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Markus Maria Enggist, Intendant am Theater Matte, führt Regie und steht auch selber auf der Bühne. Fotos: Helen Lagger

«Ich spielte oft den Schlufi mit Seiten­scheitel, der irgendwann explodiert.»

Markus Maria Enggist ist Intendant am Theater Matte. Gleichzeitig führt er Regie und steht selbst auf der Bühne – auch mal als Taube, Fliege oder Hund in einem Kinderstück.

Im Theater Matte gibt es keinen Bühneneingang. Dadurch begegnen sich Schauspieler:innen und Besucher:innen häufiger als anderswo. Überhaupt ist im bekanntesten Mundart-Theater Berns einiges ein wenig «heimeliger» als anderswo. «Wir sind alle Allrounder», so Intendant Markus Maria Enggist. «Kein reines Laien- und kein reines Profitheater». So ist er selbst nicht nur für die Geschäftsleitung und die künstlerische Ausrichtung zuständig, sondern führt auch Regie und steht immer wieder selbst auf der Bühne. «Das Menschliche und die Nähe zum Publikum machen unser Theater aus.» Beim Treffen mit dem Bärnerbär steht gerade die Premiere des Stückes «Kontakte» (siehe Box) bevor. Enggist spielt zwar nicht im Stück, wagt sich aber beim Fototermin trotzdem in den dafür aufgebauten Boxring. Im Stück von Sylvia Hoffman geht es um einen Schlagabtausch zwischen Mann und Frau. «Im Original daten die beiden in verschiedenen Bars», so Enggist. Regisseurin Claudia Rippe habe sich gemeinsam mit Bühnenbildner Fredi Stettler für einen Boxring entschieden. Enggist versteht das Theater Matte nicht als Lustspiel- und Boulevardort, aber man dürfe hier immer mal wieder grinsen. Er selbst habe oft einen Schlufi gespielt, so ein bisschen einen unterdrückten Typen, der irgendwann explodiere. «Solche Ausbrüche haben mir dann jeweils grossen Spass gemacht.» Als Regisseur inszeniert Enggist demnächst das Stück «Schwanengesänge» von Fabrice Melquiot. «Es geht um eine Dreiecksgeschichte und eine Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jungen Mann», so Enggist. «Ich habe mich sofort in das Stück verliebt.»

Mit Wiener Schmäh
Enggist ist in Bern als Sohn eines Schweizers und einer Österreicherin zur Welt gekommen. Mit seiner Mutter sprach er wienerisch, einen Dialekt, den er sich als Liedermacher zu Nutze machte. 2006 war für Enggist ein regelrechtes Schicksalsjahr. Sein Sohn wurde geboren und kurz darauf verstarb seine Mutter. In seinem ersten Wiener Austropop-Album «Wirklich» von 2009 widmete er sowohl der Verstorbenen wie dem Neugeborenen Lieder. Momentan habe er die Musik ein wenig auf Eis gelegt, die Liebe zu Wien bleibt bestehen. «Ich habe immer noch viele Freunde und Familie dort.»
Die Theaterleidenschaft packte Enggist in der 2. Klasse, als er an der Schule eigens eine Bühne mit Vorhang aufbauen half und im Stück «König Langohr» die Hauptrolle erhielt. Es ging um ein Kind, das Eselsohren bekam, weil es nicht brav war. Enggist ging nach Hause und verkündete seiner Mutter: «Ich werde Schauspieler.» Nach einer Lehre als Radio- und Fernsehtechniker – die Lehre kam ihm später im Theater zu Gute, wo er auch Lichttechnik machte – bildete er sich an Workshops und in Privatunterricht zum Schauspieler weiter. Enggist erinnert sich, wie er in einer Ausbildung ewig so tun musste, als würde er imaginäre Vasen im Raum herumtragen. Das körperliche Spiel liegt ihm bis heute. Und er versuche zu verstehen, was seine Figur jeweils antreibe.

Dällebach und Taube
2009 heckte Enggist gemeinsam mit der Theatermacherin Livia Anne Richard und weiteren Mitstreiter:innen den Plan aus, aus dem einstigen Saal im Berchtoldhaus ein Theater für Mundartstücke zu machen. 2010 wird das Haus eingeweiht. Unter der Regie von Livia Anne Richard, hatte Enggist in den Jahren 2006 und 2007 auf dem Gurten den Dällebach Kari gespielt. Eine Rolle, an die sich bis heute viele erinnern. Enggist eignete sich mit viel Respekt vor der Berner Legende dessen Duktus, Gang und Sprache an. Zur Vorbereitung hörte er sich unter anderem ein Gespräch mit dessen Nichte Adelheid Binggeli-Tellenbach an. «Es war ein Glück sie noch persönlich kennen lernen zu können.» Gleich in mehrere Rollen schlüpft Enggist im Kinderstück «Dr Muuwurf mit em Gagi ufem Chopf», das er gemeinsam mit seiner Kollegin Livia Franz frei nach dem Kinderbuchklassiker von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch entwickelt hat und das seit 2015 auf Tournee ist. Während Franz den titelgebenden Maulwurf spielt, dem eines Tages ein Häufchen auf den Kopf fällt, spielt Enggist alle anderen Tiere, von denen das Gagi stammen könnte. Nacheinander gibt er die Taube, das Ross, den Hasen, die Geiss, die Chue, das Säuli, die Fliege und den Hund. Gemeinsam haben Enggist und Franz den Tieren zusätzliches Leben eingehaucht, deren Charaktere ausgebaut. «Die Taube ist eine eitle Primadonna, die glaubt, das Zeug zur Opernsängerin zu haben», so Enggist. Intern hätten sie den Vogel «Lady Gagi» – in Anspielung an Lady Gaga genannt.

Helen Lagger

PERSÖNLICH

Markus Maria Enggist wurde 1974 in Bern geboren. 2006/2007 spielte er den Dällenbach Kari im Theater Gurten. 2010 gründete er mit seinen Mitstreiter:innen das Theater Matte. Seit 2021 ist er dort als Intendant tätig. Enggist ist verheiratet, Vater eines Sohnes und lebt in Ostermundigen

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