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Und sie fängt an mit: «Liebe Gutmenschen und Wutbürger»

Kabarettistin Lisa Catena ist nach zwanzig Jahren in der Stadt aufs Land gezogen. Wir haben sie in der Länggasse getroffen, wo sie einst lebte. Politik gehört bei ihren Shows dazu – sie, die einst im Punk zuhause war.

Wir treffen uns im Berner Länggassquartier, wo Lisa Catena während einiger Jahre gewohnt hat. «Ich wollte mich verkleinern», sagt die Kabarettistin, die aus einer Viereinhalb-Zimmer-Wohnung ausgezogen ist. Nun wohnt sie auf dem Land. Die Landfucht ist seit Corona ein viel diskutierter Trend. Sie winkt ab. «Ich bin schon vor der Pandemie umgezogen.» Zurück in die Stadt kann sie so bald nicht ziehen. «Ich habe Geissen.» Im Wallis entdeckte sie eine Spezie Rara, so genannte Walliser Schwarzhalsziegen. «Sie sind sehr süss und sehen ein wenig aus wie Lamas», schwärmt Catena. Nach einer aufwendigen Suche besitzt sie nun einen Bock und zwei Weibchen. Wer mit Catena plaudert, kommt schnell auf die Politik zu sprechen. Kein Wunder. Mit der Satire-Fraktion begleitet sie im Programm «Spasspartout» gemeinsam mit Gästen viermal im Jahr die Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winter-Sessionen auf Radio SRF 1. Sie fungiert als Gastgeberin und fühlt den Politikerinnen und Politikern hartnäckig und politisch unkorrekt auf den Zahn. «Liebe Gutmenschen und Wutbürger, liebe Ab- und Zustimmer», begrüsst sie ihr Publikum fröhlich. Aktuell hat sie sich über die 1. Augustrede eines SVP-Mitglieds geärgert, der die Städter pauschal verunglimpfte. «Ich fnde das primitiv.» Verständnis brauche es füreinander, ist sie, die beide Lebenswelten kennt, überzeugt.

«Sicher etwas mega Peinliches»
Catena kommt aus einem politischen Zuhause. Ihr Vater emigrierte in den Siebzigerjahren aus Kalabrien in die Schweiz, ihre Mutter, eine Bernerin, ist bildende Künstlerin und war politisch aktiv bei der Grünen Freien Liste. «Ich stamme aus einer eher alternativen Familie und musste nicht kämpfen, um Künstlerin zu werden.» Im Alter von fünfzehn Jahren schrieb Catena ihr erstes Lied und brachte sich selbst das Gitarrenspielen bei. Sie erinnert sich nicht mehr genau, worum es in dem Lied ging. «Sicher etwas mega Peinliches, rund um Liebeskummer», lacht sie. Während rund sieben Jahren war sie Mitglied der Frauen-Rock-PunkBand Ladies‘ Room. Catena spielte EGitarre, das Logo bestand aus einem Piktogramm einer WC-Schild-Frau mit Gitarre. «Ich mag immer noch Punk und Rock. Wer weiss, vielleicht gründe ich irgendwann wieder eine Band», verrät sie. Musikalisch spannte sie auch mit dem Mundart- Sänger Trummer zusammen. «Wir kennen uns seit vielen Jahren, hingen zusammen im Thuner Mokka ab und konzipierten gemeinsame Liederabende.» An den Mokka-Betreiber, den 2016 v e r s t o r b e n e n Pädu Anliker, erinnert sie sich wie folgt: «Das war der beste Jugendarbeiter, den die Region je hatte.» Mit ihrer Oberländer Clique musizierte Catena viel. 2009 trat sie mit ihrem ersten Chanson-Programm «Hinderzimmer» auf. «Ich merkte, dass das Publikum an meinen Einleitungen fast noch mehr Freude hatte als an den Liedern selbst. So kam irgendwann der Shift zur Comedy.» 2012 machte sie an den Castings der Oltner Kabarett-Tage mit und gewann prompt den ersten Preis. Dank dem Sieg erhielt sie Unterstützung und konnte mit «Wäutfriede» ihr erstes abendfüllendes Programm auf die Bühne bringen. Catena verhandelte die grossen Themen – Politik, Religion und Gesellschaft. Sie gab sich dabei als naives Hippiemädchen Luna und erzählte unter anderem über ihr liberales Elternhaus, gegen das man höchstens mit Plastikpuppen und Coca-Cola rebellieren konnte.

Komik des eigenen Versagens
In regelmässigen Abständen tritt Catena seit ihrem Durchbruch mit ihren Programmen in der Berner Kabarett-Institution La Cappella auf. «Ein Zuhause», nennt sie den Spielort. Doch mittlerweile kennt man die Comedian, die den Hippie-Look gegen Jeans, Blazer und High-Heels eingetauscht hat, auch in Deutschland, wo sie mit hochdeutschem Programm auf Tour geht. «Ob du im eigenen Land als Bürgerin sprichst oder in einem anderen als Gast, macht einen grossen Unterschied.» 2019 erhielt sie den Deutschen Kabarett-Preis. Ihr aktuelles Programm klingt nach einer Reaktion auf Corona: «Fertig Theater», heisst ihr aktuelles Stück. Doch Catena hatte sich den Titel ausgedacht, bevor alle Bühnen geschlossen wurden. «Der Name war mir während meiner Asien-Reise eingefallen. Als ich zurückkam, ging Corona los.» In ihren Nummern erzählt Catena aus ihrem Leben. «Ich habe häufg zum Thema gemacht, dass ich verschiedene Ausbildungen abgebrochen habe.» Das eigene Versagen berge oft viel Komik, ist die bekennende Schulabbrecherin überzeugt. «Wir sind doch alle unzulänglich.» Was sie nicht mag, ist, wenn Komiker dem Publikum die Welt erklären. «Der Clown hatte doch schon früher die Rolle, sich dümmer zu stellen als sein Publikum.» Wichtig ist es ihr auch, nach allen Seiten auszuteilen. «Ich kann mich mit keiner Partei identifzieren, bin aber ein grosser Fan der direkten Demokratie.» Sie selbst lacht gerne über ganz klassischen Slapstick. «Menschen, die von ihren Stand-up-Paddles fallen, sind doch irre komisch», fndet sie.

Helen Lagger

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