlich wollte auch ich gewinnen, als wir im Finale standen. Schliesslich ist es ein Wettbewerb. Als ich es nicht schaffte, war ich zuerst auch sehr traurig. Ich möchte dieses halbe Jahr in Köln aber auf keinen Fall missen, denn es war die prägendste Zeit meiner ganzen Karriere.
Vor zwei Jahren haben Sie den SRF-Tanzwettbewerb «Darf ich bitten?» gewonnen. Schlägt sich das bei Ihnen wie bei Luca Hänni, der bei «Let’s Dance» siegte, in Ihrer Bühnenshow nieder?
Nein, mit dem Tanzen habe ich vor allem wieder ein Hobby gefunden, wie ich es nicht mehr kannte, seitdem die Musik zu meinem Beruf geworden war und ich deswegen dort immer automatisch darüber nachdenke, was ich aus einer Idee machen kann.
Stimmt es, dass Ihnen der Finaltanz zu «Schnufe» geholfen hat, den Schmerz zu verarbeiten, den es Ihnen bereitet hat, als Ihre Frau Sie 2018 nach zwei Jahren Ehe verlassen hat?
Ja, es war für mich ein guter Abschluss des Verarbeitungsprozesses, für den ich mir viel Zeit genommen hatte, weil ich neu herausfinden musste, wer ich bin. In der Partnerschaft übernimmt man gewisse Muster, funktioniert als Team. Und dann ist man plötzlich alleine. Ich habe all meine Gefühle in diese dreiminütige Performance reingelegt und glaube, dass dies die Fernsehzuschauer gespürt haben. Selbst zwei Jahre danach kriege ich immer noch Gänsehaut.
Wären Kopf und Herz nun wieder frei, um Frühlingsgefühle unbeschwert ausleben zu können?
Ja, ich bin wieder mit mir im Reinen, als eigenständige Person, die auch für sich allein, ohne Partnerin, komplett ist. Inzwischen bin ich aber wieder glücklich verliebt.
Wie sehen Ihre weiteren Pläne 2022 aus?
Mit DJ Bobo werde ich einige Konzerte im Ausland nachholen. Dann freue ich mich auf die beiden Letzigrund-Shows mit den Büetzer Buebe im August. Im Herbst kommt mein erstes Mundartalbum heraus.
Reinhold Hönle