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«Inklusion ist, wenn sich alle wohl fühlen.»

Rahel Bucher ist Mitgründerin und Mitbetreiberin des inklusiven Kulturortes «Heitere Fahne». Der Bärnerbär hat sie am Festival Säbeli Bum getroffen und mit ihr über die Kraft des Kollektivs gesprochen.

Stöffu wie ihn hier alle nennen, verkauft Festivalbändeli und verteilt Tombola-Lose. Eine bekannte Berner Kunstsammlerin schlendert neugierig über das Gelände und ein Mädchen mit Downsyndrom jagt lieber einem Ballon nach, statt dem Rapkonzert, das gerade auf der Bühne stattfindet, zu lauschen. Der Bärnerbär ist am Säbeli Bum, Berns Musik- und Theaterfestival für Menschen mit und ohne Behinderungen. Hier treffen wir Rahel Bucher, Mitgründerin und künstlerische Co-Leiterin des inklusiven Kulturortes «Heitere Fahne» in Wabern, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert. Das Säbeli Bum gibt es sogar schon 15 Jahre. Bucher ist es ein Anliegen zu betonen, dass sie nichts alleine macht. «Wir sind ein Kollektiv bestehend aus rund 25 fest angestellten Leuten und vielen Freiwilligen.» Zum Treffen mit dem Bärnerbär nimmt sie Michael Ritz mit und stellt diesen als «guten Geist» des Hauses vor. Ritz wohnt in der unmittelbaren Nachbarschaft der «Heiteren Fahne». Es ging ihm psychisch nicht immer gut. «Ich erhielt eine IV-Rente und wusste nicht so recht wie es weitergehen sollte.» Ritz klopfte bei der «Heiteren Fahne» an und meldete sich als Freiwilliger. «Ich helfe in der Küche, spiele kleine Rollen in Theaterproduktionen oder bastle im Atelier an Dekorationen für Festivals.» Als Liebesgeschichte bezeichnet er seine Beziehung zu diesem inklusiven Kulturort mit Beiz, das den Untertitel «Die Idealistenkiste» trägt. Rahel Bucher bezeichnet das Beispiel von Ritz als exemplarisch. «Bei uns kannst du anklopfen und dich ausprobieren.»

Frei nach Fellini
Inklusion finde statt, wenn die unterschiedlichsten Menschen zusammenkämen, so Bucher. «Es bedeutet einen Ort zu schaffen, an dem sich alle wohl fühlen, teilhaben können.» Das gilt auch für Menschen mit kleinem Budget. Am Säbeli Bum etwa zahlt man keinen Eintritt, sondern kauft ein Solidaritäts-Bändeli zu einem selbst fest gelegten Preis. Bucher, die Politikwissenschaften und Theaterdramaturgie studiert hat, ist eine Praktikerin. «Ich habe am meisten gelernt, in dem ich es einfach gemacht habe.» Programmation, Regie, Fundraising, Kommunikation und Konzeptentwicklung gehören unter anderem zu ihren Aufgaben. Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter programmieren nicht so strategisch wie andere Häuser. Das neuste Theaterstück des Cirque de Loin, das am Säbeli Bum heute noch in einem eigens dafür aufgebauten Zirkuszelt gezeigt wird, hat Bucher zum Beispiel selbst noch nicht gesehen. «Ich gehe gerne Experimente ein.» Oft ergäben sich langfristige Kollaborationen mit Partnerinnen und Partnern.

So nutzt die «Heitere Fahne» die Kraft des Kollektivs. Aktuell etwa entstand gemeinsam mit Bühnen Bern und dem Theaterkollektiv «Frei_Raum» ein Stück frei nach Frederico Fellinis «La Strada», das an unterschiedlichen Orten unter freiem Himmel gastiert. Auch an anderen Orten der Schweiz – wie etwa am Theaterspektakel in Zürich ist die «Heitere Fahne» präsent. Dieses Jahr mit dem Stück «Völlig losgelöst». Der erste Anlass, der in der Heitere Fahne stattfand, war das Gugus Gurten, ein alternatives Musikfestival, das parallel zum Gurtenfestival stattfindet. Konzerte, Performances oder Disco, irgendetwas ist in der «Heitere Fahne» immer los. «Wir sind häufig verkleidet an unseren Anlässen», so Bucher. Über die Jahre habe die «Heitere Fahne» sich einen grossen Kostümfundus zugelegt. Mit Menschen mit Behinderungen kam Bucher durch ihren Partner, dessen Eltern ein Heim leiteten in Kontakt. «Ich nahm zudem an verschiedenen Insieme-Ferienlagern teil.» Viel habe sich in den letzten Jahren zum Guten verändert, punkto Inklusion. Doch es kämen auch neue Themen auf. «Es gibt zum Beispiel immer mehr Menschen mit traumatischen Fluchterfahrungen, Menschen mit Sinnfragen und psychischen Herausforderungen», so Bucher. Was macht sie heute noch am Säbeli Bum? «Ich sage jetzt dann gleich die Rapperin Tashan aus Münsingen an. Eine Hip Hop Grösse.» Danach helfe sie noch ein wenig bei der Tombola und kümmere sich um den Einlass beim Zirkuszelt. Und was macht Ritz, der gute Geist des Hauses? «Ich gehe abwaschen.»

Helen Lagger

PERSÖNLICH

Rahel Bucher wurde am 14.7.1978 in Bern geboren. Sie hat Politikwissenschaften und Theaterdramaturgie studiert und ist Mitgründerin und Co-Leiterin des Kulturhauses «Heitere Fahne» in Wabern. Bucher lebt in Bern und ist Mutter zweier Kinder.

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