Obschon Florian Scholz seit zwei Jahren KTB-Intendant ist, übernimmt er ab nächster Saison erstmals die künstlerische Gesamtleitung im Vierspartenhaus, das neu Bühnen Bern heisst. Ein Gespräch über seinen Lohn und Wagner als Dauergast.
Ihre Ferien verbringen Sie unter anderem am Aix-en-Provence-Festival in Südfrankreich auf Talentsuche. Geht ein Pandemiejahr mehr an die Substanz als eine «normales» Saisonjahr?
Es ist sogar viel anstrengender, nicht nur für mich, sondern für uns alle. Man darf hier auch nicht die psychische Belastung vergessen und dass für die Künstler während der Corona Krise ein Lebensentwurf auf Eis gelegt wurde.
Aus Konzert Theater Bern werden die Bühnen Bern. 2014 hat der deutsche Bund unter anderen die Berliner Festspiele gekauft und als «Bundes Bühne» deren Erhalt gesichert. Schielen Sie auf die verlorengegangene Bundesmillion?
Überhaupt nicht. Das hat mit dem neuen Team zu tun, das hier wesentlich die künstlerische Zukunft bestimmen soll und wir waren uns alle einig, dass wir eine Marke schaffen wollen, die offen und einladend ist. Kommt hinzu, dass der alte Name nach Arbeitstitel klang.
Den Bühnen Bern fehlen 400 000 Franken pro Saison.
Die Herausforderung der notwendigen Einsparungen ist hart und die Wahrheit ist unpopulär: Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.
Ihnen gelang mit Roger Vontobel als Direktor für das Schauspiel ein Coup. Wie lange kann man so einen Crack in einer Stadt wie Bern halten?
Er hat wie wir alle einen Vierjahresvertrag. Roger brennt an beiden Enden und ist jetzt erstmal hier.
Das Sorgenkind heisst Musiktheater. KTB hat allein 2018/2019 12 000 Besucher verloren. Welche Gedanken haben Sie sich mit Chefdirigent Nicholas Carter und Dramaturg Rainer Karlitschek gemacht, um diese Leute zurückzuholen?
Unsere Hoffnung ist schon, das Haus voll zu bekommen. Darum haben wir das Musical «Evita» von Andrew Lloyd Webber an den Start gesetzt.
Brauchen Musicals und solche Kassenschlager Subventionen?
In Bern schon, sonst können Sie das Stück nirgends in der Schweiz sehen.
In der Oper wurden unter Stephan Märki und Xavier Zuber Epochen wie der Barock und der Verismo oder die Opera buffa vernachlässigt. Dafür gibt es fast jedes Jahr eine WagnerOper und unter Ihrer künstleri – schen Leitung den ganzen Ring obendrauf. Geht es um Proflierung?
Nein, es geht darum, Nicholas Carter überhaupt nach Bern zu bekommen, ein Dirigent notabene, der es bereits ganz nach oben geschafft hat.
Dann ist Wagners Tetralogie Herrn Carters Bedingung für Bern?
Es geht ihm vor allem um ein künstlerisches Anliegen. Wir können ohnehin nur einen Teil eines sehr breiten Spektrums bringen und möchten das möglichst in seiner Vielfalt abbilden.
In Bern und bei Theater Orchester Biel Solothurn TOBS läuft nächste Saison mit Bellinis «I Capuleti e i Montecchi» die gleiche Oper in der Region. Gibt es keine Absprachen?
Zuerst waren Dieter Kaegi (Intendant bei TOBS, d. Red.) und ich etwas ratlos. Wir fanden aber, dass es bei diesem Werk in Ordnung ist, weil wir verschiedene Ansätze haben. Es soll aber die Ausnahme bleiben.
Nach Stephan Märkis Abgang mit Lohnfortzahlung gab auch die Entlöhnung des Intendanten zu reden, die höher als beim Berner Stadtpräsidenten sein soll. Verdienen Sie zu viel?
Ich schäme mich nicht für mein Einkommen und muss mich nicht rechtfertigen. Ich habe Jahrzehnte meines Lebens auf eine solche Position hingearbeitet. Wäre ich in der Privatwirtschaft, würde ich wesentlich mehr verdienen. Man darf auch nicht vergessen, dass dieser Job 365 Tage à 24 Stunden in Anspruch nimmt.
Das Modell des Superintendanten, der über den anderen Direktoren thront, wird in Bern wiederkehrend kritisiert. Können Sie das nachvollziehen?
In Klagenfurt hatte ich wesentlich mehr Entscheidungskraft. In Bern ist es praktisch umgekehrt: Ich kann lediglich Mal ein Nein einlegen und sollte das aufgrund der künstlerischen Freiheiten auch nicht zu oft tun. Am Ende ist es halt auch so, dass ich für alles den Kopf hinhalten muss.
In Klagenfurt lebten sie am Wörthersee, jetzt mit der Aare an einem Fluss. Was ist besser?
Der Fluss ist etwas brenzliger. Ich gehe oft in die Aare, aber dieses Jahr war es mir mit all den Baumstämmen und dem hohen Wasserstand noch zu gruselig.
Peter Wäch