Popstar und Hitproduzent Dodo spricht über seine Erfahrungen im Containerstudio auf den Alpenpässen, Malaria und weshalb er sich mit Bernern so gut versteht.
Woran denken Sie, wenn Sie «Pass» hören: Ihr Album oder Corona-Pass?
(Amüsiert) Mehr an mein Album. Oder an einen Gebirgspass. Mit den richtigen Pässen habe ich mich mehr beschäftigt als mit dem Corona-Pass.
Wofür steht der Titel?
Ein Pass ist ein Ort, der etwas Magisches, etwas Abenteuerliches und etwas Geschichtsträchtiges hat. Ich assoziiere damit Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, aber gleichzeitig auch Könige sind. Leute, die flüchten, aber auch erobern wollen. Die etwas Neues entdecken und Altes hinter sich lassen wollen oder müssen. Es ist ein Durchgangsort, an dem man nicht lange bleibt. Es ist unwirtlich. 2500 Meter über dem Meer. Da will man nicht sein, oder?
Aber Sie standen mit Ihrem Container, der Studio und Wohnort war, dreieinhalb Monate lang auf drei Alpenpässen. Wie kamen Sie damit klar?
Morgens war es noch windstill, aber um den Mittag rum begann der Wind zu blasen. Schon im September fiel der erste Schnee
Sie sind mit 21 monatelang durch Afrika gereist. Was haben Sie dort gesucht?
Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, und fühlte mich in der Schweiz gefangen. So beschloss ich, sie hinter mir zu lassen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich beim Start in Kloten in der South African Maschine am Fenster sass und auf dem Walkman «Campari Soda» hörte. Ich liebe dieses Lied, das ich total mit dem Wegfliegen assoziiere! Im Moment des Abhebens ist etwas Schweres von mir abgefallen. Danach stürzte ich mich mutig in mein Abenteuer, das mich per Autostopp von Südafrika nach Äthiopien führte und bei dem ich in Mosambik an Malaria erkrankte.
Wie hat Sie das geprägt?
Nach meiner Nahtoderfahrung entschied ich mich, Musik zu machen und keine Zeit mehr mit etwas zu verschwenden, das mir keinen Spass macht.
Wie geht jemand, der Malaria knapp überlebt hat, mit Corona um?
Ich bin geimpft, setze aber auch auf Prävention. Ich achte noch mehr drauf, gesund zu leben, und stärke nicht nur meinen Körper, sondern auch den Geist.
Auf welche Arten tun Sie das?
Ich meditiere und dusche seit drei Jahren jeden Morgen kalt oder setze mich der Kälte aus. Seither bin ich nicht mehr krank. Das habe ich von Wim Hof gelernt, dem Iceman. Als ich bei ihm war, habe ich gelernt, dass man ins kalte Wasser springen muss. Machen Sie das mal! Es ist nicht schön, aber das Adrenalin, das ausgeschüttet wird, macht Sie gesund (lacht).
Wie kam es, dass Sie mit Beatrice Egli «Matterhorn» schrieben?
Wir haben uns bei «Sing meinen Song» besser kennengelernt. Ich finde sie menschlich sehr spannend und bewundernswert. Ich ziehe meinen Hut davor, wie sie sich in der männerdominierten Musikszene, in der Frauen oft sexualisiert werden, durchgesetzt hat. Sie hat gesagt: «Scheiss drauf, ich werds euch allen zeigen! Ich komme aus einer Metzgerfamilie, sehe aus, wie ich aussehe, und das heisst nicht, dass ich nicht singen und meinen Traum leben kann.» Ihr Wille hat mich fasziniert. Ich habe die gleiche Einstellung. Deshalb habe ich ihr gesagt, dass ich gerne mal etwas mit ihr schreiben würde. Als sie dann an ihrem Album arbeitete, fragte sie mich, ob ich Lust hätte. Darauf lud ich sie in meinen Container ein und wir haben es getan.
Bisher haben Sie als Produzent vor allem Berner Künstler an die Spitze der Hitparade gebracht. Weshalb verstehen Sie sich mit denen so gut?
Polo Hofer hat mal gesagt: Wenn du wirklich erfolgreich sein willst, brauchst du einen Berner in der Band (lacht). Sie haben etwas in ihrer Musikalität. Ein Vermächtnis. Eine Kultur. Seit Generationen. Das ist ihre DNA. In Zürich haben wir so etwas nicht. Wir haben Baby Jail und Taxi und die neue Generation, die etwas zu entwickeln versucht. In Bern kennen alle die Lieder von Mani Matter auswendig und singen bei Konzerten von Patent Ochsner, Züri West und Lo & Leduc jeden Song mit. Sie sind stolz. Sie sind auch in jedem Genre, bis auf Reggae vielleicht, die Führenden.
Die Beispiele Lo & Leduc, Steff la Cheffe und Nemo zeigen aber, dass Sie einen Zürcher Berner-Versteher ganz gut brauchen können …
Ich weiss auch noch nicht genau, weshalb es zwischen uns Klick macht. Berner sind im Gegensatz zu Zürchern eher introvertiert und melancholisch. Sie denken länger nach, bevor sie etwas machen. Ich bin eher einer, der macht. Ich sage: Lass es uns probieren! Wenn wir zu lange warten, ist es vielleicht vorbei.
Reinhold Hönle