Kultur 02021 Doromüggler

Mutter, Wirtin, Einhorn – diese Frau schlüpft in jede Rolle

Schauspielerin Doro Müggler (47) bereitet sich gerade auf ein Hörspiel vor und hofft, bald wieder mit «Gschwüschterti»auftreten zu können. Als eine von drei Schwestern, die zum Einhorn mutiert.

In Doro Mügglers Wohnzimmer liegen verschiedene Skripte herum. Sie lernt zurzeit ihren Part für ein Hörspiel. «Dieses Angebot, das ich kürzlich erhalten habe, ist ein grosses Glück», sagt die Schauspielerin. Der Berner Kabarettist und Musiker Nils Althaus hat das Stück als achtteilige Serie für SRF geschrieben. Müggler spielt eine wichtige Rolle. «Ich bin Ursle, eine Wirtin, die das Restaurant Hirschen führt.»
Ihr eigenes mitproduziertes Stück «Gschwüschterti» liegt hingegen coronabedingt auf Eis. Es ist eine Co-Produktion von Mügglers 2005 gegründeter, freier Gruppe Weltalm Theater (siehe Box) und dem Theater Sgaramusch in Schaffhausen. In Zürich und Schaffhausen konnte das Stück für Kinder ab sieben Jahren bereits gespielt werden. Eine Woche vor der Berner Premiere kam es dann zum totalen Kultur-Lockdown. Im Mai soll es nun auf dem Spielplan des Berner Schlachthaus-Theater stehen.
«Es wird dieses Jahr wohl manchen Produktionsstau geben mit all diesen Stücken, die 2020 nicht gespielt werden konnten», glaubt Müggler. «Gschwüschterti» ist eine sogenannte Stückentwicklung. Das bedeutet, dass sich das Ensemble nicht auf einen bereits bestehenden Text beruft, sondern diesen selbst beim improvisierten Spielen erfindet.

Groteske Fantasie
Die Truppe rund um Regisseurin Carol Blanc besuchte Schulklassen und liess Kinder Geschichten über ihre Geschwister schreiben. «In der Nacht wurden meine Schwester und ich zu Einhörnern. Sie hatte am nächsten Morgen noch immer ein Horn», schrieb ein Mädchen.
Diese groteske Fantasie übernahmen die Theaterschaffenden im Stück. Müggler – sie spielt die mitt-lere von drei Schwestern – wacht eines Morgens mit einem Horn auf. «Man kann das als Zeichen der sich anbahnenden Pubertät deuten. Oder als Zeichen grosser Individualität.» Sie selbst hatte als Teenager eine aussergewöhnliche Entscheidung getroffen. Ihre Eltern, die beide beim EDA arbeiteten, zogen berufsbedingt ständig um. Nach Stationen in London, Dänemark, Libyen und Deutschland beschloss Müggler, in Bern zu bleiben. Kurzerhand fragte sie in ihrer Klasse im Gymnasium, ob jemand sie aufnähme.
So kam es, dass sie mit 16 in einer Pflegefamilie lebte, statt ihren Eltern und der jüngeren Schwester nach Hamburg zu folgen. Eine alleinerziehende Mutter mit drei Töchtern nahm sie auf. «Es war eine sehr coole Zeit.» Die Pflegemutter war es, die sie motivierte, Schauspielunterricht zu nehmen. Doch der Weg zur Bühne war bei Müggler kein geradliniger. Sie studierte ein Semester lang Geschichte und Französisch und entschied sich schliesslich für Jus, was sie bis zum Grundstudium durchzog. Dabei jobbte sie im Gastgewerbe, etwa indem sie bei grossen Banketten im Casino und im Restaurant Zunft zu Webern aushalf.

Auftritt bei «Wilder»
«Lustigerweise habe ich, nachdem ich entschieden hatte, keine Juristin werden zu wollen, den ursprüng-lichen Traumberuf meiner Mutter erlernt.» Müggler machte eine Buch-händlerlehre beim Frauenbuchladen in der Münstergasse. Dabei spielte sie im Rahmen eines Freifachs in der Theatergruppe von Stefan Suske, einem langjährigen Ensemblemitglied bei Konzert Theater Bern.
Suske motivierte sie, Schauspielerin zu werden; erkannte ihr Talent. So entschied sie sich schliesslich für ein Vollzeit-Studium an der Zürcher Hochschule der Künste und zog in eine WG. «Im letzten Jahr der Ausbildung spielte ich Ismene, die Schwester der rebellischen Antigone im gleichnamigen Stück von Sophokles. Das hat mir viel Spass gemacht.»
Dann wurde Müggler Mutter. «Anfangs war das ein Schock. Ich fragte mich, ob ich mit einem klei-nen Kind noch würde spielen können.» Die Beziehung zum Vater des Kindes ging in die Brüche, doch die Grosseltern auf beiden Seiten unterstützen die Schauspielerin, die sich auch kulturpolitisch betätigte, etwa im Vorstand von t. Theaterschaffende Schweiz (siehe Box).

Engagements blieben nicht aus
Müggler hat nicht nur auf der Bühne, sondern auch in zahlreichen Filmen gespielt. So sah man sie etwa in Christof Schertenleibs «Zwerge sprengen» (2010) oder in «Flitzer» (2016), wo sie gemeinsam mit Beat Schlatter drehte. Auch in dem für den Schweizer Filmpreis nominier-ten Film «Atlas» (2021) tritt sie auf.
In der zweiten Staffel der beliebten SRF-Serie «Wilder» konnte sie die Rolle als Schwester von Kommissar Kägi ergattern. «Sie ist chaotisch und etwas verloren, würde aber für ihren Sohn alles tun», beschreibt Müggler ihre Figur in der Produktion.

Helen Lagger

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