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«Mein Mut liegt in meinem Beruf»

Evelyne Pfeffer ist Kostümbildnerin am Theater Matte und hat wissenschaftliche Illustration studiert. Wir haben sie in ihrer Wohnung neben dem Theater Matte besucht und mit ihr über die Liebe zum Zeichnen und zur Physik gesprochen.

Theoretisch könnte man von Evelyne Pfeffers Schlafzimmerfenster aus direkt in die Aare springen. Sie wohnt in der Nähe des Läuferplatzes, neben dem Theater Matte, für welches sie als Kostümbildnerin tätig ist. Wenig überraschend gibt es in ihrem kleinen bunten Reich eine Nähmaschine und viele Kleider. Pfeffer war Mitgründerin und Designerin des Berner Modelabels «PAMB». Gemeinsam mit Nicole Verbeek und Andrea Streit hat sie die Marke während vierzehn Jahren aufgebaut und etabliert. Doch Pfeffer kam irgendwann ihr Wissensdurst in die Quere. «Ich wollte studieren.» Sie machte einen Bachelor of Arts, liess sich zur Schnitttechnikerin ausbilden. Sie war in ihrem Element und merkte: «Mit den Händen gelingt mir alles.» Auch das Mathematische, das Abnähen und Verschieben von Formen fasziniert Pfeffer.

Der Preis einer Bluse
Wenn sie für das Theater Matte, vorzugsweise unter Regie von ihrer einstigen Schulfreundin Corinne Thalmann, arbeitet, kommt ihre konzeptuelle Seite zum Tragen. «Man versucht mit der Kleidung eine Geschichte zu erzählen.» Für das Stück «Lassen Sie meine Wörter in Ruhe!» (2018) von Franz Hohler steckte sie die Hauptdarstellerin in einen Trainingsanzug. Oft kommt es aber auch vor, dass Pfeffer alle Kleider selbst herstellt. So nähte sie für das Stück «Momentum» (2022) Ensembles aus Pannesamt, die kuschelig wirken sollten, ohne an einen Pyjama zu erinnern. Das Budget sei jeweils sehr knapp und wenn man nicht auf «Fast Fashion» zugreifen wolle, mache man lieber alles selbst. Als selbstständige Schneiderin, die noch vereinzelt Aufträge entgegennimmt, stellt sie fest, wie sehr die schnelllebige Mode die Erwartungen von Konsumentinnen und Konsumenten verändert hat. «Sie sind nicht bereit, 25 Franken für das Kürzen einer Hose zu bezahlen, weil sie für diesen Preis eine neue kriegen.» Während ihres Studiums recherchierte sie den Wert und Preis einer H&M-Bluse, die 24.95 Franken kostete. Dieser Preis sei nur möglich, weil den Angestellten Mindestlöhne statt Existenzlöhne gezahlt würden und weil es Zwangsüberstunden gäbe. Sie nähte die exakt gleiche weisse Bluse und rechnete aus, was die Herstellung in der Schweiz unter fairen Bedingungen kosten würde. «Der Preis ist fünfmal höher, aber eigentlich kein Luxuspreis», so Pfeffer. Ein tatsächlich nachhaltiges Material gebe es nicht. «Aber einen nachhaltigen Umgang damit.»

Zusammenarbeit mit der Physik
«Während meines Vollzeitstudiums musste ich ganz schön jonglieren, um finanziell über die Runden zu kommen», so Pfeffer. Sie sei froh, schuldenfrei durch die drei Jahre gekommen zu sein. Doch ihr Wissensdurst war noch nicht gestillt. An der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie diesen Sommer im Bereich «wissenschaftliche Illustration» ab. Für ihre Bachelor-Arbeit hat sie mit dem Departement «Physik» an der Uni Basel zusammengearbeitet. Pfeffer hat so genannte Graphen untersucht, die Bezeichnung für eine Modifikation des Kohlenstoffs mit zweidimensionaler Struktur, und sich dabei mit dem Muster «Moiré» beschäftigt. «Ich kann mir gut vorstellen, einmal selber Stoffe herzustellen», so Pfeffer. Beim wissenschaftlichen Zeichnen gehe es darum, anhand von Bildern Wissen zu vermitteln. So hat Pfeffer etwa die Abfolge eines Gelenktests für Windhunde illustriert. «Es ist ein sehr alter Studiengang». Früher habe man viel aquarelliert, heute mache man vieles digital.

Barfuss auf der Bühne
Als Kostümbildnerin ist Pfeffers Expertise als nächstes im Stück «Gelbes Gold» (Premiere: 21. Februar 2024) gefragt. «Ich lese das Stück, mache mir Gedanken und komme dann mit der Regie zusammen, um Vorschläge zu machen.» Pfeffer mag es, wenn die Darstellerinnen und Darsteller barfuss auf der Bühne stehen. «Schuhe geben viel preis über eine Figur, ich überlasse die Interpretation gerne den Zuschauenden.» Sie mag bei Kostümen sowohl die Übertreibung als auch die Reduktion. Pfeffer ist froh, selbst nicht auf der Bühne stehen zu müssen. «Mir ist wohl in meiner Rolle.» Wenn sie nicht studiert oder näht, dann geht Pfeffer wandern, häkelt oder töpfert. Fernweh kenne sie nicht wirklich. Wenn, dann reist Pfeffer mit dem Zug. Am liebsten sei sie in ihrem eigenen Kosmos in Bern. «Mein Mut liegt in meinem Beruf.»

Helen Lagger

PERSÖNLICH

Evelyne Pfeffer wurde am 27. Juli 1986 in Uznach geboren. Sie hat eine Lehre als Bekleidungsgestalterin absolviert. Während 14 Jahren war sie Mitinhaberin des Berner Modelabels «PAMB». Seit 2018 arbeitet sie als Kostümbildnerin für das Theater Matte. Pfeffer lebt in Bern.

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