Reverend Beat-Man hat nicht nur in Bern, sondern auch in Japan und Australien Fans. Sein Sound, eine Mischung aus Garage, Punk und Psychobilly, ist nur etwas für starke Nerven.
Er sei ein unbekannter Weltbekannter, hiess es in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens. Damit war gemeint: Die Musik von Reverend Beat-Man wird kaum je am Radio gespielt. Keinen Mainstream, sondern lautstarken Sound spielt und produziert der Berner, den die meisten nur unter seinem Künstlernamen kennen. Als «Reverend» bezeichnet man in den USA Wander- und Laienprediger. «Ich bin eine Parodie darauf», sagt Beat-Man, der in seinem Studio einen hervorragenden Espresso kredenzt. Der 1967 in Bern als Beat Zeller geborene Musiker wuchs zuerst in der Länggasse und später in Hinterkappelen auf. «Es war sehr ländlich», erinnert er sich an seine frühe Jugend. «Wir gingen in die Heuferien und mussten den Bauern helfen, Silos zu stampfen.» Beat-Man hat zwei Brüder, der eine ist Chefredaktor der Gay-Agenda und Partyveranstalter, der andere ein Snowboarder. «Dass mein Bruder schwul war, bereitete ihm in den Siebzigerjahren viele Probleme. Er wurde oft angepöbelt.» Doch die Eltern standen immer hinter ihren Kindern und deren Träumen. Beat-Man wollte eigentlich Musiker oder Comic-Zeichner werden, machte dann aber eine Lehre als Elektromonteur. «Es war eine lustige Zeit.» Als «Stromer» schickte man ihn unter anderem in Stripclubs im Matte-Quartier. «Die Mädchen waren aufgedonnert, als seien sie einem französischen Film entsprungen und sprachen Mattenenglisch», erinnert er sich.
Hauptsache dagegen
Als Musiker trat Beat-Man bereits mit 13 Jahren in Erscheinung. Er hatte eine sogenannte Estrich-Band und spielte auf der Gitarre seines Vaters. Auch die Ukulele seines Ur-ur-Grossvaters kam zum Einsatz. Inspiration fand er beim Radiohören. «Mein Vater besass einen Weltempfänger, so dass ich unter anderem Radio BBC hören konnte.» Beat-Man entdeckte Punk und Heavy Metal, liebte Bands wie die Sex Pistols oder The Damned. Hauptsache dagegen, lautete sein damaliges Motto. Heute ist Beat-Man selbst Vater zweier Kinder und findet: «Es gehört zur Jugend dazu, sich die Hörner abzustossen.» Ein Jugendlicher, der pöbelt, entlockt ihm ein Lächeln, weil ihn ein solches Verhalten an sich selbst erinnert. 1986 gründete Beat-Man die Band The Monsters und 1992 sein eigenes Label Voodoo Rhythm Records. «Das Okkulte und das Religiöse, das Innere und das Äussere haben mich immer schon fasziniert», meint Beat-Man auf die Frage, was ihn an Voodoo, der Naturreligion, fasziniere. «In der Sonntagsschule haben wir mit anstössigen Symbolen versucht, den Pfarrer zu provozieren». Doch der Pfarrer fand, es sei besser, an überhaupt etwas zu glauben, statt an nichts. «Wenn Gott die Suppe ist, ist Satan das Salz», fasst er seine Faszination für die andere Seite zusammen. In der Musik sieht er das Universelle, das Menschen zusammenbringt. Als Beispiel verweist er auf Südafrika, wo die Musik half, schwarze und weisse Kids gemeinsam gegen die Apartheid zu einen. «Meine Konzerte sind wie Messen. Ich singe nicht nur, sondern ich spreche und performe auch.» Beat-Man gibt rund 200 Konzerte pro Jahr, reist um die ganze Welt. «Schon verrückt: Wenn ich in Tokio am Flughafen aussteige, kommen immer ein paar Fans auf mich zu.» Er selbst war früher auf Partys eine Nullnummer, wie er lachend zugibt. «Ich stand in der Ecke.» Zum Tanzen ist sein eigener Sound auch nicht unbedingt gedacht. «Es gibt immer Leute, die meine Konzerte verlassen, weil ihnen der ‹Krach› zu viel wird.» Immerhin: Seine Mutter nahm schon an einem Konzert teil – und blieb bis zum Schluss.
«Sound ist wie Klebstoff»
Beat-Man designt zudem Kleider. Das «M» auf seinem Pullover steht für seine Band The Monsters. Auch das Cover für seine erstes Album zeichnete Beat-Man gleich selbst. Für die Musik, die er mit Voodoo-Rhythm Records produziert, arbeitet er mit Grafikern zusammen. Totenschädel, in Flammen stehende Herzen, Pin-ups aus den Fünfzigerjahren oder die Ästhetik des Wilden Westens prägen Beat-Mans Bilderwelt. An Bern liebt er den Dorf-Groove. «Man kennt sich und hilft einander.» Auch in der Corona-Zeit erlebte Beat-Man viel Solidarität. «Ich bekam Unterstützung von Privaten, die für Platten mehr bezahlt haben als verlangt; einfach so, um unseren Sound und unsere Tätigkeit zu unterstützen.» Musik zu fördern, die nicht radiotauglich ist, liegt Beat-Man am Herzen. «Sound ist für mich wie Klebstoff, der die Gesellschaft zusammenhält», sagt Beat-Man, der mit einer DJane aus Athen liiert ist. Klar, hat er auch dort schon gerockt. «Pulsierend» findet er Griechenlands Hauptstadt.
Helen Lagger