Seit 25 Jahren moderiert Ueli Schmezer den «Kassensturz». Im Interview erzählt er von seiner Rolle als Konsumentenschützer, Vater und wieso ihm im Zug noch heute Kaffee offeriert wird.
Woran denken Sie beim Stichwort Familie?
Ich bin ein Familienmensch. Auch wenn unsere Söhne erwachsen sind. Meine Rolle als Vater ist die einzige in meinem Leben, in der ich wirklich unersetzlich bin. Ich finde, es tut uns allen gut, wenn wir uns gelegentlich fragen: Wie möchtest du nach deinem Abgang in Erinnerung bleiben? Meine Antwort lautet: als guter Vater.
Wie sehen Sie die Rolle, die Sie als «Mister Kassensturz» seit 25 Jahren spielen?
(Lacht) Erstens: Ich spiele keine Rolle. Ich bin die Speerspitze der Redaktion, stelle kritische Fragen und setze mich für Konsumentinnen und Konsumenten ein. Als Interviewer und Moderator bin ich im besten Fall so gut wie die Recherchearbeit, die wir vorher geleistet haben.
Wo liegt der Unterschied zwischen dem Fernsehstar und der Privatperson Ueli Schmezer?
Ich bin der Ansicht, dass man den Job vor der Kamera als die Person machen sollte, die man ist. Dann ist man authentisch. Ich muss nicht in die Rolle des Konsumentenschützers schlüpfen. Wenn mir Märchen aufgetischt werden, will ich die Wahrheit herausfinden. Als Journalist glaube ich etwas erst, wenn ich es überprüft habe. Die Basis unseres Zusammenlebens in einer Demokratie ist jedoch gegenseitiges Vertrauen.
Zieht es Sie nicht herunter, dass Sie meistens mit Fällen zu tun haben, in denen das Vertrauen missbraucht wurde?
Das Unerfreuliche in der Sendung ist das Eine, aber das wirklich Schwierige ist, jede Woche an mich persönlich gerichtete Mails und Briefe zubekommen, die etwa so beginnen: «Lieber Herr Schmezer, Sie sind der Einzige, der mir noch helfen kann.» Da muss man sich eine Haltung zulegen, die einen schützt, da man – ähnlich wie in einem Pflegeberuf – nur helfen kann, wenn einem das Leid nicht auffrisst.
Welche «Kassensturz»-Geschichten sind Ihnen besonders in Erinnerung?
Ehrlich gesagt: Ich habe kein gutes Gedächtnis. Vor ein paar Jahren haben wir jedoch für bessere Arbeitsbedingungen der Menschen gekämpft, welche im Zug die Minibars bedienen. Obwohl es schon eine Weile her ist, kommen heute noch welche von ihnen auf mich zu und fragen: «Herr Schmezer, darf ich Ihnen einen Kaffee offerieren?» Das berührt mich sehr.
Wie reagieren die Passanten, wenn Sie in Bern unterwegs sind?
Manchmal loben sie, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Andere winken mir zu, wobei ich staune, wenn sie mich erkennen, obwohl ich einen Velohelm, einen Skihelm oder – in der aktuellen Situation – eine Maske trage. Wenn ich nach den Kon-zerten Autogramme gebe, bekomme ich jedoch auch andere Töne zu hören (er verstellt die Stimme): «Also, Herr Schmezer, als Musiker gefallen Sie mir schon besser!» (Lacht)
Wie oft haben Sie in den letzten 25 Jahren überlegt, zu einer anderen Sendung oder in eine andere Branche zu wechseln?
Ich bin nicht der Typ, der eines Tages in eine Midlife-Crisis gerät. Ich habe quasi permanent eine Krise (grinst) und frage immer wieder, ob ich das mache, was mir wirklich wichtig ist. Daran, dass ich immer noch beim «Kassensturz» bin, sehen Sie, dass es der Ort ist, der für mich stimmt – und ich hoffe, auch für das Publikum. Ich finde es schön, eine Arbeit zu haben, mit der ich etwas erreichen kann und die sinnvoll ist. Oft, wenn wieder eine Journalisten-Kollegin oder ein -Kollege als Mediensprecher in ein Bundesamt oder in die Privatwirtschaft abwandert ist, habe ich gedacht: «Oh, das ist aber schade um den!» Trotzdem habe ich mich auch gefragt, ob mir das entsprechen würde, und kam zum Schluss, dass es für mich entscheidend ist, dass ich mich mit dem identifizieren kann, was ich mache.
Was ist für sie eine sinnvolle Tätigkeit?
Allen voran eine im Bereich der Pflege, der Ausbildung, nach Kindern schauen. Das finde ich besonders wertvoll. Journalismus ist ebenfalls enorm sinnvoll und dazu unglaublich abwechslungsreich. Ich habe mich noch nie gelangweilt. Ich liebe die Vielseitigkeit meines Lebens, zu der auch die Musik gehört und bei der die Familie natürlich an erster Stelle steht, ganz generell.
Wie kamen Sie trotzdem auf die Idee, 2018 für den Fulltime-Job als SRF-Direktor zu kandidieren?
(Grinst) Mehr als einen Fulltime-Job habe ich heute schon. Als SRF-Direktor hatte ich mich beworben, weil ich fand, dass es auf diesem Posten jemanden mit primär publizistischem Hintergrund brauchen würde. Und «Kassensturz»-Qualitäten täten dem ganzen Hause gut.
Wie hat es Sie getroffen, dass Sie vom Wahlgremium nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen wurden?
Ich war ernüchtert, dass das Wahlgremium es nicht einmal für nötig befand, mit mir zu reden. Das war schon krass. Die ganze Sache hat auch viel Energie gekostet. Aber ich bekomme auf die Kandidatur bis heute viel positives Feedback.
Sie sind nicht nur der Frontmann des «Kassensturz», sondern auch der MatterLive-Band und der Chinderland-Band. Ist das Musikmachen für Sie auch ein Ausgleich?
Das klingt so nach Therapie, und das ist es nicht. Ich habe das Glück, dass meine berufliche Tätigkeit auf zwei Beinen steht. Von aussen mag es so aussehen, als ob da «ein Fernsehtyp» auch noch Musik macht. Die Alben und Konzerte sind jedoch seit zwanzig Jahren ein selbstverständlicher Teil meines Lebens. Ich finde es toll, wenn man verschiedene Interessen verfolgen und mehrere Facetten ausleben kann.
Was gibt Ihnen die Musik?
Das Geile sind die Momente, in denen man ganz in ihr aufgeht, total fokussiert und durch nichts abgelenkt ist. Auf den «Kassensturz» hätte ich trotzdem nie verzichten wollen. Hier wie dort muss man sich vor einem Publikum bewähren, wobei es auf der Bühne schwieriger ist zwischen den Liedern die Verbindung nicht abreissen zu lassen.
Hat der Musiker mehr vom Moderator profitiert oder umgekehrt?
(Denkt lange nach) Der Moderator hat vom Musiker gelernt, weil ich auf der Bühne rundum gefordert bin, verbal und nonverbal. An dem, wie du dich bewegst, an deiner Mimik und Körpersprache, merkt man, ob du dich wohlfühlst, und das überträgt sich aufs Publikum. Es ist wohl kein Zufall, dass ich bei einer Talentshow fürs Fernsehen entdeckt worden bin.
Wie würden Sie die Italo-Disco-Single «I Want To», mit der Sie 1985 unter dem Pseudonym Jules erstmals als Musiker in Erscheinung traten, in gewohnt kritischer Ueli-Schmezer-Manier heute beurteilen?
Ich würde sagen: affengeil! (Lacht) Genau im Zeitgeist, sehr eingängig. Sie war auch ein Erfolg.
Weshalb haben Sie dann nicht in dieser Richtung weitergemacht?
Das weiss ich gar nicht mehr. Da macht einer einen Song, gibt ihn an Italo-Disco-Kreise weiter und plötzlich wird es in Spanien ein Hit. Trotzdem habe ich dafür, glaube ich, gar nie Geld bekommen. Ich hätte das professioneller angehen müssen. Aber so wichtig war mir das nicht. Ich hatte gerade meine Stelle als Redaktor und Moderator bei DRS 3 angetreten. Aber es war lustig, mit dem Song im «Karussell» oder im «Sonntagsmagazin» aufzutreten.
2009 haben Sie mit «Himustärnehimu» ein wunderschönes Mundart- album gemacht, dem die verdiente Resonanz verwehrt blieb …
Schön, dass Sie das sagen.
Hatten Sie den Eindruck, dass Ihr «Kassensturz»-Image mehr als Platz 52 in der Hitparade verhinderte?
Ich erinnere mich, dass ich mega gefightet habe, damit das Radio, für das ich zehn Jahre gearbeitet hatte, meine Lieder überhaupt spielte. Immerhin sind sie bei SRF1 und einigen Privatradios gelaufen. Obwohl sie nicht so erfolgreich waren wie erhofft, sind sie mir immer noch wichtig. Da sind meine Botschaften drin. Ganz persönliche Dinge. Was hätte es sonst noch gebraucht? Sagen Sie es mir.
Journalisten sind immer besonders kritisch, wenn es um jemand aus ihren Reihen geht, weil man sich nicht nachsagen lassen will, Vitamin B habe geholfen – aber nicht nur deswegen … Vielleicht war es auch einfach nicht der richtige Zeitpunkt für Ihre emotionalen Lieder.
Ich wüsste gerne, was passiert wäre, wenn ein grosser Mundartsänger wie Büne Huber einen dieser Songs gesungen hätte. Ausserdem hatten wir huere Pech. Nachdem ich einen grossen Aufwand betrieben hatte, um einen Sommer lang mit einer geilen Band auf Tournee gehen zu können, hat es fast immer geschifft. Uns hat praktisch niemand live erleben können. Aus Sicherheitsgründen mussten wir sogar mehrere Konzerte abbrechen.
Singen Sie einige dieser Lieder, wenn Sie mit MatterLive aufreten?
Nein, da bin ich strikt. Wenn ich Mani Matter singe, singe ich Mani Matter. Vielleicht könnte ich mit dieser Scheibe aber mal als Vorband auf Tournee gehen? Es ist ja möglich, dass Leute sie wieder einmal hören wollen.
Sie sind immer zwischen Bern und Ihrem Arbeitsort Zürich gependelt. Weshalb haben Sie das auf sich genommen?
Für mich ist klar, dass ich zu Bern gehöre. Ich habe mein Bärndütsch nicht abgelegt, obwohl ich viel in Zürich bin. Hier sind meine Wurzeln, ich habe meine Freunde und Familie da. Hier ist mein Lebensmittelpunkt. Bern ist wunderschön, die Altstadt, die Aare, und es ist überschaubar. Ich bin mit dem Velo in ein paar Minuten im Grünen und mit dem Auto schnell an einem See, in den Bergen, im Jura oder in der Westschweiz. (lacht)
Reinhold Hönle