Ueli Schmezer über die Auftritte mit MatterLive und Chinderland bei BYE BYE FESThalle, neue Erfahrungen mit Mani-Matter-Liedern und notwendige Kompromisse.
Was bedeutet es Ihnen, mit MatterLive einer der Hauptacts zu sein, welcher die alte Festhalle in den ewigen Schlaf singt?
Es ist für mich eine grosse Ehre, an diesem historischen Anlass und vor dieser Kulisse, die Teil der Musikgeschichte unserer Stadt ist, auftreten zu dürfen. Ich finde es cool, dass in einen neuen Veranstaltungsort investiert wird, aber das 75-jährige Provisorium, an dem ich mit dem Velo oder Auto oft vorbeifahre, hat mich immer fasziniert.
Was macht die Festhalle in Ihren Augen aus?
Sie ist eine Zeugin einer anderen Zeit, die mir allerdings von aussen besser gefällt als von innen. Dort ist sie nicht speziell schön und auch nicht gerade berühmt für eine gute Akustik. (Lacht) Meine letzte Erinnerung ist ausserdem eine sehr profane, weil ich sie auch als Impfzentrum kenne.
Welche Konzerte haben Sie dort erlebt?
Ich bin mir nicht mehr sicher. Earth, Wind & Fire? Johnny Cash war es nicht. Den habe ich einst in der Eishalle in Worb erlebt. Bei Chris Rea, den ich sehr mag, bin ich mir sicher. Ich ziehe sonst intimere Veranstaltungsorte wie die Mühle Hunziken, Bierhübeli und National vor.
Bereiten Sie sich mit MatterLive speziell auf das «Bye Bye»-Konzert vor?
Ob wir mehr proben als gewöhnlich? Wir proben nie, wir spielen! (Lacht) Wir sind eine Liveband, die spontan entscheidet, was gerade passt. Wir freuen uns aber schon auf das spezielle Ambiente in diesem Cubus, der extra für diese Abschiedskonzerte vor der Festhalle errichtet wurde.
Im letzten Jahr wurde dem 50. Todestag von Mani Matter gedacht. Was ist in Ihnen besonders in Erinnerung?
Wir spielen am 4. August, seinem Geburtstag, immer gratis irgendwo in der Stadt Bern. Wegen des Jubiläums haben wir den Leuten letztes Jahr einen «Matter-Marathon» auf dem Waisenhausplatz geschenkt. Das Konzert dauerte von 16 Uhr bis nach 23 Uhr, nur unterbrochen von einem Wasser, Bier oder Salätli! (Lacht)
Wie hat sich das Interesse an Mani Matter verändert?
Ich finde es unglaublich berührend und schön zu erleben, dass ihn viele Leute wiederentdecken oder gerade
erst kennenlernen. Vor allem bei Konzerten im kleineren Rahmen, wo die Aufmerksamkeit besonders hoch ist, merkst du, wie die Leute mitgehen und über Pointen lachen, als würden sie diese zum ersten Mal hören. Das zeigt auch, wie aktuell Mani Matters Lieder immer noch sind.
Entdecken auch Sie seine Songs manchmal neu?
«Yr Isebahn» habe ich bis vor kurzem einfach als eine amüsante Beschreibung von zwei Menschen im Zug betrachtet. Aber es ist auch eine Metapher dafür, wie schwierig es ist, einander zu verstehen, da jeder die Welt aus seiner Perspektive sieht und überzeugt ist, dass seine Sicht die richtige ist. Das passt zu Erfahrungen, die ich im Zusammenhang mit meiner Kandidatur für den Nationalrat gemacht habe.
Woran denken Sie?
Wenn ich unterwegs bin, um Unterschriften zu sammeln, sagen mir Leute, «die Partei, der ich beitreten würde, gibt es gar nicht.» Ich habe diesen Satz früher selbst auch schon gedacht, aber er zeugt eigentlich von einer total schrägen Haltung: Du gehst durchs Leben und suchst hundert Prozent Zustimmung? Das gibt es doch nicht. Mit der Konsequenz, dass du nirgends dazugehören und nirgends mitmachen willst? Dann hättest du nicht verstanden, was Demokratie ist, nämlich, dass Menschen mit unterschiedlichen Meinungen um Kompromisse ringen, mit denen alle leben können.
Wie unterscheidet sich die Art, wie Sie die Matter-Lieder heute singen, von Ihren Interpretationen vor zwanzig Jahren?
Wir werden immer entspannter und freier in der Interpretation. MatterLive hat noch nie so gut getönt wie jetzt, finde ich. Wir wollen den Liedern treu sein, aber auch für ein Live-Erlebnis sorgen, das bei jedem Konzert anders ist. Es soll fürs Publikum und für uns interessant bleiben.
Das letzte Interview gaben Sie dem Bärnerbär anlässlich Ihrer 25 Jahre beim «Kassensturz». Inzwischen sind Sie dort schon fast anderthalb Jahre weg. Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Ich bin parallel zur Politik am Aufbauen meiner selbstständigen Erwerbstätigkeit. Ich gebe Auftrittskompetenzkurse an Fachhochschulen und mache Behörden-Coachings. Durch meine Tätigkeit als Musiker mit MatterLive und Chinderland bin ich zwar schon lange zu einem Viertel oder Drittel selbstständig, aber komplett selbstbestimmt zu sein ist phantastisch. Ich bereue meinen Entscheid keine Sekunde.
Fehlt Ihnen gar nichts?
Es geht mir wirklich gut, aber zwischendurch vermisse ich meine lieben Fernsehkolleginnen und -kollegen. Dann rufe ich sie an und wir reden miteinander. Ich habe den Austausch mit ihnen sehr geschätzt und tue es immer noch. Ich bin ja auch kein Solomusiker, sondern Teamplayer in einer Band.
Welche Erwartungen bezüglich Ihres neuen Lebens haben sich erfüllt und welche nicht?
Ich hatte nicht so konkrete Vorstellungen, für mich war einfach klar: Jetzt ist der richtige Moment, um zu gehen. Ich weiss schon lange, dass ich als Selbstständiger 65 werden will. Ich wollte mich nicht vom SRF in den Ruhestand schicken lassen: «Uf Wiederluege, Herr Schmezer».
Begegnen die Leute dem Ex-Mister Kassensturz eigentlich anders als dem Mister Kassensturz?
Wenn ich Leuten begegne, die «ich vermisse Sie» zu mir sagen, antworte ich nun oft: «Wenn Sie mich als Konsumentenschützer zurückhaben wollen, geben Sie mir im Herbst Ihre Stimme!» (Lacht)
Reinhold Hönle
PERSÖNLICH
Ueli Schmezer wurde am 22. Juli 1961 in Bern geboren. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Nach Studien an der Uni Bern war er fast zehn Jahre bei «DRS 3», bevor er als Redaktor und Moderator von Sendungen wie «Hear We Go», «Club», «Time out» und «Kassensturz» zum Fernsehen SRF wechselte. Mit seiner Band MatterLive, die Mani Matter-Lieder interpretiert, und den Chinderland-CDs und Konzerten hat er seit zwanzig Jahren ein zweites musikalisches Standbein. Seit 2021 arbeitet er als selbstständiger Kommunikationstrainer.