Christine Lauterburg lässt sich in keine Schublade stecken. Sie komponiert und singt auf eigenwillige Art Volkslieder und kombiniert diese mit Techno. «Im Widerspruch liegt die Wahrheit», sagt sie dazu.
Christine Lauterburg trägt ein pinkes Oberteil mit Puffärmeln, Netzhandschuhe, einen Minirock mit aufgedruckten Margeriten und Stoffblumen im Haar. Es ist, als hätte sie den Look einer Raverin mit jenem einer Bäuerin in Sonntagstracht gemixt. Ähnlich eklektisch ist der Sound, den die Musikerin, Schauspielerin und Jodlerin adaptiert, komponiert und singt. Auf dem Album «Alles bleibt anders» (2006) etwa kombinierte sie hypnotisch-sphärische Klänge, sogenannten Naturjutz und das minutenlange Rauschen eines Bergbaches. Es klingt, als wäre Heidi ins Wunderland geraten, nach etwas, das uns vertraut und fremd zugleich ist.
Auf dem Balkon von Lauterburgs Wohnung im Wyler-Quartier wächst ein ganzer Wald der wohl typischsten Schweizer Pflanze, die es gibt – Geranien. Es war in den frühen 80er-Jahren, als Christine Lauterburg das Hiesige für sich entdeckte und anfing, Volkslieder in Mundart zu interpretieren und den uralten Juhz lieben lernte. Dass sie dieses Liedgut mit Techno und Pop anreicherte und auch mal in Netzstrümpfen auftrat, war eine Provokation. Der Eidgenössische Jodlerverband zeigte wenig Verständnis.
Techno-Jodeln in der Botschaft
Doch Lauterburg betont: «Man hat mich nicht rausgeschmissen, ich bin von selbst ausgetreten.» Auch im eigenen Freundeskreis rümpften einige die Nase, als sie zu jodeln anfing. «Spinnsch, Chrige, bisch itz bir SVP?», habe es da etwa geheissen. Doch Lauterburg liess sich nicht beirren und folgte ihrem Weg. Ihr «Echo der Zeit» blieb 19 Wochen lang in der Schweizer Hitparade. «Im Widerspruch liegt die Wahrheit», ist sie überzeugt. Als Siebenjährige fing sie an, Geige zu spielen. Bis heute ist dieses klassische Instrument nebst dem Langnauerörgeli ein wichtiger Begleiter bei ihren Soloauftritten. «Ich liebe klassische Musik. Und höre fast nur Radio SRF2», verrät sie. «Dass viele Schweizerinnen und Schweizer mit der Volksmusik Mühe haben, liegt daran, dass oft nur langweiliges Zeug am Radio gespielt wird. Innovative Gruppen wie Doppelbock , Pflanzplätz, die Hujässler oder Sulp kommen zu kurz.» Lauterburg trug den Jodel in die weite Welt, trat etwa in Afrika oder Russland an Botschaftsempfängen auf. «Im Sudan habe ich grosse Hochachtung erfahren», erinnert sie sich. «Musik spiegelt unsere jeweiligen Landschaften wider. Die Volksmusik in flachen Ländern klingt ganz anders als bei uns, wo es massiv hoch und runter geht.»
Absage ans Supertalent
Lauterburg hat das Jodeln als Jugendliche während eines Landdienstes zum ersten Mal bewusst wahrgenommen. «Es war eine Gruppe von schwarz gekleideten Männern, die einen wunderbaren Klangkörper bildeten», erinnert sie sich. «Es hat mich wahnsinnig berührt.» Bis sie selbst zur Musik fand, dauerte es allerdings noch eine Weile. Sie hatte nach dem Lehrerseminar die Schauspielschule besucht und hatte diverse Auftritte auf deutschsprachigen Bühnen und im Film. «Irgendwann hatte ich genug von den Rollen, die ich spielte.» Am Frankfurter Schauspielhaus war es besonders anstrengend. Lauterburg spielte eine durch Inzest geschädigte Frau und wurde auf der Bühne verprügelt und an den Haaren über die Bühne geschleift. «Wer will das traurige Zeug anschauen?», habe sie sich irgendwann gefragt.
Sie besann sich zurück auf ihre erste Liebe, die Musik. Die Jodlerklubs, die sie anfragte, wollten ihr keinen Unterricht geben. «Spontan sind die nicht», lacht Lauterburg. Schliesslich schloss sie sich einer Gruppe in der Migros Klubschule an und hatte dort eine Lehrerin, die ihr Talent erkannte. Dass sie ihren Jodelgesang im Studio aufnahm und mit Beats unterlegte, hatte einen einfachen Grund. «Ich wollte, dass zum Jodel getanzt wird.» Kürzlich habe eine Pool-Tänzerin sie kontaktiert und geschwärmt, dass Lauterburgs Musik perfekt zu ihrem Programm passe.
Die Musikerin, die für vieles offen ist, hat auch klare Grenzen. Sie wurde angefragt, bei der Castingshow «Das Supertalent» mitzumachen. «Das kam für mich nicht infrage.» Die Wettbewerbssituation störte sie bereits an den Jodlerfesten. Kooperationen hingegen schätzt sie sehr. So hat sie etwa lange Zeit mit dem Musiker Housi Wittlin zusammengespielt. Wenn Lauterburg solo auftritt, setzt sie oft auf schräge, improvisierte Sachen, die sie der jeweiligen Situation anpasst. Wer sie gewinnt, erlebt also garantiert Wundersames.
Helen Lagger