Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha begeistert das Berner Publikum in Opern von Mozart bis Wagner. Ihre Traumrolle ist jedoch «Aida» in der gleichnamigen Oper von Verdi.
Wer Masabane Cecilia Rangwanasha auf der Bühne gesehen hat, vergisst sie nicht mehr. «Sie hat Präsenz», wie man so sagt. In ihrer Rolle als «Elettra» in Mozarts Oper Idomeneo bekam sie am Stadttheater Szenenapplaus für ihre Arie, die sie als unsterblich verliebte und rasend eifersüchtige Furie singt. Wir treffen die südafrikanische Sopranistin in einem Proberaum von Bühnen Bern, kurz bevor sie in die Maske muss, um erneut in die Rolle der Elettra – und damit in ein weisses, opulentes Abendkleid zu schlüpfen. Ist sie auch im richtigen Leben eine Diva? «Das sagt man über Sopranistinnen, stimmt», so Rangwanasha. «Ich sehe es jedoch vor allem als grosse Verantwortung, eine Sopranistin zu sein, da du meistens die Hauptrollen spielst.» Das Opernfach versteht sie als kollektive Kunstform. «Es ist Teamwork, wobei alle alles geben.» Konkurrenz dürfte sie von den Gesangswettbewerben kennen, die ihr schon etliche Sonderauszeichnungen und Preise eingebracht haben. Doch sie wiegelt ab. «Es geht nicht um Konkurrenz, sondern darum, zu lernen. Du lernst am meisten, wenn du andere singen siehst, wenn du beobachtest, wie sie sich geben», so die Sängerin, die gleich zwei Jahre hinter einander den Preis «Best South African Song» gewonnen hat. Als international bekanntes Vorbild nennt sie Anna Netrebko. «Ich liebe ihr Selbstbewusstsein. Sie nimmt die Bühne regelrecht in Beschlag.» Dass die russische Sopranistin wegen ihrer Nähe zu Putin in Ungnade gefallen ist, kommentiert Rangwanasha wie folgt: «Ich finde nicht, dass Künstlerinnen und Künstler in Politik involviert sein sollten. Wir sind dazu da, Geschichten zu erzählen und Schönheit zu erzeugen.»
Das «gute» Mädchen
Ihre aktuelle Rolle als Elettra gefalle ihr gut, verrät Rangwanasha. «Man kann sie als Diva bezeichnen, aber sie ist keine schlechte Person. Sie ist einfach sehr überzeugt davon, ein Anrecht auf den Mann zu haben, in den sie verliebt ist, so dass sie schliesslich den Boden unter den Füssen verliert.» Das «gute» Mädchen gibt sie hingegen in «Don Carlos» von Giuseppe Verdi, wo sie mit Elisabeth eine Figur spielt, die ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellt und der Politik halber einen Mann heiratet, den sie nicht liebt. «Man muss viel lesen und recherchieren, um seine jeweilige Rolle zu verstehen.» Aber auch das Kostüm und das Make-up helfe, um in eine Rolle reinzukommen. «Wenn ich eine Königin spiele, dann gehe ich auch wie eine Königin», sagt die Sängerin, die überzeugt ist, dass Schauspielkunst im Opernfach genauso wichtig wie gesangliche Technik ist. «Wer sich zum ersten Mal eine Oper ansieht, wird vor allem durch die Emotionen, die ihm vermittelt werden, abgeholt.» Ihre Traumrolle? «Ich möchte gerne irgendwann ‹Aida› darstellen», verrät sie. In Verdis Oper steht eine Frau zwischen ihrem Vater und ihrem Liebhaber, zwischen Verpflichtung und den eigenen Gefühlen. People of Color erobern zunehmend die internationalen Bühnen, eine Selbstverständlichkeit scheint es jedoch noch immer nicht zu sein. «Wer den Part am besten singt, sollte die Rolle bekommen», meint Rangwanasha bestimmt. Sie ist überzeugt, dass dies in Zukunft so sein wird. Sie selbst steht demnächst als österreichische Prinzessin in der Oper «Guillaume Tell» von Rossini auf der Bühne und ist in dieser Rolle in einen nicht ihrem Stand entsprechenden Schweizer verliebt. «Es gibt eine Art Happy End. Zumindest ist Gessler zuletzt tot», verrät sie lachend.
Der grosse Auftritt in London
Rangwanasha wurde als Jüngstes von vier Kindern geboren. Sie sang als Kind im Schul- und im Kirchenchor und wurde von Lehrerinnen und ihrer Mutter ermutigt, das Singen zu ihrem Beruf zu machen. «Eigentlich wollte ich Rechtswissenschaften studieren.» Die Mutter meinte schlicht: «Du singst immer und scheinst es zu mögen.» Sie entschied sich schliesslich für ein Gesangsstudium an der Universität in Kapstadt, wo sie ihren lyrischen Sopran weiterentwickelte und lernte, «gesund» zu singen, so dass die Stimme keinen Schaden nimmt. Zuletzt war sie am Royal Opera House in London engagiert. Nach Bern holte sie Florian Scholz, der aktuelle Intendant bei Bühnen Bern, der bei einem Gesangswettbewerb in Österreich, den Rangwanasha gewann, in der Jury sass. «Bern ist ein toller Ort, um deine Karriere zu starten und um Erfahrung zu sammeln.» Wie es danach weitergeht, steht noch in den Sternen. In der nächsten Saison wird sie unter anderem am Opera Royal House in London gastieren und Liu in «Turandot» singen. Nach London ging sie vor einigen Tagen bereits aus einem anderen Grund: Rangwanasha trat vor Queen Elisabeth II. – anlässlich ihres 95. Geburtstages – in der Royal Albert Hall auf.
Helen Lagger