Operndramaturg Dominik Kilchmann hat sich mit dem Bariton und Ensemblemitglied der Bühnen Bern, Jonathan McGovern, getroffen, um Mandelbärli zu schnabulieren. Dabei ging es nicht nur um Süssigkeiten, sondern auch um das Lebensgefühl dieser Stadt.
Jonathan, du bist gebürtiger Engländer, seit einem Jahr Mitglied des Opernensembles der Bühnen Bern und wohnst jetzt auch seit einem Jahr in Bern. Was schätzt du besonders an der Stadt Bern?
Tatsächlich: Die Aare. Die Aare ist so schön. Für mich ist es der Rhythmus der Schweiz, den man täglich sehen kann. Ich habe auch einmal «aare böötle» gemacht, letzten Juni, von Thun bis zum Marzilli. Das war toll! Und ich möchte noch folgenden Plan verwirklichen: Ich wohne in der Altstadt beim Läuferplatz. Dort kann ich direkt in die Aare springen und dann «float to work»: Direkt auf die Bühne.
Das ist eine coole Idee. Und was zeichnet Bern für dich besonders aus? Oder was ist anders im Vergleich zu anderen Städten, in denen du gelebt hast?
Ich habe fast 19 Jahre in London gelebt. Bern ist da im Vergleich natürlich eher kleiner. Das ist der grösste Unterschied. Das Ensemble der Oper hier ist auch nicht so gross, deswegen lernt man sich recht schnell kennen und dadurch ist schnell ein Freundeskreis entstanden, den ich sehr schätze. Wir sind fast eine kleine Familie hier am Theater. Klein aber fein! Und ich geniesse Bern auch geografisch. Alles hier ist ganz in der Nähe, dadurch hast du mehr Zeit für dich, für die Arbeit, fürs Entspannen.
Und wie ist das so für dich in diesem intimen Umfeld Kunst zu machen?
Dadurch, dass wir uns hier im Ensemble so gut kennen, ist es einfacher sich künstlerisch zu finden. Wir können gut zusammenarbeiten. Man kennt die gegenseitigen Eigenarten der Anderen und kann sich darauf einstellen. Es ist eine sehr vertrauensvolle Atmosphäre, um Kunst zu machen.
Ich habe etwas mitgebracht, ich weiss nicht, ob du das schon kennst: Berner Mandelbärli!
Ja! Das ist sehr häufig das Premierengeschenk! Ich habe schon sehr viele von diesen kleinen Bären gegessen.
Ich habe jetzt die Originalen mitgenommen, weil ich nicht wusste, ob du sie kennst oder überhaupt gern hast.
(isst ein Mandelbärli) Mhmm. Es schmeckt einfach immer gut.
Die Berner Mandelbärli schenkt ihr euch immer als Premierengeschenke?
Ja, oft schenken wir uns die gegenseitig. Süssigkeiten gehen aber generell immer. «Schoggi» zum Beispiel (lacht). Ich schenke oft auch eine Postkarte, die irgendetwas mit der Inszenierung zu tun hat. Ich hoffe dann immer, dass meine Kolleg:innen die an den Kühlschrank hängen.
Das ist eine schöne Idee. Du hast jetzt diese Spielzeit sehr viele Partien gesungen. Papageno in der Zauberflöte …
Genau. In Guillaume Tell den Leuthold, Robert in Iolanta und zwei Rollen in «L′enfant et les sortilèges – die Katze und die Wanduhr». Ist das alles?
Natürlich noch deine derzeitige Paraderolle …
Ja, natürlich. Oreste in Iphigénie en Tauride.
Was ist das Besondere an dieser Rolle im Vergleich zum Rest der Spielzeit?
Es ist eine Zwischenfachrolle. Also die Stimmlage der Rolle liegt zwischen Bariton und Tenor. Und das ist eine Herausforderung, diese hohen Töne zu finden. Ich bin ja eigentlich ein Bariton.
Nicht, dass du plötzlich noch Tenor wirst. Du bist unser einziger Bariton im Ensemble.
(lacht) Im Ensemble ja, aber nicht in Bern. Lustigerweise gibt es ja noch einen anderen britischen Bariton in der Stadt. Der war auch lange Ensemblemitglied bei den Bühnen Bern. Robin Adams. Also, wir sind zwei englische Baritone in Bern.
Ja und lustigerweise seid ihr in Iphigénie Antagonisten.
Ja, das ist «two-for-one». In England sagen wir da BOGOF – Buy one. Get one free! Nein, Scherz, wir bekommen schon beide Gage. (lacht)
Und was macht dir besonders Spass an der Rolle des Orest?
Für mich ist es sehr besonders all diese Klangfarben zu singen: Es gibt diese hohen Töne, die fast wie bei Händel Tenören klingen und dann auch diese ganz weichen Momente, in denen du ganz intim und sanft singen musst. Diese tiefen Passagen. Also, die ganze stimmliche Breite dieser Rolle. Macht das Sinn?
Doch absolut, aber die Herausforderung liegt nicht nur im Gesanglichen, sondern auch im Spielerischen?
Ja, natürlich. Einerseits ist die Figur sehr stark und sehr klar, anderseits darf sie auch nicht immer kraftvoll sein. Die persönlichen Momente möchte ich sehr verletzlich darstellen.
Iphigénie en Tauride ist die letzte Opernproduktion dieser Spielzeit. Wieso passt dieses Stück gut zu Bern?
Das Singen in diesem Stück ist einfach ganz wahr und ehrlich, direkt und kraftvoll. Und im Zuschauerraum kommen diese leidenschaftlichen Emotionen auch an. Die Musik ist so schön und klingt doch immer wieder neu. Klar, es ist nicht zeitgenössische Musik, es ist Barock, aber es klingt frisch. Die Geschichte handelt ja von der griechischen Mythologie und das ist eben zeitlos. Ich finde es sehr beindruckend.
Eben dieses Zeitlose, das ist auch Bern, nicht? Diese Altstadt, in der die Gebäude auch noch so mittelalterlich sind, aber in der man trotzdem lebendig und modern lebt, oder?
Ja! Genau! Das Heute und Damals trifft aufeinander. Und genau das ist auch Oper! Die Musik der Vergangenheit trifft auf den Moment der Aufführung. Das Hier und Jetzt verschmilzt mit dem Vergangenen und wird dadurch wieder hochaktuell!
Diese Spielzeit ist Jonathan McGovern noch bis zum 25. Juni als Oreste in «Iphigénie en Tauride» im Stadttheater zu erleben.
Claudia Brier
PERSÖNLICH
Jonathan McGovern wurde in Surrey, England, geboren und erhielt seine professionelle Ausbildung an der Royal Academy of Music. Er sang bereit am Royal Opera House London, an der Staatsoper Hamburg und an der Komischen Oper Berlin. Seit der Spielzeit 2022/ 2023 ist der britische Bariton Ensemblemitglied der Oper Bern, wo er unter anderem als Oreste in Silvia Paolis Inszenierung von «Iphigénie en Tauride» und als Papageno in «Die Zauberflöte» zu erleben ist.